Sebastian Gollasch
· 18.03.2018
Atlantic Marine Day Cruiser 690: Dank seines durchdachten Raumkonzepts bietet das größte Boot der Baureihe viel Platz – falls Skipper und Crew mal eine Nacht dranhängen wollen
Die Modellpalette der Werft Atlantic Marine umfasst vier Kategorien. Neben den Reihen Adventure, Suncruiser und Open gibt es noch die Day Cruiser. Unser Testboot, die 690, ist die größte Vertreterin innerhalb dieser Klasse.
Am übersichtlichen Fahrstand sitzt man dank der straffen Polsterung bequem
Hergestellt wird das Kunststoffboot wie seine Geschwister im Handauflegeverfahren in Polen. Die Qualität gilt in der Branche als gut. So werden die Sportboote der Werft unter anderem Namen auch auf dem skandinavischen Markt angeboten.
Mit ihren kompakten Abmessungen und sondergenehmigungsfreien 2,45 m Breite sowie einem Gewicht von rund 1600 kg inklusive Motor lässt sich die Day Cruiser 690 gut an den Haken nehmen. Wer sie auf der Straße transportieren möchte, benötigt dafür mindestens einen Trailer der 2000-kg-Klasse samt dem passenden Zugfahrzeug.
Fahren und Manövrieren
Ans Heck der 690 dürfen Langschaft-Außenborder mit einer Maximalleistung von 250 PS. Im Fall unseres Testbootes ist ein Mercury Verado 225 fachmännisch am Spiegel verbolzt. Dieser schöpft seine Leistung von 225 PS aus sechs in Reihe angeordneten und mittels Kompressor aufgeladenen Zylindern.
Das Umwandeln der Drehbewegung in Vortrieb übernimmt bei uns ein Edelstahl-Dreiblattpropeller mit den Abmessungen 3 x 14 1/2" x 17".
Wenn man die Heckwelle klein halten möchte, lässt man den Motor nicht höher als 1000 U/min drehen. Die Geschwindigkeit beträgt bei dieser Drehzahl 6 kn. Die Manövriereigenschaften bei geringem Tempo sind typisch für einen Gleiterrumpf, das heißt die Nase tanzt von Steuer- nach Backbord und wieder zurück, wobei der Kurs nur selten vom Skipper korrigiert werden muss.
Wechseln in Verdrängerfahrt einige Crewmitglieder den Sitzplatz, krängt die 690 infolge der Gewichtsverlagerung, bleibt aber kursstabil. Zwischen 2500 und 3300 U/min findet der Übergang von Verdränger- in Gleitfahrt statt. Dabei hebt sich der Bug so weit an, dass der sitzende Skipper kurz keine Voraussicht hat. Als kleinste Gleitfahrt haben wir 3200 U/min ermittelt.
Stabil und gut fährt sich die Motor-Boot-Kombination bei 3500 U/min oder 20 kn, am wirtschaftlichsten ist man bei 4000 U/min unterwegs. Das GPS zeigt dabei 26 kn an, der Verbrauch liegt bei 1,32 l/sm. Eine Tankfüllung von 214 l reicht so für einen Nonstoptrip von 138 sm, bis es an die 15-%-Reserve geht.
Vom Lautstärkemesser lesen wir komfortable 75 db(A) ab. Legt man den Hebel auf den Tisch, zeigt der Drehzahlmesser passende 6000 U/min an; das genügt, um den Daycruiser auf maximal 44 kn zu beschleunigen. Dabei laufen knapp 2 l/sm Benzin durch die Kraftstoffleitung zum Motor. Bei diesem Tempo muss man bereits nach 92 sm nach einer Bunkerstation Ausschau halten.
Extremmanöver bei Spitzengeschwindigkeit wie immer enger werdende Kreise, Slalomkurs und 180°-Wenden absolviert die 690 sicher und berechenbar. Bevor man bei Ersteren das Steuer einschlägt, gilt es allerdings, den Motor ganz an den Spiegel zu trimmen.
Dann bremst sich der Rumpf unter beherrschbaren Fliehkräften bis auf Verdrängergeschwindigkeit ab, ohne dass der Propeller ins Leere greift. Sobald die Lenkung wieder geöffnet wird, nimmt die Day Cruiser unvermittelt Fahrt auf. Das gleiche Bild zeigt sich bei der 180°-Wende, wobei hier die Geschwindigkeit durchgehend im Gleitbereich bleibt. Auf dem Slalomkurs wird auch mit Fahrtrimm jeder Steuerbefehl direkt und gut kontrollierbar vom Rumpf umgesetzt, es gibt kein Schaukeln und Einhaken.
Technik und Sicherheit
Der Motor ist wie eingangs erwähnt einwandfrei verbolzt. Die Schläuche der Lenkung und Kraftstoffversorgung wie auch die Kabelleitungen zwischen Motor und Boot wurden vernünftig und vor UV-Strahlen geschützt in einem Wellrohr verlegt.
Im Heck der Day Cruiser hat die Werft neben der sicher gehalterten Batterie einen separaten Kraftstofffilter angebracht. Die Kraftstoffzuführung erfolgt mittels Gummischlauch, der scheuerfrei bis zum Absperrhahn und zum Tank verlegt ist. Letzterer besteht aus Kunststoff und wurde von den polnischen Bootsbauern verbolzt und eingeschäumt.
Nicht weniger professionell wirken die Installationen am Fahrstand. Zur Absicherung der Besatzung hat man Schmelzsicherungen eingebaut.
Zugang zu diesen erhält man über ein in der Kabine am Fahrstand untergebrachtes Serviceluk. Ein genauerer Blick in solche verborgenen Ecken offenbart, dass der Schutzanstrich einige Lücken aufweist. Da hat man sich bei den GFK-Arbeiten erkennbar mehr Mühe gegeben – hier ist uns beim Test kein Mangel aufgefallen.
"Licht und Schatten" lautet unser Urteil beim Thema Sicherheit. Lobenswert: Dank Teak (Standard ist eine Antislipstruktur) auf allen Trittflächen, zahlreicher Haltegriffe sowie der hohen Cockpitinnenwände kann man sich überall sicher bewegen. Andererseits gibt es an Bord der Atlantic Marine zwei elektrische, aber keine manuelle Bilgenpumpe.
Wohnen, Cockpit und Ausrüstung
Ins Cockpit der Day Cruiser 690 gelangt man am einfachsten über die Badeplattform am Heck oder von der Seite. Ausgestattet hat die Werft das Boot mit einer Hecksitzbank samt Einstecktisch sowie einer Wetbar (Spüle und Arbeitsfläche), die sich auf Wunsch über die Zubehörliste zum Pantryblock mit 39 l fassendem Kompressorkühlschrank samt Gefrierfach und einem einflammigem Gaskartuschenkocher aufrüsten lässt.
Zur Standardausführung der Kabine gehören die V-förmige Doppelkoje sowie eine 12-V-Steckdose. Licht und Luft gelangen über die zwei Bullaugen und das Schiebeluk aus Plexiglas hinein. Zum Stauen gibt es zahlreiche Kästen mit reichlich Raum unter der Liegefläche.
Auch hier können weitere Ausstattungsoptionen gewählt werden. Unter anderem hat die Werft bereits Platz für ein Marinetoilettensystem vorgesehen. Störend ist der Höhenunterschied zwischen Kabine und Cockpitboden. Wir vermissen eine Zwischenstufe zum Verlassen der Kabine.
Am Fahrstand gibt es nichts weiter zu bemängeln. Alle Instrumente und Schalter sind für den Skipper gut sicht- und erreichbar. Hat man sich mit der Doppelbank angefreundet, sind selbst längere Strecken kein Problem. Was an Bord laut dem BOOTE-Anforderungskatalog nicht fehlen sollte, ist ein Kompass, ein Signalhorn, ein Feuerlöscher und eine Hafen- oder Transportpersenning.
All diese Zubehörteile gibt es bei der Day Cruiser 690 nur gegen Aufpreis; genau wie die nicht in ganz Deutschland zugelassenen Positionslaternen führt das zu einer Abwertung in den entsprechenden Bereichen.
Fazit:
Die Atlantic Marine Day Cruiser 690 bietet bei einer Länge von 6,85 m viel Platz für die Crew. Die Zubehörliste umfasst Teile, die zur Standardausrüstung gehören müssten. In puncto Manövrierbarkeit und Fahreigenschaften gibt es nichts zu kritisieren. Negativ aufgefallen ist der teils lückenhafte Schutzanstrich bei sonst guter, stabiler GFK-Verarbeitung.
Dieser Test stammt aus BOOTE-Heft 5/2017