Friedrich W. Pohl
· 23.05.2023
Der ursprüngliche Eigner musste aufgeben. Der zweite wollte sich vergrößern. Er übernahm den Rohbau: neue Ideen, neue Planungen. Im Mai lieferte CRN das 74 Meter lange Zuccon-Design „Cloud 9“ mit Winch-Interior.
Es gibt sie, die kleinen und großen Unterschiede. Uns reichen Wolke sieben oder der siebte Himmel, um uns glücklich zu fühlen. Angelsachsen geben sich damit nicht zufrieden. Für sie muss es schon Wolke neun sein. „Cloud 9“ taufte denn auch der Eigner seine neue 74 Meter lange traumhafte Begleiterin für die nächsten Jahre, einen Worldcruiser aus dem Hause CRN in Ancona. Der Auftrag für dieses Projekt stammt vom Juni 2014. Im Mai 2017 lieferte die Werft.
Der Eigner war nahezu durch Zufall zu eben dieser „Cloud 9“ gekommen. Der ursprüngliche Auftraggeber streckte seine finanziellen Waffen, während die Werft gerade die Metallarbeiten am Rumpf und an großen Teilen der Aufbauten fertiggestellt hatte. Auch ein großer Teil der Installationen war abgeschlossen. CRN konnte nichts Unangenehmeres passieren. Die Werft hatte mit der Baunummer 131 noch nicht einmal Wolke eins erreicht. Sie war und ist bis heute vor „Azteca“ (72 Meter, 2009) und nach „Chopi Chopi“ (80 Meter, 2013) ihr zweitgrößter Neubau, ein finanzielles Schwergewicht.
Doch dann kamen die Broker von Burgess ins Spiel. Wolke eins geriet in Sicht. Burgess wusste, wer sich gerade vergrößern und eine 60 Meter lange „Cloud 9“, ein Winch-Design von 2009, gebaut bei CMN Yachts in Cherbourg, durch einen größeren Neubau zu Familien- und Charterzwecken ersetzen wollte. Kaum etwas kann schöner sein als ein Büchlein mit gepflegten Kontaktadressen von Eignern und denen, die es gern werden möchten. Die Größe des Rohbaus stimmte mit dem Wunsch des Interessenten überein. Das war Wolke zwei. Decks- und Raumaufteilung jedoch benötigten größere Korrekturen. Drei Monate später stellte Bernardo Zuccon die neuen Planungen mit großen Eingriffen in die Struktur mit ihren Niedergängen samt Zeichnungen vor.
Der Eigner war einverstanden (Wolke drei) und gab dem Team einen Monat Zeit, einen akzeptablen Vertrag aufzusetzen. Das gelang, und Wolke vier war erreicht. Im Sommer 2014 starteten die Arbeiten. Damit stiegen alle Beteiligten samt Yacht auf Wolke fünf auf. Mit jedem Fertigungsschritt kletterte das Projekt höher hinauf in den Wolkenhimmel. Im Mai dieses Jahres war Wolke acht erreicht: Der Eigner übernahm seine neue „Cloud 9“.
Mit Andrew Winch hatte der Eigner erfolgreiche Erfahrungen mit Chartergästen bereits auf seiner vorherigen „Cloud 9“ gemacht. Darum sollte Winch auch dieses Mal eine Strandhaus-Idee umsetzen, jedoch aufwendiger, mit einer gewissen Großzügigkeit, die der neuen „9“ angemessen sein sollte. Mit 2218 Gross Tons verdoppelt sie das Volumen ihrer Vorgängerin, wirkt majestätisch. Andrew Winch bekam freie Hand.
Das Ergebnis: Fünfzig verschiedene Materialien für die Oberflächen fesseln jetzt die Augen. Gebleichte, gekalkte Eiche und Douglasie bestimmen die Atmosphäre der Paneele und Einbaumöbel. Gekalkte Eiche verschönert auch unterstützende Raumpfeiler. Kräftige Blautöne vermitteln den Eindruck, innen und außen, Yacht und See verschmölzen zu einer Einheit, eine Idee, die zurzeit die Feder vieler Gestalter führt. Sandtöne für Bezugsstoffe dämpfen die kräftigen Akzente ab. Muscheln, Korallen und Achat in Nischen transportieren natürliche Elemente in die handwerklich artifizielle Welt des Interiors.
Der Spaziergang über die Decks startet nicht achtern auf einer Badeplattform oder auf einer Gangway zum Hauptdeck, sondern steuerbords auf dem Unterdeck über eine ausgeklappte Brücke. Hier richteten Werft und Designer die Rezeption ein, mit Tresen und Sitzgelegenheiten, und hier stehen wir über den Dieselbunkern des Tankdecks. Außer Leichtöl beherbergt die unterste von sechs Etagen Speisevorräte in Kühlräumen, Abwasser, die Wäscherei und andere technische Notwendigkeiten.
Direkt an die Rezeption schließt sich das Treppenhaus mit dem verglasten stählernen Yachtlift an, der uns jetzt gleich bis hoch auf das Eignerdeck hieven könnte, wäre da nicht achtern, also links von uns, erst einmal der Beachclub zu besichtigen.
Die Einrichtungen von Galley, Crewlounge und Crewquartieren für 22 Hände im Bug und einer Staff-Kabine für Kindermädchen und Lehrer sparen wir uns. Stattdessen folgen wir dem Korridor in der oberen Etage des Motorenraums durch das Rauschen der Aggregate in die Garage für Tender und Toys mit Speedboat, Bowrider und Surfbrettern.
Der sich anschließende Beachclub mit Bar, professioneller Espressomaschine, kleinen Tischen, großem runden Tisch oder Sonnenliegen nach Bedarf erfüllt die üblichen Voraussetzungen für einen entspannten Nachmittag mit Badehose, Bikini und Drinks. Der große gläserne Pool auf dem Hauptdeck über der Bar erhellt die Szenerie. Die mächtige Heckklappe, die eine große achterliche Terrasse formt, erlaubt jedoch auch das Aufstellen eines großen runden Speisetisches im Freien, an dem ein Dutzend Gäste Platz findet. „Cloud 9“ nimmt privat außer der Crew auf Reisen bis zu sechzehn Gäste an Bord, in sechs Gästequartieren, einer VIP- und der Eignersuite.
Den Pool über der Beachclub-Bar achtern im Cockpit füllen die Pumpen aus dem Tankraum mit 10.000 Litern Trinkwasser. Der große Salon vor dem Cockpit mit seinen tiefen Sofasitzen, die sich zum Liegen eignen, bietet eine Bar backbords und Kinotechnik mit Beamer aus der Decke für große Diagonalen. Einen konventionellen Speiseplatz voraus der Sitzgruppe, womöglich in einem abgeschlossenen Raum gleich hinter einer Backbord-Galley, sucht der Besucher auf Wolke neun vergeblich. Auch die Galley fehlt. Gespeist wird hier auf dem Hauptdeck jedenfalls nicht, dafür aber massiert, frisiert und geschlafen.
Jenseits des Foyers beginnt die vordere Hälfte des Hauptdecks mit einem Massage- und Frisiersalon mit Balkon steuerbords. Gegenüber an Backbord baute CRN die zweite Staff-Kabine ein.
Sechs Gästekabinen schließen sich symmetrisch verteilt an. Sie können dank des Widebodys die volle Rumpfbreite in Anspruch nehmen. Die Gestaltung dieser Unterkünfte ähnelt der des Salons. Ledereffekte und gehämmerte Eiche ergänzen einander. In den Bädern verlegte die Werft dramatisch geäderten weißen Calacatta-Marmor mit der Sorte Emperor Black. Dem Reich des Kapitäns schließt sich nach achtern der Korridor zur Skylounge an. Den Raum dazwischen nutzen steuerbords eine VIP-Suite mit Wannenbad und gegenüber ein Gym. Das Layout teilt die Skylounge in zwei Abteile, einen Salon mit Sessel- und Sofamobiliar und einen Speiseplatz, gebaut als bodentief verglaste Rotunde.
Die Länge von über 70 Metern erlaubt auf dem nächsthöheren Deck eine Eignersuite von 400 Quadratmetern, inklusive einer eigenen Terrasse voraus, den üblichen zwei Bädern mit Dusche für ihn und Wanne für sie, einem kleinen Salon hinter der Lobby mit Lift, der dem Eigner auch als Mediencenter und Büro dient. Achteraus ließ er sich auf diesem seinen privaten Deck ein Freilichtkino einrichten. Das Eignerdeck planten die Gestalter von Beginn an als Rückzugsort für die Familie. Entsprechend ausgewählt sieht die Einrichtung aus. Dazu gehören ein Teppich aus weißer Wolle und Seide, ein Einzelstück. Perlmutterdetails kontrastieren mit der hellen Eiche.
Marmor gehört – die Werft arbeitet im italienischen Ancona – zu den bevorzugten Werkstoffen für Bäder. Das Bad für die Dame auf „Cloud 9“ unterscheidet sich von allen anderen hier an Bord. Es glänzt mit der Kalksteinsorte Botticino an den Wänden, mit der Sorte Cappuccino (!) im Waschbecken. Wo bleibt die Wolke neun? Wir erobern das Sundeck. 13 Meter über der Wasseroberfläche lädt der Chef nach dem Jacuzzi-Bad vor die japanische Teppanyaki-Platte.
Auf der Monaco Yacht Show ließ „Cloud 9“ sich im September das erste Mal vor erwartungsvollem Publikum sehen. In diesem Winter soll sie die Karibik bereisen, für 875.000 US-Dollar die Woche. Buchungen sind noch möglich.
Dieser Artikel erschien in der BOOTE EXCLUSIV-Ausgabe 06/2017 und wurde von der Redaktion im Mai 2023 überarbeitet.