Peter Laessig
· 24.06.2016
Prestige – schon der Name sagt viel. Auch mit dem neuen Modell in der Flybridge-Flotte, der 420, möchte man den gewissen Hauch von Luxus vermitteln.
Jeanneau zählt mit zu den Großen in Europa und machte sich schon in den Sechzigern einen guten Namen. Heute ist die Werft Teil der Beneteau-Gruppe. Da Jeanneau ebenfalls Boote mit Flybridge im Programm hat, etablierte man frühzeitig eine eigene Marke, um sich zu unterscheiden und auch in der Oberklasse mitmischen zu können. Sie trägt den bezeichnenden Namen Prestige, und es gibt sie in den Versionen Yacht, Coupé oder Fly. Unser Testboot zählt zur Flybridge-Gruppe und ist mit knapp 13 m Länge die Kleinste oder anders gesagt der Einsteiger in die "Prestige-Welt".
Was die Qualität des Testbootes anbelangt, passt der selbst gestellte Anspruch mit dem Resultat soweit überein. Die Kunststoffarbeiten außen und innen sind okay. Dass nicht alle Kunststoffschnittkanten behandelt sind, wie die vom Motorraumausschnitt, fällt erst auf, wenn man darinsteht oder sich an der Schnittkante stößt.
Nachholbedarf besteht beim Möbelausbau im Salon, es fehlt der Feinschliff an einigen Stellen. Dafür können sich die technischen und elektrischen Installationen sehen lassen. Vorbildlich stecken die Notschalter der ferngesteuerten Batteriehauptrelais gemeinsam mit den Sicherungen in einem Schrank im Niedergang zur Mittelkabine. Kritik gilt dagegen den fehlenden Wasser-Alarmsensoren an den Kraftstoffvorfiltern.
Das Besondere aber an der 420 Fly in der Klasse ist der Verzicht auf eine dritte Kabine. Das garantiert zwei geräumige Kabinen und ermöglicht jeweils großzügig gestaltete Bäder. Darüber hinaus erlaubt die Türkonstruktion in der Bugkabine, auf Kundenwunsch auch mal eine längere Koje einzubauen, was für besonders große Crew-Mitglieder den Schlafkomfort erheblich verbessert.
Der eigentliche Clou ist aber, dass die zweite Kabine unter dem Salon und aus Letzterem achtern einen eigenen Zugang hat. Das ist Luxus, nicht nur weil dadurch größtmögliche Privatsphäre geschaffen wurde. Auch sonst kann sich das Raumangebot auf dem gesamten Boot mehr als sehen lassen. So ist der Tisch an der Dinette elektrisch absenkbar, wodurch bei Bedarf weitere Kojen entstehen. Und wer draußen dinieren möchte, begibt sich auf die Flybridge oder einfach nur ins Cockpit. Die Sonnenhungrigen können sich auf dem Vordeck und oben auf der Fly ausstrecken.
Als Antriebseinheiten kommen Motoren und IPS-Antriebe von Volvo Penta zum Einsatz. Serienmäßig verrichten zwei IPS400 mit 300 PS starken Selbstzündern ihre Aufgabe. Wir fahren eine Nummer stärker: zwei IPS500 mit jeweils 370 PS davor. IPS-Antriebe haben den Vorteil, dass sie mittels Joysticks in langsamer Fahrt dirigiert werden können, womit Manöver auf engstem Raum gut gelingen. Man kann das Boot in jede Richtung bewegen, was An- oder Ablegen vereinfacht. Im Hafen fahren wir die Manöver mit leicht erhöhten Drehzahlen und die langsamen Passagen mit 6 kn, damit die vom Boot erzeugten Wellen nicht stören.
Die Voraussicht bleibt beim Übergang von Verdränger- in Gleitfahrt gut erhalten, während das Testboot ab 11 kn zu gleiten beginnt. Lediglich bei Kurvenfahrten über Backbord ist die Sicht am Salonfahrstand zur Seite eingeschränkt, da sich das Salondach ins Blickfeld schwenkt. Über Steuerbord passt es wieder, man muss sich nur etwas bücken. Achteraus sieht man während der Fahrt nur Wasser.
Bei Vollgas drehen die Motoren, 100 U/ min mehr als der Hersteller erlaubt, und im GPS loggen sich 32 kn als Höchstgeschwindigkeit ein. Für die ökonomische Marschfahrt brauchen die Diesel aber nur zwischen 3000–3400 U/min drehen, um mit einer Tankfüllung und Geschwindigkeiten zwischen 23–29 kn theoretisch knapp 200 sm zurücklegen zu können. Das ist uns zu wenig, wer weiter kommen will, muss als Verdränger fahren.
Die Einschlagwinkel von IPS-Antrieben werden von Drehzahlen und Geschwindigkeit bestimmt, weshalb Kurven in Gleitfahrt mit großen Durchmessern einhergehen. Wer enger rum will, muss langsam fahren, ein Grund, weshalb extreme Manöver ausfallen und wir dieses Kapitel streichen. Lediglich auf dem imaginären Slalomkurs lässt sich die 420 Fly etwas über die Längsachse bewegen, wenn man schnell genug am Ruder kurbelt. Rauwasser mit bis etwa einen Meter hohen Wellen auf dem Mittelmeer meistert die 420 mit Bravour in allen Richtungen.
Prestige-Boote sind soweit fahrfertig ausgestattet – das Standardpaket passt. Für sonstigen Komfort und die Erfüllung individueller Ausrüstungswünsche sorgen von der Werft geschnürte Ausstattungspakete sowie eine gut bestückte Zubehörliste.
Werft: Jeanneau
Typbezeichnung: Prestige 420 Fly
CE-Kategorie: B - Außerhalb von Küstengewässern
Material von Rumpf und Deck: Kunststoff
Länge: 12,64 m
Breite: 3,97 m
Verdrängung: 9,22 t
Preis: 433.041,00 €