Forschungslabor auf 111 MeternOceanco liefert “Leviathan” an US-Milliardär aus

Uske Berndt

 · 16.11.2025

"Leviathan" misst 111 Meter und wurde jetzt frisch abgeliefert.
Foto: Oceanco
Oceanco hat die 111 Meter lange “Leviathan” an ihren Eigner Gabe Newell übergeben. Die diesel-elektrisch angetriebene Superyacht dient als schwimmendes Forschungslabor.

Die niederländische Superyachtwerft wasserte das Projekt Y722 diesen Sommer, nun übergab Oceanco die 111 Meter an den US-amerikanischen Spieleentwickler und Microsoft-Mitbegründer Gabe Newell. Das Schiff basiert ganz auf der Philosophie des Eigners, der Teamarbeit und Gemeinschaft in den Mittelpunkt stellt. Seine Denkweise prägte den gesamten Entstehungsprozess von “Leviathan”.

„Von Anfang an wussten wir, dass hier nichts auf traditionelle Weise umgesetzt werden würde", sagt Oceanco-CEO Marcel Onkenhout. „Wir wurden in das Team von Gabe Newell und allen weiteren Beteiligten aufgenommen. Dieses Maß an Zusammenarbeit unterscheidet “Leviathan” von allem, was wir zuvor gebaut haben. Nach ihren erfolgreichen Seatrials können wir sagen, dass sie die komfortabelste Yacht ist, die Oceanco je entworfen, gebaut und ausgeliefert hat."

Gesten der Wertschätzung

Das Projekt brachte den Eigner zusammen mit dem Designteam von Oceanco, Mark Berryman Design, der “Leviathan”-Crew sowie einem Netzwerk von Zulieferern. Newell war während der Entwicklung und der Bauphase eng eingebunden und förderte Offenheit zwischen allen Beteiligten.

Die Zusammenarbeit mit dem Team von Oceanco macht unglaublich viel Spaß; jeder ist professionell, kreativ und dynamisch. Wir wussten, dass wir ungewöhnliche Dinge verlangten, und Oceanco hat dies mit offenen Armen angenommen.

Als bleibendes Symbol für die kollektive Leistung wurde im Treppenhaus eine Glasplatte mit den Namen von fast 3.000 Mitwirkenden installiert – nur eine der vielen Gesten der Wertschätzung.

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Gäste und Crew leben und arbeiten zusammen

Mit Unterkünften für 26 Gäste und 37 Crewmitglieder wurde das Layout von “Leviathan” so konzipiert, dass es gemeinsame Erfahrungen fördert. Bereiche, die normalerweise nur für Gäste reserviert sind, wurden neu gestaltet, um auch die Crew willkommen zu heißen.

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Dieser Ansatz markierte auch einen Perspektivwechsel für Mark Berryman. „Mit 28 Jahren Erfahrung im Design von Superyacht-Interieurs haben wir fast jedes mögliche Szenario erlebt – oder zumindest dachten wir das", sagt er. „Leviathan forderte Konventionen auf eine völlig neue Weise heraus, und zwar aus betrieblicher Sicht."

Ein Spielplatz für alle

Passend zum Hintergrund des Eigners liegt auf dem Brückendeck eine Lounge mit 15 Gaming-Stationen und zwei Rennsimulatoren. Der Hauptdecksalon ist ein geräumiger Aufenthaltsraum für bis zu 54 Personen. Weitere Spielzonen für alle sind ein Basketballplatz und Teile des Sonnendecks mit Whirlpool.

„Die Yacht ist ein funktionierendes Ökosystem, das alles fördern soll. Von erstklassiger Gastfreundschaft bis hin zu wissenschaftlicher Forschung”, sagt Charlie Birkett, CEO und Mitbegründer von Y.CO.

Kaum Arbeit mit Reinigung und Wartung

Ein effizienter Betrieb stand bei vielen Design- und Materialentscheidungen oben an. Der Eigner wollte die Crew von Routinewartungen befreien, damit sie sich auf höherwertige Aufgaben konzentrieren können, zum Beispiel das Wohlbefinden der Gäste. Gabe Newell:

Wir überlegten, wo die wertvollsten Erfahrungen für die Gemeinschaft der Menschen stattfinden. Indem wir die Produktivität der Crew steigern, können sie sich mehr auf die Interaktion mit den Gästen konzentrieren und für alle sinnvolle Erlebnisse schaffen.

Beispiele: Der Kunststoff-Bolidt-Belag an Bord hält lange und ist wartungsarm. Sandgestrahlte Edelstahlgeländer und synthetische Handläufe reduzieren den Polierbedarf, sogar die cremeweiße Außenlackierung minimiert die Reinigung. Innen wurden Steinoberflächen nach ihrer Haltbarkeit und leichten Pflege ausgewählt, auch die natürlichen Wollteppiche sind widerstandsfähig und leicht zu säubern.

Fahrkomfort durch Hightech

Oceanco und Lateral führten zusammen mit Marin Modelltests durch, um die Seetüchtigkeit und den Komfort zu optimieren. Der Rumpf basiert auf der jüngsten Evolution von Laterals DE-Serie. Die Form hat ihren Ursprung in der D-Serie, die 2010 entwickelt wurde, um den Leistungsanforderungen großer Yachten gerecht zu werden, die mit Podantrieben bei moderaten Geschwindigkeiten fahren.

Ein Seewasserballastsystem ermöglicht es, optimale Beladungsbedingungen aufrechtzuerhalten. Mit einer natürlichen Rollperiode von über 12 Sekunden und einem Stabilisierungssystem, das Quantum MagLift und XT Fins kombiniert, fährt “Leviathan” sehr komfortabel. Kapitän Alan Pike:

Die Seatrials haben uns großes Vertrauen in die Yacht gegeben, sie lässt sich wunderbar handhaben. Was am meisten auffällt, ist, wie leise sie ist. Die niedrigen Geräusch- und Vibrationspegel sind außergewöhnlich, selbst bei voller Geschwindigkeit. Es ist ein absolutes Vergnügen, an Bord zu sein.

Der Maschinenraum liegt weit vorne

“Leviathan” ist mit zwei ABB DO980P Azipods ausgestattet, die leise arbeiten und hoch- wie niederfrequente Rumpfvibrationen minimieren. Die Azipod-Anordnung und die Fünfblatt-Propeller konstruierte ABB. Kavitationstests im Modellmaßstab legten das Propellerdesign fest.

Ein 5,5-Megawattstunden-Batteriesystem ermöglicht einen leisen Nachtbetrieb, unterstützt die Motorenleistung, reduziert deren Laufzeiten und verlängern damit die Wartungsintervalle.

Der Maschinenraum liegt weiter vorne als bei einer herkömmlichen Yacht dieser Größe. Dies macht das Layout flexibler, so liegen mehr Gästeunterkünfte achtern – ein Bereich, der traditionell von den Motoren belegt wird und in Bezug auf die Rollbewegungen einer der komfortabelsten Yachtbereiche ist.

Oceanco baute ein Forschungslabor

“Leviathan” schließt sich Inkfish an, einer Organisation, die auf Newells Yachten die Meeresforschung unterstützt. Inkfish bietet Wissenschaftlern Zugang zu abgelegenen Regionen und modernster Technologie. Zum Beispiel das U-Boot auf “Dagon”, das bereits in die tiefsten Bereiche des Ozeans vorgedrungen ist.

An Bord von “Leviathan” gibt es neben dem Labor, ein Tauchzentrum und ein Bordlazarett, und zwar dort, wo üblicherweise der Beachclub liegt. In einer 3D-Druck-Werkstatt können Ersatz- oder Austauschteile hergestellt werden, was die Selbstversorgung während längerer Reisen oder abgelegener Routen unterstützt. Gabe Newell:

Yachten haben großes Potenzial, als Plattformen für wissenschaftliche Forschung zu dienen.

Gabe Newell ist relativ neu in der Yachtwelt

​Computerspiele wie „Half-Life“ und „Counter-Strike“ machten den Entwickler Gabe Newell reich. Der US-Amerikaner, der auch Teil der Gründungsteams von Microsoft und OpenAI war, gilt als einer der wohlhabendsten Menschen der Welt. Newell entdeckte seine Yachting-Leidenschaft erst vor wenigen Jahren und bereedert heute neben Großformaten (92 m „Draak“, 78,5 m „Rocinante“, 72 m „Game Changer“) diverse Forschungsschiffe (68 m „Dagon“, 66 m „Hydra“).

„Ich interessierte mich erst überhaupt nicht für Yachten“, so Newell, der zum Geburtstag seiner damaligen Frau die Segelyacht „Mirabella“ charterte. „Ich dachte, ich würde mich elend fühlen. Stattdessen entdeckte ich diese fantastische Möglichkeit, Zeit mit Freunden und der Familie zu verbringen.“

Der Eigner lebt das ganze Jahr über an Bord

Heute lebt der sympathische Tech-Unternehmer das ganze Jahr über an Bord seiner Schiffe: „Ich arbeite acht Stunden pro Tag, und wenn ich keine Lust mehr habe, springe ich von der Badeplattform. Für mich ist es das perfekte Leben!“

Diesen Sommer übernahm er die Werft Oceanco in der festen Überzeugung, dass viele der im Silicon Valley lebenden Tech-Milliardäre noch keine Berührungspunkte mit Yachten und dem dazugehörigen Lifestyle hatten. Eine seiner Prioritäten war die Übernahme des Systemintegrators Alewijnse, der neben Lateral und den Kaskoschmieden Mercury und Aluship nun zur Oceanco-Gruppe gehört.

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