Dieter Wanke
· 28.11.2019
Vom Drei-Mann-Betrieb zu einer der bedeutendsten Werften der Welt. Noch 1959 begannen Ray und Michalak mit ersten Prototypen...
Ende der 1950er Jahre war die Stimmung gut. Die große Depression der 1930er Jahre und das Elend, was der Zweite Weltkrieg hinterlassen hatte, schienen bewältigt.
Viele konnten sich nun etwas leisten. Das mündete in einen Boom des Wassersports. Die Bootsverkäufe hatten sich in den USA in dem Jahrzehnt bereits verdoppelt.
Neue Werften schossen wie Pilze aus dem Boden, um von dem noch instabilen Markt wenig später wieder zu verschwinden. Auch der damals 34-jährige Cornelius Nathaniel Ray III gehörte zu den Bootsbegeisterten, die an den Boom im Wassersport glaubten.
Also kaufte der Spross einer Unternehmerfamilie im Oktober 1959 die Überreste von Carr-Craft, einem strauchelnden Betrieb mit einigen Formen für Fiberglasboote, Golf-Karts und Särge in Detroit.
Auf dieser Basis gründete er Sea Ray. Ohne Erfahrung im Bootsbau begann die Produktion mit drei Mitarbeitern. Darunter sein Freund und Geschäftspartner Arch Me- haffey sowie der Fiberglasspezialist von Carr-Craft Jerry Michalak. Nur wenige Monate später zog die Werft in den Heimatort von Ray, nach Oxford, Michigan.
Der Jungunternehmer setzt von Anfang an auf Qualität und beginnt sofort mit der Entwicklung einer eigenen Linie. Dazu wird die Designlegende Harley Earl verpflichtet.
Earl hatte 1927 die Designabteilung von General Motors gegründet und war für die Gestaltung der Autos verantwortlich, bis er 1958 in Rente ging.
Nach einem arbeitsintensiven Winter werden im April 1960 die ersten Sportboote für Außenborder zwischen 13 und 17 Fuß vorgestellt. Darunter die Sea Ray SR600 mit Heckflossen, dem Stil der Straßenkreuzer dieser Epoche.
1962 kommen erste Boote mit Innenborder, und schon zwei Jahre später muss die Produktionskapazität verdoppelt werden. 1964 erscheinen mit der SRX 17 und der SRV 230 die ersten Boote mit V-Rümpfen und steiler Aufkimmung, was die Fahreigenschaften bei Wellen verbessert.
1971 verlegt Sea Ray den Firmensitz nach Phoenix, Arizona. Ein Jahr später folgt ein Werk für größere Yachten in Merrit Island, Florida. Ein Jahrzehnt der Expansion und der Modellvielfalt bahnt sich an.
Mit der SRV 240 kommt das erste Sundancer-Modell auf den Markt. Die Linie gibt es noch heute. Nach stetigem Wachstum kommt 1978 ein Werk in Knoxville, Tennessee dazu. Am Ende des Jahrzehnts tritt Ray als Präsident zurück und übergibt an seinen Partner Mehaffey.
Bis Mitte der 1980er entstehen weitere Werke bei Knoxville und in Palm Coast, Florida. 1984 übernimmt C. N. Ray wieder das Ruder. Bei der Umstrukturierung zieht das Hauptquartier nach Knoxville.
1986 ist Sea Ray die zweitgrößte Sportbootwerft der USA. Ein Werk in Tennessee und die erste Überseeproduktion in Irland kommen dazu. Da auf den größten Kunden von Mercury inzwischen auch Konkurrent OMC ein Auge wirft, schlägt die Konzernmutter Brunswick schnell zu. 350 Millionen Dollar wechseln den Besitzer.
Sea Ray gehört jetzt Brunswick, und Mercury behält seinen Kunden. Die rasante Expansion geht mit einem neuen Werk in Fort Mill, South Carolina, weiter.
Viele neue Modelle wie die Pachanga II oder 1987 die Laguna-Serie kommen dazu.
Problematische Jahre mit enormen Umsatzeinbrüchen und Werksschließungen in Tennessee, South Carolina und Oxford, Michigan folgen. Doch der Erfolg kommt zurück. 1995 übernimmt Sea Ray Baja, ein Jahr später kommt Boston Whaler dazu.
Das neue Jahrtausend bringt Umstrukturierungen. Nachdem die Sea Ray Boat Group und die Brunswick Boat Group in Knoxville vereinigt wurden, wird die Brunswick-Gruppe zum weltweit größten Hersteller von Freizeitbooten und Antrieben.
2009 wird die Werft nach zahlreichen Neuvorstellungen wie den Sundancer-Modellen 235, 265, 285, 475 und 540 von der Finanz- und Wirtschaftskrise schwer getroffen. Sea Ray setzt auf große Yachten und startet 2014 die luxuriöse L-Klasse.
Die Verkäufe laufen schleppend. Werksschließungen folgen. Ab 2016 kommen mit der Sundancer 350, der SLX-W 230 und der SLX 400 wieder kleinere Einheiten. 2018 überrascht die Meldung, dass die Marke zum Verkauf steht. Interessenten gibt es, handelseinig wird man nicht.
Ein halbes Jahr später wird der Verbleib von Sea Ray bei Brunswick verkündet. Yachten über 40 Fuß verschwinden, worauf die Schließung der Werke Sykes Creek und Palm Coast in Florida mit 825 entlassenen Mitarbeitern folgt.
Teile der Entwicklung werden von Boston Whaler übernommen, wo heute auch neue Sea-Ray-Modelle entstehen. Dank der Produktion kleinerer Boote in Polen ist die Werft von den Strafzöllen der EU mit diesen Einheiten nicht betroffen.