Ralf Marquard
· 23.07.2018
Mit seinem Aussehen fällt der Weekender sofort ins Auge – bei einem Boot aus Italien nicht besonders verwunderlich. Wir haben den Blickfänger auf dem Bodensee getestet.
Kajütboote mit einer großen Sonnenliege oder Sitzecke im Bug kommen immer mehr in Mode. Tagsüber amüsiert man sich am Ankerplatz auf der Open-Air-Bühne, und abends klettert man in die Kabine und erholt sich vom Sonnentag oder der Entdeckungsreise.
Ein gutes Beispiel dafür ist unser Testboot, die Invictus 280GT. Sie besitzt im Bug eine riesige Liegewiese, auf der gleich mehrere Personen Platz finden.
Geht man von dort nach achtern, gelangt man über Stufen ins Cockpit. Dort gibt es eine wandelbare Heckbank und einen hinter dem Fahrersitz integrierten Pantryblock. Beim Testboot war er mit Spülbecken, Kühlschrank und Schneidebrett ausgerüstet; anstatt des Bretts bekommt der Eigner auf Wunsch auch eine Grillplatte.
Der Clou: Da die Werft den Fahrersitz-Pantry-Block möglichst kompakt halten wollte, muss man die Sitze elektrisch nach vorn fahren, um beispielsweise das Spülbecken zu nutzen.
Die Heckeinheit ist wandelbar: Hier wird die Lehne per Hand umgeklappt, sodass eine weitere Liegefläche entsteht. Noch eine Nummer weiter nach achtern schließt sich die große Badeplattform mit Heckdusche und langer Leiter an. Letztere liegt unter einer Klappe und lässt sich vom Wasser aus passabel bedienen.
Wer sich vor zu viel Sonne schützen möchte, spannt das serienmäßige Biminidach auf, das praktisch in einer Mulde unter der vorderen Sonnenliege verstaut wird. Die Anordnung hat jedoch zur Folge, dass die Kopffreiheit in der Kabine über der wandelbaren Sitzecke nur etwa 0,76 m beträgt, was Personen ab 1,80 m Größe zum vorgebeugten Sitzen zwingt.
Zum Schlafen reicht die Höhe dagegen aus, und die Koje (2,00 x 2,18 m) lässt zwei Erwachsenen plus Kind genügend Platz zum Schlafen. Die Polster weisen eine gute Festigkeit
auf, sind jedoch nicht unterlüftet. Bevor es in die Koje geht, kommt man in den Vorraum, der an Backbord über eine Schrankeinheit und an Steuerbord über eine Nasszelle mit Marinetoilette und Waschbecken verfügt. Dort beträgt die Stehhöhe gut 1,50 m, und im Bereich der Toilette kann man sich ausreichend bewegen.
Fahren und Manövrieren
Die bereits erwähnte, ebenfalls fest gepolsterte Fahrerbank bietet zwei Personen Platz; die Sitzflächen lassen sich hochklappen. Wer sitzend fährt, muss sich mit dem Bügel über der Windschutzscheibe arrangieren, der je nach Fahrstufe mehr oder weniger im Blickfeld landet.
Fährt man dagegen im Stehen, blickt man darüber hinweg und wird nicht gestört. Wer es also sportlich mit Fahrtwind haben möchte, stellt sich hin, wer es eher gemütlicher und windgeschützter will, setzt sich auf die Bank. In beiden Fahrpositionen lassen sich die leichtgängige Ein-Hebel-Bügelschaltung und das Sportlenkrad gut bedienen sowie die Instrumente passabel ablesen.
Angesteuert wird mit der Schaltung ein Volvo-Penta-V8-Benziner, der 300 PS leistet und das immerhin 2800 kg schwere Boot auf gut 35 kn bringt. In der Übergangsphase von Verdränger- in Gleitfahrt hebt sich der Bug nur mäßig an und lässt sich bei kleiner Gleitfahrt im Bereich von 3500 U/min mit den serienmäßigen Trimmklappen etwas herunterdrücken.
Bei mehr Gas fährt man die Klappen wieder hoch, da sich der Bug von allein senkt und man schließlich die Invictus nur mit dem Powertrimm (maximaler Anzeigewert: etwa ¾) in die optimale Lage bringt.
Wer möglichst viel Strecke mit einer guten Gleitfahrt machen möchte, lässt den Motor rund 4000 U/min drehen und cruist dann mit etwa 23 kn sicher, kursstabil und mit 81 dB(A) auch noch recht leise übers Wasser. Rein rechnerisch ergibt sich dann eine Reichweite von gut 300 sm plus 15 % Reserve, was für diese Art von Boot schon außergewöhnlich viel ist.
Schnelle Fahrmanöver steckt der Rumpf gut weg, dabei spielte es beispielsweise in schnellen Kurven keine Rolle, ob der Antrieb auf Fahrtrimm steht oder ganz an den Spiegel gefahren ist. In beiden Fällen zieht der Rumpf sehr enge Kreise, sodass man sich gut festhalten muss;
das Testboot bremst sich dabei selbstständig ab, der Duoprop bleibt immer kraftschlüssig, und beim Herausfahren aus dem Kreisel beschleunigt die Invictus wieder unverzüglich.
Hierbei fällt – genauso wie bei der Slalomfahrt und beim Verreißen der Lenkung – die extrem leichtgängige Servolenkung auf. Auf beide Manöver reagiert der Rumpf direkt, aber nicht überraschend. Von der Weißen Flotte und Sportbooten auf dem Bodensee erzeugte Wellen überspringt die 280GT weich und trocken.
In Verdrängerfahrt zwischen rund 3,5 und 5,5 kn registrieren wir mäßiges Gieren (selbstständiges Hin- und Herpendeln des Bugs). Am besten lässt man den Rumpf einpendeln und lenkt, wenn überhaupt, nur ganz wenig gegen.
Hafenmanöver lassen sich mit normalen Drehkreisen und gutem Umsteuerverhalten in Rückwärtsfahrt sowie mit dem Bugstrahlruder (Aufpreis: 3500 Euro) exakt fahren. Beim Einfahren in die Box heißt es aufpassen: mit dem Bug nicht zu weit an den Steg fahren, denn die Nase ragt weiter nach vorn als vom Fahrstand aus sichtbar.
Technik und Ausrüstung
Der Motor steht unter der Sonnenliege achtern. Der scharfkantige Griff zum Anheben der Klappe schneidet spürbar in die Hände. Ist der Deckel jedoch erst einmal geöffnet, zeigt sich darunter eine Augenweide: Das gilt für die fachmännischen Installationen genauso wie für die soliden Motorfundamente und den sauberen Schutzanstrich des Laminats.
Extra Spritfilter und Absperrhahn sind ebenso hervorzuheben wie die Relaishauptschalter, die auch für den Handnotbetrieb ausgelegt sind. Einzige Einschränkung: Die Sicherungen unter dem Fahrstand befinden sich hinter einer Klappe, die erst mit Werkzeug entfernt werden muss, und sind daher nur schwer zugänglich.
Die Sicherheitsausrüstung mit einer Feuerlöschanlage ist lobenswert; eine Handlenzpumpe, die auch ohne Strom arbeitet, suchten wir jedoch vergeblich.
Vier Klampen sind zum Festmachen vorhanden, eine Scheuerleiste fiel der Optik zum Opfer. Persenninghauben schützen Fahrstand und Sitzbank vor Regen und UV-Strahlung. Um individuelle Wünsche zu berücksichtigen, bietet die Werft sowohl Einzeloptionen als auch vier praktische Ausstattungspakete.
Fazit
Mit der Invictus 280GT verbringt man entspannt den Tag auf dem Wasser. Zwei Erwachsene plus Kind können auf dem Weekender zudem passabel übernachten. Es macht Spaß, mit dem Boot zu cruisen und auch mal
jemanden in Schlepp zu nehmen. Verarbeitung und Installationen liegen auf hohem Niveau.
Dieser Test stammt aus BOOTE 9/2017
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