TestJeanneau Leader 30 - Alle Achtung

Peter Laessig

 · 20.01.2018

Test: Jeanneau Leader 30 - Alle AchtungFoto: Dieter Wanke

Das fast 10 Meter lange Kajütboot mit 300-PS-Diesel-Innenborder zeigt sich von seiner sportlichen und komfortablen Seite.

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Foto: Dieter Wanke

Die französische Werft Jeanneau bie­tet aktuell drei Modellreihen von Kajütbooten an: Velasco, NC und
Leader. Zu letzteren zählt unser Testboot Leader 30, es ist das kleinste aus der Serie. Boote dieser Kategorie sollen sportlichen wie auch familiären Ansprüchen genügen, weshalb sie optisch auch mehr als Daycrui­ser konzipiert und mit einer Portion Luxus versehen sind.

Darüber hinaus legt die Werft Wert auf eine komfortable Ausstat­tung und glänzt mit intelligent umgesetz­ten Ideen, was insbesondere die Leader 30 von Mitbewerbern unterscheiden soll. Das Boot wird entweder mit einem Diesel von Volvo Penta oder auch mit einem oder zwei Ottomotoren von MerCrui­ser ausgestattet. Z-Antriebe mit Doppelpropellern bringen die Kraft ins Wasser.

Unser Testboot ist eines der ersten und unter großem Zeitdruck gefertigt worden. Verarbeitungstechnisch hat darunter besonders das gesamte Feintuning im Motorraum gelitten.

Das haben wir von Jeanneau schon besser gesehen. Bei der tech­nischen Installation kritisieren wir in erster Linie, dass Kabel und Schläuche auf unbehandelten Durchbrüchen scheuern. Das ist so nicht akzeptabel und wird als mangelhaft gewertet. Nichtsdestotrotz sieht man, dass Jeanneau versucht, dem selbst gestellten Anspruch gerecht zu werden. Die Kunststoffverarbeitung innen und außen sowie die Holzelemente samt Polstern können sich sehen lassen.

Fahren und Manövrieren

Wer die Leader 30 mit einem Motor bestellt, sollte auch Bugstrahlruder ankreuzen, damit An-, Ablegemanöver und längere Rückwärtsfahrten bei Seitenwind oder Querströmungen problemlos gelingen. Ohne Wind und Strömung fährt das Testboot ansonsten vor- und rückwärts dahin, wo es hinsoll. Beim Umsteuern von einer zur anderen Seite in Rückwärtsfahrt dauert es etwas, bis es eindreht, und in langsamer Vorausfahrt nehmen Personen, die im Boot den Platz wechseln, minimal Einfluss auf die Krängung. Die langsamen Passagen fahren wir mit maximal 1200 U/min oder 6 kn, damit die vom Boot erzeugten Wellen nicht stören.

Ohne Einsatz der Trimmklappen und mit ganz beigetrimmten Z-Antrieb geht unsere Leader 30 bei bester Voraussicht und ohne sich allzu viel zu vertrimmen, von Verdränger- in Gleitfahrt über. Diese Phase gestaltet sich kurz. Bei Vollgas dreht der Motor 120 U/min mehr als erlaubt, weil das Boot fast leer gefahren wird, und im GPS loggt sich eine Höchstgeschwindigkeit von gut 31 kn ein.

Unseren Messwerten zufolge (wobei wir auf die Verbrauchsdaten der Werft zurück­greifen) fährt das Testboot bei 3000 U/min und einem Tempo von 24 kn am wirtschaftlichsten. Eine Tankfüllung reicht dann theoretisch für einen Aktionsradius von 154 sm plus 15 % Reserve; unsere Mindestreichweitenforderung ist damit erfüllt. Selbst bei Vollgas sind es gerade mal 9 sm weniger – ein guter Wert. Da das Testboot aber schon bei 2200 U/min oder 10 kn schön fährt, wird man leicht dazu verleitet, dieses Tempo als Marsch­fahrt einzuhalten. Nur: Dabei verbraucht der Motor mehr als anderthalb mal so viel wie bei 3000 U/min, die Reichweite schrumpft jedoch auf weniger als 100 sm plus Reserve. Langsam heißt also nicht sparsam; in Gleitfahrt gilt: Gas geben!

Beim Thema Extremmanöver, allesamt mit Höchstgeschwindigkeit gefahren, gibt es nichts Negatives zu vermerken. Auf der imaginären Slalomstrecke bringt man das Testboot ungefährlich über die Längsachse zum Pendeln; beim Verreißen des Ruders folgt das Boot klaglos dem einmal eingeschlagenen Kurs, und die 180°-Wenden werden mit einer Schaukel- und Setzbewegung im Radius von drei bis vier Bootslängen mit haltbaren Fliehkräften unspektakulär absolviert. Die Wellen der Berufsschifffahrt auf dem Rhein stellen keine Herausforderung dar. Nur wenn die Wellenabstände einer Bootslänge entsprechen, ist Vorsicht angebracht; dann sollte man die Wellen schräg anfahren. Wir haben das nicht getan und uns ordentlich Spritzwasser ein­gefangen, wofür der etwas bauchige Bug verantwortlich ist.

Der Fahrer sitzt auf einem ordentlichen, verstellbaren Stuhl am übersichtlich aufgebauten Fahrstand. Die Reflexionen in der Windschutzschei­be stören; außerdem ist sie uns ein bisschen zu niedrig, der Rahmen liegt in Gleitfahrt genau auf Augenhöhe. Der Scheibenwischer kostet ex­tra, Gleiches gilt für das Echolot; den Kompass gibt es serienmäßig. Trotz nicht vorhandener Motorraumdämmung steigt der Schalldruck bei Vollgas nicht höher
als 83 dB(A). Beifahrer nehmen an Backbord vorn auf der Cock­pitsitzbank Platz, deren Rückenlehne sich vor- und zurückklappen lässt.

Technik

Ein Teil der hinteren Sitzbank und (je nach Klapprichtung der Rückenlehnen)auch der Hecksonnenliege bildet den Motorraumdeckel; dieser wird elektrisch bewegt. Eine Einstiegshilfe in den Motorraum fehlt. Der Motor steht rundum frei und ist, wie auch Tank, Batterien, Kraftstoffvorfilter und die übrigen Einbauten, daher gut zugänglich. Es ist aber nicht alles optimal platziert im Motorraum, Schraubenenden stehen hervor, und Schläuche und Kabel scheuern auf unbehandelten Schnittkanten in Schottwanddurchbrüchen. Die elektrischen und technischen Installationen erfahren daher eine Abwertung. Die Batteriehauptschalter befinden sich unter dem Niedergang zum Wohnbereich und die Sicherungen hinter einer Klappe in der Unterflurkabine – beides leicht zugänglich.

Sicherheit

Der Stauraumboden in der Hecksitzbank kann entfernt werden, wodurch der Motorraum im Notfall von oben zugänglich ist. Eine automatische Feuerlöschanlage sowie eine elektrische plus eine manuelle Lenzpumpe im Motorraum gehören zum Standard, ein Wasser­alarm im Dieselvorfilter dagegen unsinniger­weise nicht. Die Griffe der fernabschalt­baren Kraftstoffhähne verbergen sich im Kleiderschrank in der Unterflurkabine. Die Haltemöglichkeiten auf dem Boot sind strategisch gut verteilt. Die Badeleiter lässt sich vom Wasser aus betätigen, und in die Plattform sind Haltegriffe inte­griert.

Wohnen und Komfort

Für ein Boot dieser Kategorie verfügt die Leader über ein verblüffend großes Raum­angebot. Auf dem zur Verfügung stehenden Platz hat die Werft zwei ansehnliche getrennte Kabinen mit Schlafplätzen für vier Erwachsene geschaffen. Diese verteilen sich auf die Kabine unterm Cockpit und den Salon vorn, wenn dort die Sitzgruppe in eine Liege umgewandelt wird. Hinzu kommen noch ein akzeptabel dimen­sioniertes Bad mit WC sowie die passable Pantry. Die Stehhöhen sind ebenfalls ausreichend.

Nicht zu vergessen: die Stauräume auf und unter Deck. Das Cockpit glänzt mit seiner trickreichen Sitzbank – durch Umklappen der Rückenlehnen hinten lässt sich daraus eine große Sonnenliege machen. Die Liegen auf dem Vordeck, die mit wenigen Handgriffen in Sitzliegen umgewandelt werden können, wenn man das entsprechende Zubehör hinzukauft, soll hier ebenfalls nicht un­erwähnt bleiben. Dass die Navi­gations­lampen für den deutschen Teil von Nord-, Ostsee und Teile der deutschen Binnen­gewässer nicht zuge­lassen sind und sich Verdeck und Plane (genauso wie der für ein Verdeck erforderliche Geräteträger) nur auf der Zubehörliste finden, führt zur Abwertung.

Fazit

Jeanneau hat mit der Leader 30 fast eine eierlegende Wollmilchsau geschaffen – für ein solches Platzangebot benötigen andere meist mehr Rumpflänge. Die Fahreigenschaften sind ebenfalls erstklassig, auch wenn man
Gas geben muss, um Sprit zu sparen. Ein nahezu perfektes Boot für Familien und Wassersportler, wenn die Werft das Verarbeitungs-Fein­tuning nicht aus den Augen verliert.

Dieser Artikel erschien in der BOOTE-Ausgabe 03/2017