Ralf Marquard
· 17.05.2015
Die XO 270 RS Front Cabin aus Finnland ist das etwas andere Kajütboot. Wir fuhren die Neue auf der Ostsee vor Neustadt – bei strahlend blauem Himmel
Wer die Internetseite von XO-Boats aufruft, findet unter der Firmenphilosophie: "Das Unternehmen ist innovativ, leistungsstark, hat einen einzigartigen Stil und zeigt Liebe zum Detail. Alles Punkte, die in unserer gesamten Modellpalette deutlich sichtbar sind." Letzteres können wir mit Blick auf unser Testboot nur bestätigen. Das dominante Fahrerhaus mit Sitzecke gehört genauso dazu, wie das dunkle Design und offene Cockpit. Eine weitere Besonderheit ist die Bauweise: Zum Einsatz kommt hier ein Rumpf aus speziellem Aluminium und eine aufgesetzte Decksform aus glasfaserverstärkertem Kunststoff.
Bis auf wenige Details haben die Bootsbauer bei der Fertigung gute Arbeit geleistet. Beispiele dafür sind saubere Schweißnähte, entgratete Ausschnitte, stabile Polsterbezüge und solide verschraubte Handläufe. Mit gleicher Sorgfalt gingen auch die Techniker im Motorraum und unter dem Fahrstand ans Werk.
Unser Testboot ist mit einem Diesel-Innenborder ausgerüstet, eine "270 OB-Version" mit Außenborder bietet XO Boats ebenfalls an. Der installierte D4-300 von Volvo Penta gilt als Standardmotorisierung. Als Extra sitzt auf unserem Testkandidaten ein Trimm-Assistent. Das heißt, einmal eingestellt, muss sich der Fahrer keine Gedanken mehr um die richtige Trimmstellung von Powertrimm und Klappen machen. Wer im Automatikbetrieb startet, hat im Übergangsbereich eine gute Voraussicht und ab 2000 U/min kommt die XO ins Gleiten.
Ohne die Automatik hebt sich der Bug weiter an, der Übergang verlängert sich spürbar, jedoch kommt das Testboot auch ohne Trimmklappenbetätigung problemlos in den Gleitbereich. Die Automatik hat selbstverständlich noch den Vorteil, dass sie über den gesamten Gleitbereich das Boot immer in die optimale Lage bringt. Gute, kursstabile Fahrt macht die XO damit ab etwa 2250 U/min (21,2 kn), was gleichzeitig die wirtschaftlichste Fahrt kennzeichnet. Mit einem Verbrauch von 1,13 l/sm und 315 l Kraftstoff ergibt das eine Reichweite von beachtlichen 237 sm plus 15 % Reserve. Bei Vollgas (38,2 kn) sind immerhin noch 179 sm drin.
Wer in dieser Fahrstellung schnelle Kurven fährt, erlebt keine unangenehme Überraschung, denn der Rumpf zieht im Automatikbetrieb weich und sicher seine Runden. Gleiches gilt auf Slalomkursen und bei abrupten Lenkbewegungen. Ohne den Trimmassistenten verhält sich die XO etwas sensibler.
Eine gute Figur macht das Boot ebenfalls im Rauwasser. Die kurzen, steilen Kabbelwellen der Ostsee vor Neustadt überspringt sie weich und trocken. Weiteres Plus: Auch quer zur Welle bleibt der Rumpf immer in der Spur.
Letzteres zeigt die XO 27 außerdem auf langsamen Kursen, bei denen die Geradeausfahrt nur ab und zu leicht korrigiert werden muss. Was aber nicht im Umkehrschluss heißt, dass sie beim Manövrieren schwerfällig wirkt. Ganz im Gegenteil, enge Wendekreise und ein direktes Umsteuerverhalten sind ein Garant für Beweglichkeit, und das Bugstrahlruder (Extra) auf unserem Testboot tut sein Übriges.
Das Beste kommt aber noch: Wer die Manöver im Sitzen erledigt, fühlt sich durch und durch wohl, denn mit dem installierten Grammersitz bleibt kein Komfortwunsch offen. Einziger Wermutstropfen: Der Sitz kostet 950 Euro Aufpreis. Der Beifahrer findet seinen Platz auf einer breiten Sitzbank, die sich zur Liegefläche umklappen lässt. Zum Festhalten installiert die Werft gleich zwei Griffe, damit man sich je nach Vorliebe seitlich oder vorn festhalten kann.
Zurück zum Fahrer: Das höhenverstellbare dicke Sportlenkrad hat er sicher im Griff. Um die Schaltung im Stehen zu bedienen, muss er sich etwas herunterbeugen, hat in dieser Situation jedoch die Instrumente gut im Blick. Für den Durchblick nach vorn sorgen eine ungetönte Sicherheitsglasscheibe, zwei ausreichend große Scheibenwischer und Defrosterdüsen direkt vor der Scheibe.
Unter einer riesigen Klappe mit zwei haltestarken Gasdruckdämpfern steht der Diesel auf soliden Alufundamenten. Der Servicemann findet reichlich Platz zum Handtieren und eine Feuerlöschanlage sorgt im Brandfall für die nötige Sicherheit. Den stabilen Alutank schäumt die Werft in die Bilge ein und sichert die Schlauchleitungen fachmännisch mit zwei Schellen. Die Spritreinigung übernehmmen ein Filter am Motor und eine zusätzliche Filterpatrone mit Ablassschraube. Weiteres Plus: Die Batterien stehen in belüfteten Kästen, und geschaltet werden sie an zwei Hauptschaltern, die griffgünstig neben dem Fahrerplatz sitzen. Daneben findet man gleich die Sicherungsautomaten. Erstklassig der 230-V-Landanschluss über den Trenntrafo, der vor galvanischer Korrosion schützt. Die weitere Sicherheitsausrüstung beinhaltet eine elektrische Bilgenpumpe, Handlenzpumpe und 2-kg-Feuerlöscher (verstaut im Staukasten an Steuerbord).
Um sich sicher an Bord zu bewegen, versieht die Werft den Boden mit rutschfesten Strukturen, stabile Handläufe geben den nötigen Halt. Allerdings gestaltet der Designer das Cockpit nach achtern offen, und es gibt keine Begrenzung serienmäßig, was nicht nur für Kinder gefährlich ist. Wer ohne Vorwarnung beschleunigt, riskiert hier den Abwurf der hinteren Gäste. Badelustige verlassen das Boot über eine lange Leiter, die sich auch vom Wasser aus gut bedienen lässt. Zum Sitzen im Cockpit stehen einfache Bänke zur Verfügung.
In den Salon geht es über eine Schiebetür mit Arretierung. Dort steht eine Sitzecke, die sich zur Koje wandeln lässt. Mit einer Breite von 0,98 m reicht sie für zwei Kinder, für Erwachsene wird es dagegen eng. Im Bug sind die beiden Kojen am Eingangsbereich getrennt und vereinen sich erst etwa im vorderen Drittel. Grund: In der Mitte befindet sich der Ausstieg aufs Vordeck mit Stufen und Luke. Stauraum gibt es auf dem Boot passemd. Einen großen Staukasten findet man auf dem Standardboot auf der Backbordseite. Auf unserem Testboot war jedoch die als Option erhältliche Nasszelle dort installiert.
Die Zelle bietet eine elektrische Toilette, ein mäßiges Raumangebot und als Lüftung nur die Eingangstür. Das Lichtband in der Decke bringt zwar Licht, lässt sich jedoch nicht öffnen. Anders die Luken im Salon, über die man die Sonne "einfängt" und alles gut durchlüftet. Wer Snacks zubereiten möchte, bestellt sich eine Extra-Pantry-Einheit. Auf der Zubehörliste stehen außerdem Ankerwinsch, Navigationsinstrumente, Teak-Design und Heizung (Webasto).
Das Fazit
Die XO 270 FC ist mehr eine Fahrmaschine als ein Kajütboot für die lange Reise. Es finden zwar bis zu vier Personen mäßig große Schlafmöglichkeiten, weiterer Wohnkomfort wie Toilette und Pantry kosten jedoch Aufpreis. Nicht gefallen hat uns das nach achtern offene Cockpit. Überzeugend dagegen: die Verarbeitung und Fahrleistungen.
Werft: XO Boats
Typbezeichnung: XO 270 RS Front Cabin
CE-Kategorie: C - Küstennahe Gewässer
Länge: 8,60 m
Breite: 2,60 m
Verdrängung: 3,00 t
Preis: 144.999,00 €