Ohne Weiteres erwartet man in einer Galley keine Dekoration mit tieferer Bedeutung. An der Backbordseite ihrer E98-Galley brachte die Eignerin jedoch eine Gedenktafel mit ihrem Lebensmotto an: „Lebe das Leben bis an seine Grenzen, jeden Moment eines jeden Tages. Was du tun möchtest, das tue jetzt!“ Jo Ellard, die warmherzige und freundliche Eignerin der „Do It Now“, hat sich diesen Wahlspruch nicht ohne Grund an Bord ihrer Horizon montiert. Erstens entspricht dieses Motto dem Namen der Horizon, zweitens passt er zu ihr. Ellard weiß, was sie will, und setzt das dann meist auch erfolgreich durch; sie gehört durchaus zu den entscheidungsfreudigen Menschen. Als es auf die Wahl ihres Bootes ankam, hatte sie vor, häufig ihre Familie und ihre Freunde an Bord einzuladen. Genauer gesagt wünschte sie sich ein Boot, dessen Zahl der Unterkünfte so hoch ist wie die Anzahl der Gäste.
Mit anderen Worten und geradeheraus: Ellard selbst misst fast 1,90 Meter. Und ihre Söhne lassen sie neben sich klein aussehen. Entsprechend sah ihr Pflichtenheft aus, als sie begann, mit Designern zu sprechen. Bei Horizon Yacht USA zeigte man sich für ihre Wünsche empfänglich. Tatsächlich erwiesen sich die US-Repräsentanten der taiwanesischen Werft so aufgeschlossen, dass sie ein komplett neues Modell entwarfen, nämlich die E98.
Ellard war bereits Horizon-Kundin gewesen. Im Jahre 2010 hatte sie über einen Broker eine E76 erworben, war regelmäßig mit ihr unterwegs und nahm an vielen Horizon-Eignertreffen teil. Beim Horizon-Rendezvous 2015 erzählte sie den Werftvertretern, dass sie an einer Open-Bridge-Version der E88 interessiert sei, die damals, vor etwa zwei Jahren, ihre Premiere feierte.
Es taten sich jedoch einige Probleme auf. Die 88 fühlte sich mit ihrer Breite von 6,40 Metern nicht wirklich größer als die 76 mit 5,70 Metern Breite an. Die 88 bot auch keine His-and-her-Unterteilung im Eignerbad. „Ich möchte das Boot haben, das mir gefällt, und ich möchte die Ausstattung haben, die ich brauche“, beschreibt Ellard die Situation damals. Und zu dieser Ausstattung gehören auch drei Gästekabinen „mit Betten statt Kojen“. Horizon beauftragte John Lindblom, den Designer der E88, ein Modell zu entwickeln, das der Wunschliste entsprach. Heraus kam dabei die E98, zugeschnitten auf die Eignerin. Mit einer Breite von 7,07 Metern fühle sich die E98 „perfekt“ an, so Ellard.
Zu dieser Perfektion gehört auch eine Höhe der Räume, die sämtliche Maße anderer Horizon-Modelle bei Weitem übertrifft. „Wenn Menschen an Bord gehen, dann nehmen sie üblicherweise zuerst die Länge wahr, hier an Bord jedoch das Volumen“, erläutert die Eignerin. Dennoch baute Horizon deshalb keine wesentlich voluminösere Yacht. Ihren Eindruck verdankt die E98 nämlich auch ihrer Einrichtung. Horizons Interiorabteilung gestaltete ihre Aufgaben ebenfalls nach den Bedürfnissen der Auftraggeberin, und zwar was die maßgefertigten Möbel betrifft, die gleichfalls auf ein größeres Publikum zugeschnitten sind. Als wirklich größtes Möbel an Bord – wörtlich genommen – lieferten die Horizon-Tischler das Sofa an der Backbordseite des Salons, einen Fünfsitzer. Er ist nicht nur ungewöhnlich lang, die Einrichter spendierten ihm auch breite XXXL-Sitzpolster, um bequem für lange Beine zu sein.
Wer selbst nicht zu den kleinen Menschen zählt, weiß, wie wichtig eine ausreichende Länge der Sitzfläche sein kann, damit die Knie sich nicht allzu weit von der Vorderkante entfernen. Das kann sehr unbequem sein, besonders bei Autositzen. Ellards Sofa auf der E98, das sie selbst skizzierte, löst dieses Problem. Die Deckshöhe wirkt sich zudem auf ihre Ankleide in der Eignersuite aus, die Ellard davor bewahrt, sich bücken zu müssen.
Auch den Salon baute Horizon größer als üblich. Die Standardlayouts für Yachten wie „Do It Now“ bieten einen Speiseplatz direkt vor der Sitzgruppe des Salons. Ellard entschloss sich, davon abzuweichen, einmal wegen der offenen Country-Küche, zum anderen wegen des Speiseplatzes oben auf der Brücke. Stattdessen nutzt die E98 fast die ganze Länge für das Sofa.
Den üblichen Speiseplatz reduzierte Horizon auf eine Frühstücksbar zwischen Salon und Galley. Eine Glasverkleidung schließt die Galley bei Bedarf zum Salon hin ab. Statt eines inneren Steuerstandes steht ein Dinette-Tisch vor einem U-förmigen Sitzplatz und zwei Hockern unter der Windschutzscheibe des Hauptdecks. Steuerbords daneben führt eine Treppe zum Unterdeck mit den Unterkünften. Auch die Crew schläft dort, jedoch hinter dem Motorenraum. Dort bietet die E98 Platz für eine Kapitänskajüte mit Doppelbett und eigenem Duschbad, für zwei Einzelkabinen, die sich ein Duschbad teilen, und eine Crewmesse.
Horizon Yacht wird noch heute vom Naval Architect John Lu geführt. Lu sammelte erste Erfahrungen mit dem Schiffbau in seiner Heimatstadt Kaohsiung, bevor er 1987 die Werft gründete. Heute gehören neben Horizon Yacht noch Atech Composites, Vision Yachts und Premier Yacht zur Horizon-Gruppe.
„Ich habe schon so einiges in meinem Leben gebaut“, erzählt Jo Ellard, „und viel mit Vertragspartnern verhandelt.“ Das bedeute auch, dass ihr dann und wann etwas misslungen sei. Mit Horizon habe sie glücklicherweise bei der Entwicklung von „Do It Now“ gegenteilige Erfahrungen gemacht. Als sie nach einem Tages-WC mit doppeltem Zugang vom Salon und vom Achterdeck fragte, setzte die Werft diesen Wunsch problemlos um. Als sie Wandpaneele aus Walnussholz mit horizontal verlaufender Maserung vorschlug, erfüllte Horizon ihr auch diesen Wunsch umgehend.
„Was dir diese Werft zusagt, das bekommst du auch.“ Diese Verlässlichkeit bedeutet viel für eine Frau, die von sich sagt:
Ich weiß, was ich will und wie ich es bekommen kann.“
Dieser Artikel erschien in der BOOTE EXCLUSIV-Ausgabe 4/2017 und wurde von der Redaktion im Juni 2023 überarbeitet.