Peter Laessig
· 04.02.2020
Diese neue Britin wurde dafür gemacht, um die Sonne genießen zu können – Dank großem Schiebedach auch „innen“ am Fahrstand
Das stürmische Rendezvous von Hoch Ulf und Tief Jessika gegen Abend des ersten Oktobers letzten Jahres verursacht einen heftigen Mistral westlich von Cannes. Der fegt nicht nur das Mobiliar auf der Hotelterrasse weg, sondern wühlt auch das Mittelmeer ordentlich auf und schafft damit beste Voraussetzungen für den morgigen Test der neuen Fairline Targa 43 Open in Mandelieu-la-Napoule. Übrig geblieben von dem stürmischen Auftritt sind am Folgetag lediglich ein noch leicht bewegtes Mittelmeer-Gewässer, Wellen bis etwa ein Meter Höhe sowie ein laues Lüftchen von einem Beaufort.
Nicht ganz ohne Stolz erklärt mir der Marketingmanager Miles Moorhouse die Fairline Targa 43 Open. Sie sei eine komplette Neuentwicklung und knüpfe an die Erfolge der alten 43 an, von der zwischen 1997–2005 dreihundert Exemplare die Werft verließen.
Die neue 43 ist in erster Linie für den Gebrauch auf dem Mittelmeer konzipiert, was aber nicht heißt, dass man sie nicht auch woanders fahren kann. Für das Mittelmeer wurde seitens der Fairline Wert auf ein großes Cockpit, ausladende Sonnenliegen vorn und achtern sowie eine geräumige Tendergarage mit Platz für ein Williams 285 TurboJet gelegt. Dazu gibt es eine hydraulisch absenkbare Badeplattform mit Standplatz für einen Jetski.
Und sie hat etwas von einer Open, einem offenem Boot, wenn wie Miles es meint "das größte Schiebedach in der Bootsklasse" geöffnet ist. Dem kann ich nur zustimmen und anfügen, dass man auch bei geöffnetem Dach zumindest als Fahrer oder Co absolut frei von Zugluft sitzt. Anfänglich dachte die Werft daran, das Boot auch mit Z-Antrieben zu offerieren, entschloss sich aber dann doch, es ausschließlich mit zwei Volvo Penta IPS 600 D6-435 (wie im Testboot verbaut) anzubieten.
Das großzügige Raumangebot an Deck setzt sich auch unten weiter fort. Der bequeme Niedergang führt in einen Salon mit Pantry und Dinette, der über die gesamte Bootsbreite reicht. Wo man geht und steht oder hinschaut, erblickt man edles Material und sauber gearbeitete Flächen.
Designdetails von der Targa 63 GTO finden dank Alberto Mancini auch hier Verwendung und spannen so einen Bogen über alle Modelle hinweg. Der zukünftige Eigner sollte schon beim Kauf entscheiden, ob er die Bugkabine oder die Mittelkabine als die seine benutzen möchte, denn danach richtet sich die Anordnung der Türen und Verwendung der Bäder mit Toiletten.
In beiden Kabinen lassen sich die Kojen im Queensize-Format zu Einzelkojen auseinanderschieben. Je ein Bullauge in den großen Rumpf-Seitenfenstern sorgen in beiden Kabinen auch bei Regen für eine natürliche Belüftung. Dass es überall genügend Stauraum gibt, versteht sich von selbst.
Betreten wird die Targa 43 Open in erster Linie über das Heck, wo an Steuerbord eine elektro-hydraulische Gangway den Weg ins Cockpit ebnet. Breite Stufen führen ansonsten beidseitig der Hecksonnenliege in das Cockpit oder zum Backbordseitendeck. Damit die Sonnanbeter achtern auch während der Fahrt sicher liegen und sich festhalten können, soll dort noch eine Handlauf-Reling oder Ähnliches installiert werden.
Skipper allen Alters erfreuen sich vernünftig dimensionierter Seitendecks auf dem Weg nach vorn.
Die Handläufe am Cockpitdach sollen noch etwas mehr Abstand bekommen, damit man beim Festhalten nicht mit den Fingergelenken anstößt. Das in zwei Ebenen unterteilte Cockpit bietet hinten viele Sitzgelegenheiten und einen hochklappbaren Tisch. Vorn dominieren der Fahrstand an Steuerbord mit dahinter angeordneter Cockpitpantry und gegenüber die Sitzgelegenheiten für Beifahrer.
Ein Schwachpunkt kristallisiert sich beim Test heraus: der Motorraum.
Aufgrund der Tendergarage ist es nur mit artistischen Übungen möglich, im Motorraum zu den Motoren oder sonstiger verbauter Technik für Kontrolle oder Service zu gelangen. Zwar ist der Garagenboden dazu gedacht, ihn herauszunehmen, nur ist das mit jeder Menge Arbeit und vielem Schrauben verbunden und wird nur im Ernstfall oder bestenfalls bei großen Inspektionen der Fall sein. Meinen Vorschlag, den ganzen Garagenboden als große Klappe umzubauen, hat die Werft aufgenommen und entsprechend konzeptioniert. Wird das so umgesetzt, wie man mir zwischenzeitlich aufgezeigt hat, gibt es nichts mehr zu mäkeln.
Dank IPS-Antrieben fallen alle Fahrmanöver moderat aus, Extremmanöver werden von drehzahl- und geschwindigkeitsabhängigen Einschlagwinkel der Pod-Antriebe verhindert. In voller Fahrt messen die Kurvendurchmesser etwa 200 und in Verdrängerfahrt 30 Meter, mithilfe des Joysticks nur eine Bootslänge.
Letzterer dient dazu, das Boot in jede Richtung zu manövrieren, was das An- und Ablegen selbst in engen Passagen erleichtert. Unser Testboot beginnt ab etwa 11 kn Fahrt zu gleiten, wobei der Übergang von Verdränger- in Gleitfahrt mit wenig Vertrimmung des Bootes einhergeht und daher die Voraussicht erhalten bleibt.
Wie üblich bei Booten mit IPS-Antrieben, nutzt man Trimmklappen zum Absenken des Bugs. Das verbessert zum einen die Sicht und zum anderen den Fahrkomfort, wenn das Vorschiff durch das Kabbelwasser schneidet. Bei Vollgas (3490 U/min) loggen sich 31 kn im GPS ein und verfehlen damit die Werftvorgabe um gerade mal 1 kn.
Fairline benennt Drehzahlen um 3200 U/min günstig für Marschfahrten, was ich nach Auswertung meiner Messdaten auch bestätigen kann. Eine Tankfüllung reicht dann theoretisch nonstop für 208 sm plus 15 % Reserve und bedeutet, unser Soll ist nicht erfüllt. Wer weiter kommen will, muss in Verdrängerfahrt übergehen und kann je nach Tempo Distanzen von etwa 1600 bis 1230 sm absolvieren.
Außerordentlich: Der Schalldruck misst im gesamten Cockpit nicht mehr als 78 dB/A. Ein sehr guter Wert, den man sonst nur bei geschlossenen Booten vorfindet.
Hinsichtlich der von BOOTE gestellten Sicherheitsansprüche erfüllt das Testboot bis auf die fehlenden Wasseralarmsensoren in den Kraftstoffvorfiltern alles vorbildlich. Dazu gibt es aber noch eine Besonderheit: Ist der Hahn am Borddurchlass vom Fäkalientank geschlossen, blockiert dort ein Sensor den Macerator, Abpumpen ist dann nicht möglich.
Was die gesamte Verarbeitung sowie technische und elektrische Installationen angeht, ist die Werft absolut auf Höhe der Zeit.
Lediglich ein paar Kleinigkeiten bedürfen beim Formenbau noch der Optimierung – aber das ist keine große Überraschung, wenn man bedenkt, dass hier das Boot mit der Baunummer 1 der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Fairline bietet die Targa 43 Open fahrfertig an, stellt aber wie andere Werften auch eine Zubehörliste zur Verfügung, mit der sich der Eigner sein Boot noch individuell gestalten kann.