Arcadia A96Platz frei für den Dreidecker mit Lobanov-Design

Uske Berndt

 · 31.01.2024

Große Welle: Wenn die vier IPS-Einheiten alles geben,  erreicht die A96 mehr als 23 Knoten Topspeed, auf  Reisen peilt der Kapitän um die 19 Knoten an
Foto: Alberto Cocc
Auf der Arcadia A96 spielt Igor Lobanov mit einem eleganten Art-déco-Design auf mehr als 400 Quadratmetern Wohnfläche. Das 29-Meter-Format für zehn Gäste legt mit vier Motoren, halbautomatischer Einparkhilfe und diversen technischen Finessen ab, die für diese Yachtgröße ungewöhnlich sind.

Das ganze Paket aus Exterieur- und Interieurgestaltung plus Layout – für einen Designer ist das ein immenses Vorhaben und eine große Chance, einer Yacht seinen persönlichen Stempel aufzudrücken. Igor Lobanov zögerte nicht lang, das Angebot der italienischen Werft anzunehmen. „Das Konzept war einfach gut“, sagt der studierte Automobildesigner. Die A96 mit Rumpf und Aufbau aus GFK vereint das Beste aus zwei bekannten Welten: Die Heckterrassen, hervorragende Fahreigenschaften plus Manövrierbarkeit sowie die Maximalgeschwindigkeit von 23 bis 24 Knoten ähneln der Sherpa-Linie von Arcadia, das immense Volumen (214 Gross Tons), Wohnkomfort und Service-Standard stammen von der A-Serie. Auf der A96 trifft nun ein kompaktes 29-Meter-Format – inklusive Mini-Tiefgang von 1,77 Metern – auf ein Super­yachtambiente, das sich über 415 Quadratmeter Wohnfläche erstreckt, rund 30 Prozent mehr als auf vergleichbaren Yachten ähnlicher Größe. „Hier sind alle guten Ideen vereint, die der Markt aktuell hergibt“, fasst Lobanov zusammen.

Dieser Auftrag ist die erste Zusammenarbeit mit dem gebürtigen Russen und der Baustelle unweit des Vesuvs, gleichzeitig ist der acht Meter breite Dreidecker eine seiner ersten kompletten Innenausstattungen. „Normalerweise gehen wir unsere Vorhaben von außen an, ich bin eigentlich Exterieurdesigner“, betont er. Sein Studio mit Sitz in Barcelona bekam für die A96 mehr Arbeitskraft, zu den drei Interieur-Profis und den sechs Exterieurspezialisten kam noch ein weiterer Designer hinzu. Eine zweite Arcadia steht längst in den Orderbüchern von Lobanov Design, es ist mehr als wahrscheinlich, dass weitere folgen. Laut Werft verkaufte sich die zweite Einheit während des A96-Debüts auf dem Cannes Yachting Festival innerhalb von wenigen Minuten nach der ersten.

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Proportionen zwischen den Räumen sind wichtig

Als für die Baunummer eins die Verträge zwischen Werft und Designer unter Dach und Fach waren, musste es schnell gehen, die Weltpremiere im vergangenen September konnte schließlich nicht warten. „Das war eine gut abgestimmte Maschinerie“, sagt Lobanov, der gerne betont, dass er Italienisch spricht, was die Kommunikation vereinfachte. Wenn ein Designteam fast alles gleichzeitig im Blick hat, kommt das den Abläufen und am Ende auch dem Ambiente an Bord zugute. „Die Proportionen zwischen den Räumen sind wichtig; wenn die gut sind, fühlt man sich auch gut“, erklärt Lobanov. „Die Architektur gehen wir zuerst an, dann die Dekoration.“

So begann der Designer mit der äußeren Gestaltung, spielte dabei mit Gegensätzen und holte auch bekannte Arcadia-Merkmale hervor. Er zeichnete ein verhältnismäßig kleines, kantiges, dunkelgraues Ruderhaus plus Skylounge und setzte es auf eine voluminöse Basis in Weiß. Dank der hohen Schanzkleider am Bug kommt diese als weit hochgezogener Rumpf daher, das Hauptdeck wirkt wie ein zweites Unterdeck. Auf den ersten Blick erscheint das Ensemble zwar etwas massiv und bullig, entpuppt sich aber bei näherem Hinsehen als stimmiges Gesamtbild: weich, harmonisch und offen. Schließlich reizte das Studio Lobanov auch die Ausmaße der Fensterflächen bis zum Anschlag aus.

Steht man im gut 24 Quadratmeter großen Salon, mit geöffneten Schiebetüren zur 47 Quadratmeter großen Heckterrasse, mit zu beiden Seiten heruntergeklappten Faltbalkonen, entsteht der Eindruck von viel mehr Weite und Größe. „Die Wände existieren hier nicht mehr“, sagt der Designer. Zum freien Durchatmen tragen auch die hohen Decken bei. „Die Höhe ist auch gut für die Durchlüftung“, fügt Lobanov hinzu. Offene Räume, die nahtlos ineinanderfließen, dazu die Natur, die Sonne und das Meer zum Greifen nah, möglichst nachhaltig gewonnene Materialien – all das stand auf der langen Wunschliste der Eigner. Während diese einerseits Geselligkeit schätzen, gerne mit den Gästen zusammensitzen oder vom Sofa im Ruderhaus dem Kapitän bei der Arbeit zusehen, wollten sie auch hin und wieder Ruhe haben. Ihren privaten Rückzugsraum genießen sie in der Mastersuite auf dem vorderen Hauptdeck oder auf der Bugterrasse, die dank der hohen Schanzkleider viel Privatsphäre bietet, allerdings nur dann, wenn das Ruderhaus nicht besetzt ist. Romantisch ist das Areal ohnehin nur auf Wunsch, denn das filigrane Mobiliar macht schnell und unkompliziert Platz für das Stauen von Wasserfahrzeugen. Dafür wartet an der Backbordseite ein kleiner Kran auf seinen Einsatz. Wer ein „echtes“ Versteck sucht, findet es in der Bugspitze. Ein paar Stufen führen hinunter in die kleine Vorpiek, wo Anker und Winschen schön nostalgisch und für jeden sichtbar an Deck platziert sind.

Interieur der Arcadia A96 ist „ein Mix aus skandinavisch und Art déco“

Für das Interieur bediente sich der Designer aus diversen Schubladen: Er setzte weiche Formen, warme Stoffe, Leder und feine Seidenteppiche gegen hochglänzenden Lack, auffällig gemaserten Marmor, strukturiertes Holz und Stein mit rauer, unbehandelter Oberfläche und 3-D-Effekt. Auf die klassische Farbkulisse aus Beige plus Anthrazit sprenkelte das Studio goldschimmernde Leuchten, Tischgestelle und Kissen. Lobanov liebt starke Kontraste und bezeichnet das Innere der A96 als „eklektisch“, mag es aber nicht so recht zuordnen lassen: „Es ist so ein Mix aus skandinavisch und Art déco.“ Das Mobiliar ist weitgehend made in Italy: Die einfarbig bezogenen Sitzgelegenheiten lieferten klassische Marken wie Minotti, Pedrali, Baxter oder Paolo Castelli. Auf den Außenterrassen sitzen die Gäste auf Stühlen von Roda und relaxen auf Liegen von Meridiani. Die lange Tafel mit Marmorplatte für den Speiseplatz im Salon stammt von Marelli, der Couchtisch in der Skylounge von Valentini.

Der Stil zieht sich vom Unter- bis hinauf auf das Ober­deck, dessen Salon sich über Schiebetüren zu den Seitendecks öffnet und gläserne Solarpaneele in den Decken zusätzliches Tageslicht hineinlassen. Hier würde sich Lobanov, wenn der Eigner ihn einladen würde, am liebsten auf das lang gezogene Baxter-Sofa setzen, der Sonne beim Auf- oder Untergehen zuschauen und am Abend dazu „vielleicht einen Drink nehmen“.

Den Gin Tonic bringt die Crew diskret aus der angrenzenden Pantry, die über ein paar Stufen direkt mit der darunterliegenden Galley und schließlich mit den Kabinen auf dem Unterdeck verbunden ist. Wie auf den ganz Großen üblich, nehmen die Gäste separate Wege, sie gelangen über ein eigenes Treppenhaus vom Oberdeck auf die Beletage mit dem Hauptsalon und dann hinunter in ihre Suiten.

Obendrein sorgten die Designer dafür, dass niemand an Bord unnötige Strecken laufen muss, zum Beispiel gibt es auch auf dem Oberdeck die Möglichkeit, ein kleines WC in das Treppenhaus zu integrieren. Effizienz zieht sich als eine Art Motto durch die Etagen der Yacht. So steckten Arcadias Ingenieure viel Arbeit in die Gewichtsersparnis, verlegten zum Beispiel selbst Kabel und Rohre so penibel, dass die A96 im voll beladenen Zustand gerade einmal 130 Tonnen verdrängt. Eine Tonne auf 1,7 Gross Tons spart natürlich auch Treibstoff und hilft bei zehn Knoten Fahrt, eine beachtliche Reichweite von 1500 Seemeilen zu erreichen. Als Maximalgeschwindigkeit werden knapp 24 Knoten angepeilt, im Reisemodus soll die Yacht mit 19 bis 20 Knoten unterwegs sein.

Hervorragende Manövrierbarkeit durch vier Volvo-Penta-IPS-Pakete

Die Quelle für diese Leistungspalette ist bemerkenswert: Im gut gegen Lärm und Vibrationen abgedichteten Motorraum sitzen gleich vier Volvo-Penta-IPS-Pakete, die zusammen mit der Brückentechnik von Garmin vor allem eines garantieren: eine hervorragende Manövrierbarkeit. Innerhalb weniger Wochen konnte die Arcadia genau das in den übervollen Messehäfen des Mittelmeeres beweisen. Kurz nach Ablieferung und Debüt in Cannes traten Yacht und Crew gleich die nächste Reise an und machten auch in Monaco fest.

Volvo liefert für unkompliziertes Anlegen das Assisted-­Docking-­System. „Es hat meine Manöver stark vereinfacht“, bestätigt Werftkapitän Mario De Camillis. „Ich kann die Yacht leicht bewegen, auch in engen Räumen.“ Selbst bei stärkerem Wind oder Strömung erhöhe die Technik die Sicherheit, da die Abdrift-Effekte wegfielen und das Schiff automatisch auf Kurs bleibe. „Es reduziert außerdem den Stress für die Motoren und Steuersysteme“, so De Camillis weiter, „da die Vorwärts-rückwärts-Bewegungen und die Beschleunigungen reduziert werden.“ Einen Punkt fügt der erfahrene Kapitän und studierte Jurist hier noch an: „Das System verringert auch den psychischen Stress von Gästen und Crew, wenn wir in herausfordernden Wetterbedingungen anlegen.“

An Bord der Arcadia kann alles im Blick behalten werden

Zur Hilfe kommt das ebenfalls mit Garmin entwickelte 360-Grad-Sicht-System, das mit sechs im Rumpf integrierten Kameras arbeitet. „Das erlaubt auf einen Blick die Überwachung des gesamten Umkreises – unterwegs und beim Manövrieren“, findet De Camillis. „Ich kann sofort die toten Winkel sehen, ohne mit der Crew zu kommunizieren.“ Der Bildschirm auf der Brücke zeigt die Distanz zu anderen Yachten oder Hindernissen an, beim Anlegen erscheint ein „visueller Fender“, der seine Farbe verändert, wenn die Pier zu nah kommt. Virtuelle Manöveranweisungen unterstützen zusätzlich. Beim römisch-katholischen Anlegen positioniert der Kapitän die Yacht dank der Kameras sicher und in idealer Entfernung zur Hafeninfrastruktur. Zudem hat er das Heck im Blick: „Ich kann sehen, was die Crew dort macht.“

Arcadia hat für die A96 bei allen Komfort- und Sicherheits­aspekten gleichzeitig auch die Nachhaltigkeit im Blick. Allerdings nur auf Wunsch. Wenn Kunden sich für das „Silent Mode“-Paket entscheiden, verbauen die Süditaliener Akkus und Solarpaneele mit rund 4,5 Kilowatt Leistung. Das erlaubt bis zu neun Stunden emissionsfreien Hotelbetrieb. Wobei die Klimaanlagen an sich schon fast geräuschlos laufen. Dem komfortablen Cruisen in warmen Gefilden steht nichts mehr im Weg, die ersten beiden Käufer des neuen Volumenmodells peilen vorerst das Mittelmeer an.


Technische Daten

Zeichnung: Die Arcadia A96 von obenZeichnung: Die Arcadia A96 von obenKraftzentrale: Im Motorenraum liegen vier Volvo-Antriebspakete dicht an dicht. Die symmetrisch angeordneten Gästesuiten wurden mittig im Rumpf platziert.Kraftzentrale: Im Motorenraum liegen vier Volvo-Antriebspakete dicht an dicht. Die symmetrisch angeordneten Gästesuiten wurden mittig im Rumpf platziert.
  • Länge über alles: 29,07 m
  • Länge (Rumpfform): 23,95 m
  • Breite: 7,92 m
  • Tiefgang: 1,77 m
  • Verdrängung (voll): 130 t
  • Gross Tonnage: 214 GT
  • Material: GFK
  • Motoren: 4 x Volvo Penta IPS
  • Motorleistung: 4 x 735 kW
  • Geschwindigkeit (max.): 23,5 kn
  • Geschwindigkeit (Reise): 19,5 kn
  • Generatoren: 2 x 35 kW
  • Kraftstoff: 12 700 l
  • Wasser: 2000 l
  • Gäste/Crew: 10/5
  • Konstruktion: Arcadia Yachts
  • Exterieurdesign: Arcadia, Lobanov Design
  • Interieurdesign: Lobanov Design
  • Klasse: R.I.N.A.
  • Werft: Arcadia Yachts, 2023
  • Startpreis: 9,3 Mio. Euro

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