Der Trend zu sogenannten Shadow-Yachten ist nicht ganz neu. Seit rund zehn Jahren lassen manche Eigner ihren Yachten Versorgungsschiffe folgen, die große Tender, U-Boote oder sonstige Ausrüstung transportieren, die unbedingt mit auf Reisen müssen, aber nicht auf das Mutterschiff passen. Prominente Beispiele heißen etwa „Al Said“ (155 m), der die 164 Meter lange „Fulk Al Salamah“ folgt – sie soll beispielsweise zehn Autos in der Lazarette parken –, oder „Ace“ (87 m), die von der 67 Meter langen „Garçon“ unterstützt wird. Allerdings: So imposant diese Konvois auch sein mögen, so scheu geben sich ihre Eigner. Veröffentlichungen oder fremde Besucher? Nein, danke.
„Das machte uns den Verkauf nicht eben leichter“, sagt auch Victor Caminada von Amels, dessen Mutterkonzern Damen, eines der größten Werftkonglomerate der Welt, etwa „Garçon“ geliefert hat, aber auch die sehr bauähnlichen „Umbra“ und „Pursuit“, „Intrepid“ oder „6711“. Seit rund sechs Jahren sind Amels und Damen als Marktführer in diesem Nischenmarkt aktiv, in dem Offshore-Versorger und Coast Guard-Schiffe für den Yachtmarkt angepasst und ausgerüstet werden. Mangels eines Vorzeigeobjekts machten die Niederländer im vergangenen Sommer nun die berühmten Nägel mit Köpfen und lieferten „Fast & Furious“ aus, einen Show-Versorger ohne Eigner, der auf den Messen in Monaco und Fort Lauderdale potenziellen Kunden präsentiert wurde. Während er sich im Fürstentum dem allgemeinen Trubel und Neuheiten-Hype etwas unterordnen musste, fällt er unter der Sonne Floridas stark auf.
Allein der Kran an Deck ist ein Statement – er ragt 19 Meter (!) in die Höhe und besitzt im ausgefahrenen Zustand die Kapazität, maximal 5,5 Tonnen zu heben. Das 55 Meter lange Schiff hat die Werft komplett der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, ein steter Besucherstrom bewegt sich über das Deck, auf dem ein 20-Fuß-Container, ein U-Boot und zwei respektable Tender parken. Hier steht auch Victor Caminada, der das Konzept der sogenannten Yacht Support Vessel von Damen en détail erklären wird. „Gestern Abend“, sagt er zur Begrüßung, „hatten wir hier eine Party mit 300 Gästen. Jeder durfte seine Schuhe anbehalten. Und wenn einmal ein Drink verschüttet wurde, haben wir nur sanft gelächelt.“ Mein Blick wandert sofort über das 225 Quadratmeter große (!) Achterdeck. „Das ist kein natürliches Teak“, erklärt Caminada, „sondern ein künstlicher Belag, Esthec. Quasi eine Gussmasse, in die später Fugen geschnitten werden und die extrem robust ist. Wegwischen, fertig.“ Robust erscheint an „Fast & Furious“ sowieso so ziemlich alles.
Wir starten den Rundgang auf der Brücke, um dem derzeitigen Trubel an Deck etwas aus dem Weg zu gehen. Aufgrund der Konstruktion beziehungsweise des Einsatzzwecks hat das Ruderhaus seinen Platz relativ weit vorn. Die Elektronik stammt fast ausnahmslos von Alphatron; aus drei komfortablen Sesseln – der mittige mit integrierten Gashebeln und Joysticks – haben der Kapitän und seine Crew eine 360-Grad-Sicht auf das Geschehen. Reicht der Blick voraus, sieht man einen recht hohen und schlank geformten Bug, der einem die Konstruktion von „Fast & Furious“ und insgesamt 200 ähnlich gebauten Offshore-Schiffen noch einmal vergegenwärtigt. Zusammen mit der Universität von Delft und dem Maritime Research Institute Netherlands entwickelte Damen einen speziellen Axtbug, der nicht nur effizient, sondern auch äußerst seegängig ist. Gleichzeitig glänzt der Versorger mit einem Topspeed von maximal 22 Knoten und ist damit sehr wahrscheinlich schneller als fast jedes „Mutterschiff“. Insgesamt 4472 Kilowatt aus vier Caterpillar-Motoren (3512C TA) treiben die 55 Meter auf diesen Wert. „Eine hohe Leistung“, so Victor Caminada, „ist enorm wichtig. Der Yacht-Supporter soll schließlich vorher am Ziel eintreffen, um beispielsweise die Tender zu wassern oder das U-Boot bereitzustellen.“ Bei einem Trip von Monaco nach Porto Cervo (knapp 200 sm) macht solch ein Unterschied – Mutterschiff läuft 14 Knoten, Versorger 22 Knoten – rund sechs Stunden aus.
Auf dem Weg ins technische Herz von „Fast & Furious“ passieren wir den Salon, den die Werft recht nüchtern gehalten hat, da der künftige Eigner hier die komplette Entscheidungsfreiheit bekommen soll. „Hier ist alles möglich“, bekräftigt Victor Caminada. „Wir können Kabinen für zusätzliche Crew installieren, eine VIP-Unterkunft, einen schönen Salon oder auch zusätzlichen Stauraum. Reicht das Volumen nicht, wird der Aufbau nach achtern verlängert.“ Das wäre zwar mit Extrakosten verbunden, doch bei einem Basispreis von 13,5 Millionen Euro für diese 55 Meter sicher für die meisten Kunden zu verkraften.
Wäre es bei diesem geringen Grundpreis nicht auch denkbar, solch ein Schiff mit einem gehobenen Interior auszustatten und jungen, abenteuerlustigen Eignern als Erstyacht anzudienen? „Natürlich!“, sagt Caminada. „Wir sehen eine neue Generation von Eignern, die nicht unbedingt den Besitz in den Vordergrund stellt, sondern das Erlebnis. Es gibt zu dieser 55-Meter-Version eine kleinere Schwester, die wir genau diesen Interessenten ans Herz legen – 43 Meter lang und als Abenteuer- und Expeditionsyacht konzipiert.“ Die Broschüre dazu ist adäquat aufgemacht und benutzt Überschriften wie „Coole Maschine“ oder „Wildes Wochenende“. Beschrieben sind Aktivitäten wie Heli-Skiing, Hochseefischen oder Tierbeobachtungen in unberührtem Gelände.
Beide Modelle, die 43-Meter-Version wie auch „Fast & Furious“, setzen indes auf Komponenten, die sich in der Praxis bereits hundertfach bewährt haben. „Ist solch ein Schiff in der Ölindustrie unterwegs, kommt es auf rund 7.000 Betriebsstunden pro Jahr. Da es auch in Gegenden wie vor Nigeria oder im Golf von Mexiko fährt, müssen alle Aggregate extrem zuverlässig und leicht zu reparieren sein“, erklärt Victor Caminada das Prinzip des Maschinenraums, der fast das gesamte Unterdeck einnimmt. Neben den vier Motoren stehen noch drei Generatoren, ein Power-Pack allein für den Kran sowie die übliche Ausrüstung. Das Layout ist großzügig und wartungsfreundlich; voraus führt der Weg am Kontrollbord sowie an riesigen Tanks vorbei. Sie fassen insgesamt 230 000 Liter Diesel und ermöglichen eine Reichweite von 5000 Seemeilen bei 16 Knoten Reisegeschwindigkeit. Wieder an der frischen Luft, fallen noch die Laschen auf dem Deck auf. „Damit können wir 10-, 20- oder 40-Fuß-Container festschnallen“, so Caminada. Neben dem Helikopter (volles Helipad optional), dem U-Boot und dem Tender steht auf „Fast & Furious“ ebenfalls einer, um die Einsatzvielfalt zu demonstrieren. In der grauen Box ist professionelles Tauchequipment samt einer Dekompressionskammer untergebracht. Genauso gut könnten dort allerdings auch Segel lagern oder eine umfangreiche Angelausrüstung. Caminada ergänzt:
Wir installieren selbst Helikopter-Hangars oder Garagen für das Lieblingsauto.“
Die Lieferzeit für solch ein Schiff beträgt übrigens lediglich acht Monate...
Dieser Artikel erschien in der BOOTE EXCLUSIV-Ausgabe 01/2017 und wurde von der Redaktion im Mai 2023 überarbeitet.