„Christina O“Käufer für geschichtsträchtigste Yacht der Welt gesucht

Sören Gehlhaus

 · 14.03.2025

„Christina O“ lief 1953 in Kanada als Fregatte HMCS Stormont vom Stapel. Aristoteles Onassis kaufte nach dem Krieg günstig und ließ in Kiel konvertieren, mit Pool.
Foto: Stef Bravin / Morley Yachts
Keine andere Yacht hat mehr erlebt als „Christina O“. Aristoteles Onassis feierte die Opulenz im Interieur mit Walvorhautleder und bat Churchill, JFK oder die Callas an Bord. Im zweiten Leben als Chartervehikel erlebten die 99 Meter Heid Klums Hochzeit und große Filmdrehs. Nun steht die Ikone zum Verkauf.

Noch heute ist sie ein Sinnbild für Yachting im ganz großen Stil, für Opulenz und die Exzentrik ihres Eigners. „Christina“ – erst nach der Generalüberholung vor fast 30 Jahren wurde sie zu „Christina O“ – war die 99 Meter lange Visitenkarte von Aristoteles Onassis und signalisierte der Welt Reichtum, Macht und gesellschaftliche Anerkennung. Eigentlich kann man den Wert von „Christina O“ nicht ins Monetäre übertragen. Während der 21 Jahre, in denen der Grieche sie bereederte, wurde auf dem Teakdeck und inmitten der klassisch holzvertäfelten Wände Geschichte geschrieben und dem Yachting-Lebensstil gefrönt – mit allem, was dazugehört. So lud „Ari“ auch nach der Hochzeit mit Jackie Kennedy seine Geliebte Maria Callas fortwährend zu sich an Board.

„Ari“ holte sie alle an Bord

Sir Winston Churchill urlaubte neun Mal auf „Christina“ und traf dort 1959 auf John F. Kennedy, mit dem er über dessen Ambitionen als Präsidentschaftskandidat sprach. Fünf Jahre nach dem Attentat auf JFK heiratete Jackie Kennedy Onassis und Hollywoods A-Riege hielt Einzug: Greta Garbo, Marilyn Monroe, John Wayne, Frank Sinatra, Elizabeth Taylor – alle waren sie da und genossen das Bordleben, zu dem der legendäre Pool zählte. Das für damalige Verhältnisse riesige Becken mit Hubboden (trocken zur Tanzfläche!) und einem Mosaik im minoischen Stil befindet sich weitestgehend im Originalzustand. Weichen musste der Wippkran, der lange Zeit Onassis’ Fiat 500 mit offenem Dach und sein Wasserflugzeug (Piaggio P136) bewegte. Auch eine Segelyacht parkte zwischenzeitlich mittschiffs auf dem Oberdeck, wo nun Jacuzzi und Außenbar das Teakdeck unterbrechen.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Heidi und Woody auf „Christina O“

Im Zuge des Werftaufenthalts Ende der 1990er-Jahre wurde der Rumpf neu aufgebaut, kaum ein Stahlblech blieb neben dem anderen. Hingegen fasste man das Exterieur des Hamburger Architekten Cäsar Pinnau mitsamt klassischem Schornstein und den kurvigen Brücken-Nocks nur behutsam an. Allerdings brachte der Wechsel von Dreifach-Expansions-Dampfmaschinen auf Dieselaggregate einen zusätzlichen Mast mit gespreizten Armen für die Endrohre hervor. Dahinter gab Heidi Klum Tom Kaulitz im August 2019 vor Capri das Ehrenwort.

Das Paar hatte „Christina O“ gechartert, derzeit schlägt das mit 700.000 bis 740.000 Euro pro Woche zu buche. Für Veranstaltungen an der Küste dürfen 157 Personen die Decks bevölkern. Bis zu 34 Schlafgästen stehen die Onassis Suite und 16 Kabinen offen, benannt nach griechischen Inseln und in den Pastellfarben gehalten, wie sie ursprünglich Jackie O ausgewählt hatte. Nach Heidi Klums Hochzeit machte die Ikone mit dem markanten Kanuheck im Film „Triangle of Sadness“ mit Woody Harrelson als Kapitän auf sich aufmerksam. Anfragen nimmt das monegassische Brokerhaus Morley Yachts, das „Christina O“ mit 90 Millionen Euro im Verkaufsportfolio listet. Ein zurecht stolzer Preis für eine über 80-jährige Grand Dame des Yachting.


Marianne Nissen, Gründerin, Chefredakteurin und inzwischen Herausgeberin von BOOTE EXCLUSIV, begleitete „Christina“ seit Kiellegung des Magazins im Jahr 1988. In ihrem umfassenden wie amüsanten Artikel über die Geschichte der Superyachten schrieb Nissen:

Sie machte den Anfang: 99 Meter lang, makellos und elegant. Im noch tristen Nachkriegs-Kiel wurde 1954 „Christina“ getauft. Der Tankerkönig Aristoteles Onassis hatte eine ausgemusterte kanadische Fregatte, die er zum Schrottpreis erwarb, zur ersten Superyacht der Nachkriegszeit umgebaut. Ohne Rücksicht auf Kosten, die Howaldtswerke bekamen den Job – nur fünf Jahre nach Beginn des Wiederaufbaus der von Bomben zerstörten Werft.

Benannt nach der Taufpatin, seinem dreijährigen Töchterchen, sollte „Christina“ über Jahrzehnte die ultimative Yacht sein, unerreicht in Größe und Ausstattung, in den Schlagzeilen präsent, Inbegriff von Extravaganz, Glamour und elitärem Lifestyle des internationalen Jetsets. Paparazzi-Schüsse prominenter Gäste an Bord gingen durch die Yellow Press: Winston Churchill, Greta Garbo, Elizabeth Taylor mit Richard Burton, Grace Kelly und Rainier, außerdem natürlich „Aris“ Geliebte Maria Callas sowie seine Ehefrau Jackie Kennedy. Sie alle unterstrichen den Status des Schifffahrtsgiganten.

Onassis bewies Geschmack, das harmonische Exterior im New Look der Fünfziger sowie das Interior verantwortete der stilsichere Hamburger Villenarchitekt Cäsar Pinnau. Spektakulär das Mosaik im Pool, der zur Tanzfläche angehoben wurde. Dekadenter tobte sich Onassis unter Deck aus: Handrelings und Kleiderhaken ließ er aus Zähnen von Orcas schnitzen, an der berühmten Bar aus dem Holz einer gesunkenen spanischen Galeone saß man auf Hockern, die mit Walvorhautleder bezogen waren – worauf der Hausherr angeblich gern aufmerksam machte.

„Christina“ verdanken wir sämtliche banale Klischees, mit denen das Yachting bis heute lebt. Onassis schrieb das Drehbuch. Sein Reeder-Rivale Stavros Niarchos ertrug diese Alleinstellung nicht und baute 1973 auf seiner Hellenic-Werft die 116 Meter lange „Atlantis“, auch er engagierte Cäsar Pinnau. Doch den Auftritt von „Ari“ beherrschte Niarchos nie, und jahrelang lag seine Yacht, wie ihre Nachfolgerin „Atlantis II“, unbeweglich im Port Hercule von Monaco.


Bewegte Geschichte von „Christina O“

Tim Morley, Broker und Bewahrer von „Christina O“, arbeitet die Geschichte der Yacht sukzessive auf und hat diese Zeitleiste erstellt:

1943

HMCS Stormont
Stapellauf der kanadischen Anti-U-Boot-Fregatte HMCS Stormont. Das Schiff diente im Zweiten Weltkrieg, unter anderem als Konvoi-Eskorte während der Atlantikschlacht.

1953

Aristoteles Onassis
Der griechische Reeder kaufte das Schiff nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Überschussschiff der Marine zum Schrottwert von 34.000 US-Dollar. Das Schiff wurde von dem Architekten Cäsar Pinnau umgestaltet und auf den Namen „Christina“ getauft.

1975

Christina und Jackie Onassis
Onassis starb und hinterließ die Yacht seiner Tochter Christina und seiner zweiten Frau Jackie Kennedy Onassis. Sollten beide kein Interesse haben, würde die Yacht der griechischen Regierung übergeben und als Präsidentschaftsyacht dienen.
Argo: Beide Frauen schlugen das Erbe aus. Die griechische Regierung änderte den Namen des Schiffes in Argo, ließ es aber verrotten. Anfang der 1990er-Jahre wurde es für 16 Millionen Dollar zum Verkauf angeboten, aber es wurde nicht verkauft.

1988

John Paul Papanicolaou
Das Schiff wurde von dem griechischen Schifffahrtsmagnaten John Paul Papanicolaou, einem Freund der Familie Onassis, auf einer von der Regierung geförderten Auktion erworben.

1999

„Christina O“
Der Umbau begann auf der Viktor-Lenac-Werft in Kroatien, und die „Argo“ wurde zur „Christina O“. Papanicolaou fügte das „O“ als Hommage an Onassis hinzu.


Meistgelesen in der Rubrik Boote