TestAtlantic Sun Cruiser 655 - Sonne gefällig?

Ralf Marquard

 · 04.05.2016

Test: Atlantic Sun Cruiser 655 - Sonne gefällig?Foto: Morten Strauch
Test Atlantic Sun Cruiser 655

Auf dem Vordeck der Atlantic Sun Cruiser 655 ist das Sonnenbaden kein Problem! Wir haben die Neue aber nicht nur diesem „Belastungstest“ unterzogen...

Atlantic Sun Cruiser 655
Foto: Morten Strauch

Atlantic-Yachting gehört zu den Werften, die sich im polnischen Augustow niedergelassen haben. Ein Ort, wo auch andere namhafte Werften aus Europa und sogar den USA ihre Boote herstellen lassen. Atlantic produziert dort bereits seit über zehn Jahren ihre eigene Serie, führt aber genauso Auftragsarbeiten von anderen Herstellern aus.

Was die Werkshallen verlässt, so versichert die Werft, ist reinste und erstklassige Handarbeit. Für unser Testboot, die Atlantic Sun Cruiser 655, können wir das bis auf wenige Details bestätigen.

Dazu gehören super glatte Kunststoffoberflächen, ein nahezu lückenloser Schutzanstrich, geschliffene und versiegelte Ausschnitte sowie fest verschraubte Scharniere und Klampen. Der Mann mit der Silikonspritze hatte dagegen nicht seinen besten Tag: Die Nähte in der Kabine fallen nicht durchgängig glatt aus, sondern zeigen einige Ansätze. Super dagegen die Polsterverarbeitung: Die Bezüge sitzen passgenau und sind angenehm fest.

Die schönste Liegefläche an Deck findet man auf dem Vordeck. Hier haben zwei Personen gut Platz, um sich in der Sonne zu aalen.

Achtern gibt es eine Bank, die mehr zum Sitzen als Liegen gedacht ist. Zusammen mit drehbarem Fahrer-, Beifahrersitz und Tisch ergibt das eine Klönecke oder einen Platz, um Snacks zu reichen. Wer Letztere zubereiten möchte, lässt sich gegen Aufpreis eine Minipantry mit Kocher und Spülbecken installieren. Zum Kühlen von Getränken sowie Speisen steht ein Kühlschrank auf der Zubehörliste.

Um sich selbst zu erfrischen, springt man entweder unter die Heckdusche oder von der Badeplattform achtern ins Wasser. Zurück aufs Boot kommt man über die Badeleiter und den Einstieg an Steuerbord. Weitere Einstiegsmöglichkeiten erlauben die Bugspitze und das Seitendeck.

Unter Deck gelangt die Crew durch eine Schiebetür mit Arretierung. Im Eingangsbereich findet man an Backbord einen Schrank und gegenüber ein Chemieklo mit Abdeckung. Diese Anordnung ist praktisch, denn wer nachts mal auf die Toilette muss, braucht nicht erst die Koje umzubauen (meist das Mittelpolster hochklappen), wie bei Cuddie Cabins häufig üblich. Man krabbelt einfach aus der Koje und setzt sich ruck, zuck auf das "Schüsselchen". Im Tagbetrieb wird aus der Koje eine Sitzecke mit mäßiger Sitzhöhe, der dazugehörige Tisch besteht aus Kunststoff und besitzt eine Abrutschkante.

Damit Skipper und Beifahrer nicht ins Rutschen kommen, verbaut die Werft Sport-Schalensitze mit weit hochgezogenen Seitenteilen.

Für die Fahrt im Stehen lässt sich die Sitzfläche hochklappen und für eine optimale Kniefreiheit der Fahrersitz in alle Richtungen verstellen. Bis auf die Vor-Zurück-Funktion bietet der Beifahrerplatz gleiche Konstellation. Zum Festhalten benutzt der Copilot den Handlauf oben am Fahrstand. Eine Plexiglasscheibe schützt die Fahrgemeinschaft vor Wind und Spritzwasser.

Die Instrumentierung ist mit gut ablesbarer Motorkontroll- (Smartcraft) und Tankanzeige ausgestattet. Der installierte Kartenplotter von Garmin kostet genauso Aufpreis wie der Kompass, den wir auf "Kategorie C"-Booten fordern. Um den Außenborder zu steuern, vertraut Atlantic auf ein Hydraulik-System, das in allen Fahrsituationen mit Leichtgängigkeit und Genauigkeit überzeugt.

Gleiches gilt für die Schaltung, hier nervt jedoch die Hebeljustierung. Mit dem Ausdruck "Hebel auf den Tisch" hat man es zu ernst genommen, denn wenn man Vollgas gibt, liegt der Hebel direkt auf dem Armaturenbrett. Da bleibt kein Platz mehr für die Hand zwischen Hebel und Fahrstand.

Wir bedienen damit einen Mercury 150 EFI, der die 655 Sun Cruiser ohne Sichtbehinderung in etwa 3 s von Verdränger- in Gleitfahrt bringt. Ab 19 kn gleitet die Atlantic nicht nur gut, sondern ist auch wirtschaftlich unterwegs. In dieser Situation sind immerhin fast 160 sm mit einer Tankladung plus 15 % Reserve drin. Selbst mit Vollgas reicht der Sprit rein rechnerisch für über 100 sm Nonstop-Fahrt.

Getrimmt haben wir während der gesamten Testphase nach Gefühl, da die Trimmanzeige nicht funktionierte.

Wer in schnellen Kurven vergisst, den Außenborder nach unten zu trimmen, bemerkt das schnell an einem Luft schnappenden Propeller. Ohne Trimm zieht er zwar auch Luft, jedoch spürbar später. Dann hilft nur Gas wegnehmen und neu anfahren. Nicht nur für Einsteiger wichtig: Schaukeln oder Einhaken zeigt der Rumpf in keiner Situation, was unangenehme Fahrsituationen vermeidet.

Wer Spaß hinter dem Boot haben möchte, hängt sich in die serienmäßige Wasserskiöse. Hier haken sich Wasserskiläufer genauso gut ein wie Tube- oder Bobfahrer. Die Heckwelle zeigt einen typischen Verlauf: Erst hat sie eine recht kräftige Höhe, flacht dann jedoch mit zunehmender Geschwindigkeit immer weiter ab. In der langsamen Gangart zwischen etwa 4 und 6 kn fährt die Atlantic stur geradeaus. Selbst bei Gewichtsverlagerungen von einer Person muss der Kurs nur wenig korrigiert werden.

Um schnell mal Öl oder den Spritfilter am Außenborder zu prüfen, stellt man sich praktischerweise auf die großen Badeplattformen neben dem Motor.

Service-Arbeiten erledigt der "Schrauber" am einfachsten, wenn das Boot vorher auf den Trailer geslippt wird. Die Leitungen vom Außenborder zum Borddurchlass liegen in einem flexiblen Schutzschlauch, weiter nach vorn laufen sie in einem einlaminierten Rohr.

Unter dem Fahrstand und der Außenborderwanne verlegte die Werft die Leitungen fest und übersichtlich, bei der nachträglichen Verkabelung des Außenborders sieht die Befestigung dagegen nicht so ordentlich aus. Bis auf die Tatsache, dass der Spritfilter Aufpreis kostet, überzeugt die Tankanlage; dazu zählen fest gehalterter Tank, Absperrhahn, zwei Schellen an den Schlauchanschlüssen und ein gesicherter Tankdeckel.

Zwei Batterien (1 x Extra) übernehmen die Stromversorgung und sitzen in Kunststoffkästen unter der Heckbank. Daneben findet man den Wahlschalter, mit dem man die Akkus je nach gewünschter Betriebsart "umswitchen" kann. Fummelig: Um den Deckel des Heckkastens zu öffnen, müssen teilweise erst Fahrer- und Beifahrersitz zur Seite gedreht werden.

Für den 230-V-Landstromanschluss mit oder ohne Ladegerät zahlt man genauso Aufpreis wie für die Persenning und den Feuerlöscher.

Als Navigationsbeleuchtung installiert die Werft Lampen mit RINA-Zulassung, die jedoch nicht auf allen Gewässern in Deutschland erlaubt sind. Festmachen lässt sich das Boot an sechs Klampen, die zur Bootsgröße passen.

Fazit

Die Atlantic ist aufgrund der Vielseitigkeit ein echtes Multitalent, mit dem die Fahrgemeinschaft viel Spaß hat. Mit Mercurys 150 PS EFI ist man sicher und agil unterwegs. Bei der Sicherheitsausrüstung fehlen uns Dinge wie Handlenzpumpe, Kompass, Extra-Spritfilter und Feuer-löscher in der Serienausstattung. Die Verarbeitung zeigt einen guten Standard.

Datenblatt: Atlantic Sun Cruiser 655

Werft: Atlantic

Typbezeichnung: Atlantic Sun Cruiser 655

CE-Kategorie: C - Küstennahe Gewässer

Material von Rumpf und Deck: Kunststoff

Länge: 6,95 m

Breite: 2,50 m

Verdrängung: 1,30 t

Preis: 36.900,00 €