Torsten Moench
· 16.12.2021
Nachwuchstalent: Die Ryck 280 von Hanseyachts tritt in große Fußstapfen und überträgt die Tugenden ihrer großen Fjord-Schwestern ins Außenborder-Zeitalter
Als die Greifswalder Hansewerft Anfang der 2000er-Jahre die Traditionsmarke Fjord übernahm und deren Booten ein neues Image verpasste, staunte die Fachwelt nicht schlecht. Wer braucht so ein Boot? Groß, rund 40 kn schnell, begrenzter Wohnraum, mit geradem Steven und offenem Heck. Ein reines Spaßgerät für Besserverdienende?
Die Kritiker verstummten, als die Verkaufszahlen stetig stiegen und Fjord zum Trendsetter eines neuen Bootstyps avancierte. Andere Werften zogen nach. Pardo, Nimbus, Saxdor, und allen voran Axopar übernahmen das Grundkonzept und entwickelten es weiter. Downsizing lautete die Parole. Warum nicht die erfolgreiche Fjord-Idee auf kleinere Boote mit Außenborderantrieb übertragen? In den Folgejahren setzte ein wahrer Boom dieses Bootstyps ein.
Heute, rund 15 Jahre später, legt Hanse nach und bringt mit der Ryck 280 ein Boot auf den Markt, das genau dieses Segment erneut bedient, nur kleiner und preiswerter ist.
Schon auf den ersten Blick zeigt die Ryck 280 ihre Wurzeln: Großes Cockpit, überdacht von einem sogenannten T-Top, leicht nach hinten geneigter Steven und eine üppigen Liegefläche auf dem Vorschiff erinnern unwillkürlich an die großen Schwesterschiffe aus gleichem Haus. Ähnlich ergeht es uns unter Deck. Auch hier kann man heute noch die Kompromisse spüren, die schon die Urväter der ersten Fjordmodelle beim Design eingehen mussten: Wer oben Platz und flache Konturen haben will, muss unten den Kopf einziehen: Mit rund 1,8 m maximaler Stehhöhe in der Kabine ist die Ryck unter Deck sicher kein Raumwunder. Gleiches gilt für den mit einem ansehnlich großem Waschbecken ausgestatteten Toilettenraum, in dem es mit 1,65 m Stehhöhe noch mal etwas enger zugeht. Dafür kann sich das Doppelbett in der Kabine mit 2 m x 2 m Liegefläche und 10 cm dicken Polstern sehen lassen. Stauräume findet man unter den Kojen und in den Schränken und Schubladen am Niedergang. Licht und Luft erreichen die Kabine über zwei Seitenfenster, ein Fluchtluk im Vorschiff und die Schiebetür zum Cockpit. Die Bordwände sind mit gepolstertem Stoff ausgekleidet, die Einbauten in hellem Holzimitat gehalten. Beides kommt dem Wohnkomfort zugute.
Gekocht wird auf der Ryck 280 im offenen Cockpit. Wer die optionale Wetbar bestellt, bekommt einen Zwei-Flammen-Gaskocher und ein Waschbecken mit Warm- und Kaltwasser (22-l-Boiler). Eine Dometic-Kühlschublade befindet sich gut erreichbar unterhalb der Hecksitzgruppe.
Zurück am Fahrstand, fällt zunächst die Instrumentierung ins Auge. Der Simrad-Go12-Flachbildschirm informiert den Skipper über Navigations- und Technikdaten wie beispielsweise Temperaturen, Drücke und Füllstände. Bedient wird über Touchscreens, die sich weitgehend den Vorlieben des Skippers entsprechend konfigurieren lassen, oder die Bedieneinheit.
Links vom Steuerrad befindet sich eine Schalterleiste, über die sich Basisfunktionen wie Lichter und Pumpen schalten lassen. Rechts neben dem griffigen Steuerrad ist die elektrische Einhebelbedienung für den Mercury-Verado montiert. Die Anordnung aller Bedienelemente ist gut und funktional.
Fahrer und Co-Pilot sitzen mit viel Beinfreiheit auf gut ausgeformten und verstellbaren Schalensitzen. Der Seitenhalt ist ausgezeichnet, lediglich für den Beifahrer wünscht man sich noch eine Fußstütze und eine zusätzliche Haltemöglichkeit.
Die in einen massiven Alu-Rahmen gefasste Windschutzscheibe macht einen stabilen Eindruck, lediglich einige Spiegelungen und das vergleichsweise kleine Scheibenwischerfeld stören den guten Gesamteindruck. Genug des Vorgeplänkels. Kommen wir zu dem, wofür dieses Boot gebaut wurde: zum Fahren. Erweckt man die 250 PS des Mercury-V8-Verado zum Leben, hat man die Wahl zwischen laut und leise. Im Klartext: Über den Motor-Touchscreen lässt sich die Abgasführung und damit der Schallpegel beeinflussen. Ein netter Gimmick, für den Test aber ohne Belang – wir mögen’s gern leise und lassen deshalb den Auspuff in der Komfortstellung.
Dank Bugstrahlruder und Außenborderantrieb gelingen Hafenmanöver spielend. Voraus eingekuppelt, betragen die Wendekreise (ohne Bugstrahlunterstützung) zwischen 1,5 und zwei Bootslängen – das ist gut. Rückwärts betragen sie zu beiden Seiten drei Bootslängen – das ist etwas viel. Der Rückwärtsfahrt sollte man bei spätestens 2700 U/min ein Ende setzen, sonst läuft Wasser übers Heck. In langsamer Verdrängerfahrt zwischen 1200 und 1500 U/min, was einer Geschwindigkeit von 5 kn entspricht, haben Gewichtsverlagerungen keinen Einfluss auf die Kursstabilität, das Boot läuft schnurstracks geradeaus, und der Tankinhalt von 300 Litern würde für 188 sm plus 15 Prozent Reserve reichen. Lässt man den Motor höher drehen, erreicht man bei rund 1800 bis 2000 U/min (7 kn bis 8 kn) die schnelle Verdrängerfahrt, in der die Wellenbildung und der Schallpegel (68 db) zunehmen. An dieser Stelle ein Lob an die Motorenbauer: Sowohl objektiver Schallpegel als auch gefühlter „Sound“ des Verado sind eine Klasse für sich. Der Motor klingt in allen Drehzahlbereichen „satt“, ohne aufdringlich zu sein. Die von uns gemessenen maximal 82 db(A) sind ein Spitzenwert – Chapeau!
Zurück zum Boot. Wir erreichen die Hafenausfahrt und beschleunigen die Ryck 280 bis zur Gleitgrenze, die zwischen 3200 und 3800 U/min anliegt. In dieser Fahrstufe laufen rund 40 Liter Superkraftstoff pro Stunde durch die Leitungen, was die Reichweite auf magere 80 sm schmälert.
Wir beschleunigen weiter und erreichen bei 4500 bis 5000 U/min die gute und damit wirtschaftlichste Gleitfahrt. Die Reichweite steigt wieder auf 120 sm, das GPS zeigt 31 kn, und vom Heck werden wir mit moderaten 80 dB(A) beschallt. Allesamt gute Werte. Alles, was jetzt noch an Drehzahlreserve aus den 4,6 Litern Hubraum des Verado zu holen ist, dient ausschließlich dem Fahrspaß und damit der Hauptaufgabe der Ryck 280. Die letzten 1000 Umdrehungen bis zur Maximaldrehzahl von 6000 U/min entsprechen einem Geschwindigkeitszuwachs von satten 10 kn. Im optimal getrimmten Zustand fliegt die Ryck mit 40 kn förmlich übers Wasser, was nicht zuletzt auch ihrem zweifach gestuften Rumpf zu verdanken ist. Er sorgt für ein Luftpolster zwischen Rumpf und Wasseroberfläche, welches den Wasserwiderstand effektiv minimiert. Doch es gibt auch noch einen anderen Effekt dieses Luftpolsters: Zwingt man das 9-m-Boot mit diesem Setup (Trimm) und bei Topspeed in extreme Kurven, führt das zu einem Powerslide, der in einer 360-Grad-Wende endet. Dazu das Testprotokoll: „Spektakulär, aber ungefährlich“. Dieser Aussage ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Die Ryck bleibt in allen Fahrsituationen gutmütig und ist auch von weniger erfahrenen Piloten stets beherrschbar. Wermutstropfen: In engen Kurven legt sich das Boot spürbar auf die Seite, sodass das Fahrstanddach ins Blickfeld des Fahrers rückt und ihm den Seitenblick nimmt. Der am Testtag vergleichsweise ruhige Greifswalder Bodden (2 bis 3 Beaufort, Seegang 0) lässt keine objektive Beurteilung der Rauwasserqualitäten zu. Nur so viel: Fahrten durch die Heckwellen anderer Boote absolvierte die Ryck ohne erkennbare Mängel. Zurück im Hafen, widmeten wir uns dem Thema Sicherheit. Nachdem das Boot auf See mit ausgezeichneten, und damit sicheren, Fahreigenschaften punkten konnte, sind unsere Erwartungen hoch: Rutschsichere Anti-Slip-Strukturen im Deck, stabile Reling, Handläufe, Klampen und Scheuerleiste, ein gut dimensioniertes elektrisch betriebenes Ankergeschirr, ein nach außenbords selbstlenzendes Cockpit und drei Lenzpumpen (2 x elektrisch, 1 x Hand) unterstreichen den zunächst guten Eindruck. Weniger gefielen uns dagegen ein fehlender Kraftstoff-Absperrhahn, fehlender Wasserabscheider, nicht vorhandene Feuerlöscher, die nicht BSH-attestierten Positionslaternen sowie die nur als Option zu bekommenden Schleppaugen an Bug und Heck. Kleinkram? Sicher, aber Kleinkram von Relevanz. Gleiches gilt für Teile der Elektrik: Die nicht mehr zeitgemäßen Schmelzsicherungen befinden sich hinter einem der Einbauschränke am Niedergang an Backbord und sind im Ernstfall erst zu erreichen, nachdem der Schrank ausgeräumt wurde. Zudem sind sie unzureichend beschriftet und nur anhand des Bordbuchs eindeutig zu identifizieren. Und auch der Batteriehauptschalter, angeordnet unter einer Klappe im Cockpitboden, könnte besser zugänglich platziert werden. Genug der Kritik. Kommen wir zum Fazit. Hat die Ryck 280 das Potenzial, an den Erfolg der großen Schwesterschiffe namens Fjord anzuknüpfen? Die Antwort lautet: Ja. Trotz der Detailmängel, die auch dem Umstand geschuldet sind, dass es sich beim Testboot um die Baunummer 4 handelt, erfüllt das Boot alle Anforderungen an einen modernen Daycruiser und setzt nicht zuletzt mit seinen Fahreigenschaften Maßstäbe in dieser Klasse.
Die Ryck 280 macht Spaß. Sie ist nicht nur optisch gelungen, sondern glänzt ebenso durch ihre flotten und in allen Situationen sicheren Fahreigenschaften. Mit 250 PS
am Heck ist das Boot mehr als ausreichend motorisiert. Der Wohnraum ist aufgrund des Konzepts begrenzt und die Standardausstattung erfüllt Minimalanforderungen. Der frühen Baunummer (4) geschuldet, sind Detailmängel in der Verarbeitung, die die Werft aber noch abstellen will. Wer einen schnellen Daycruiser sucht, sollte sich die Ryck 280 ansehen.
Noch mehr Informationen? Den Test der Ryck 280 finden Sie mit weiteren Bildern, Messergebnissen und voller Bewertung in BOOTE-Ausgabe 01/2022 seit dem 15.12.2021 am Kiosk oder online im Delius Klasing-Shop.