Der Geschäftsführer von Turquoise Yachts, Mehmet Karabeyoglu, und der „Go“-Eigner teilen eine gewisse Liebe zu mutigen Manövern: Karabeyoglu eröffnete seine Werft bereits 1987 mit der größten in der Türkei hergestellten Yacht, die zudem – damals ein absolutes Novum – ohne Eigner gebaut wurde. Nicht weniger beeindruckend ist die Geschichte des „Go“-Eigners, dessen erste Yacht 77 Meter misst. Beide Männer scheinen auch die Vorliebe für eine ganz bestimmte Farbe zu teilen. Aber erst ein Rundgang über die Decks von „Go“ zeigt, wie ähnlich sich die beiden Herrschaften tatsächlich sind.
„Es gab etwas an diesem Kunden, das ich von dem Moment an mochte, als er zur Werft kam“, erzählt Werft-CEO Karabeyoglu freimütig. „Der Vertragsabschluss ging sehr schnell, weil er ein sehr entschlossener Mann ist. Es war ein wahres Wettrennen bis zum Ziel. Aber in nur anderthalb Jahren bekam er seine erste neue Superyacht, und wir lieferten unseren bis dato größten Neubau ab.“
Turquoise Yachts hatte bei den kreativen Experten von H2 Yacht Design ein unverwechselbares Exteriorstyling in Auftrag gegeben, das zur Werft passen sollte. Jonny Horsfield, Gründer und Chef des Designstudios in Personalunion, erklärt aus seinem Londoner Büro: „Nachdem Mehmets Partner verstorben war und seine Anteile von Oceancos Eigentümer Mohammed Al Barwani gekauft wurden, wollte die Werft mit einem neuen Flaggschiff starten. ,Go‘ ist die siebte Yacht, an der wir mit Turquoise zusammengearbeitet haben. Davor realisierten wir die 72 Meter lange ,Vicky‘. Sie nahmen wir als Grundlage, und von dort aus aktualisierten wir den Look. Wir hielten das Design flexibel genug, sodass der neue Eigner es noch persönlich prägen konnte.“
Turquoise Yachts hatte bereits mit dem Bau der 77-Meter-Yacht begonnen, bevor der „Go“-Eigner in Verhandlungen mit der Werft trat. „Wir starten einen Neubau immer auf Spekulation, weil es dem späteren Eigner sehr viel Zeit erspart“, erklärt Karabeyoglu. „Als ,Gos‘ Eigner schließlich den Vertrag unterzeichnete, war der Kasko bereits fertig, und wir hatten mit der Innenausstattung begonnen.“
Die Alu-Aufbauten von „Go“ verfügen über Konturen, die alle Decksebenen optisch verbinden und in einem Bogen an der Wasserlinie enden. Während die Kurven der Yacht ihr einen charakteristischen Look verleihen, hebt sich „Go“ am deutlichsten durch ihre extravagante Rumpffarbe von der Masse ab. „Das Designkonzept der Yacht basiert auf Wasser, das in Bewegung ist – so wurden auch Türkistöne zu einem Thema, das sowohl im Interior als auch im Exterior allgegenwärtig ist“, erklärt Ruth Thomas, Designchefin des englischen H2-Teams.
So kräftig die Rumpffarbe auch erscheinen mag, sie wird die Yacht auf ihren geplanten Reisen im Mittelmeer hervorragend tarnen – und sie sorgt im weiß-blauen Einerlei der Superyachtrümpfe für erfrischende Abwechslung. Aber die persönliche Note des Besitzers ging weit über die Farbwahl hinaus. „Er wollte das Dekor noch üppiger gestalten“, führt Horsfield aus. „Die zehn Tonnen hochglanzpolierter Stahl, die wir für die Details, die er sich wünschte, hinzufügen mussten, erforderten einen strukturellen Umbau der Yacht“, ergänzt Karabeyoglu.
Im Salon werden das Konzept des sich bewegenden Wassers und das türkisfarbene Thema von einem weiteren Merkmal der Yacht begleitet: einem gewebten Chevronmuster, das in den weißen Teppich geschnitzt und in die Spiegeldecke geätzt wurde. Große Fenster, schimmernde Wände aus Tanganjika-Furnier und cremefarbene Polsterstücke werden durch türkisfarbene Kissen akzentuiert. Ein geformtes Metallband, das an fließendes Wasser erinnert, läuft um den großen und luftigen Raum herum. Glastüren lassen sich weit öffnen, um das Innere mit der Umgebung um die Yacht herum zu verbinden. Da der „Go“-Eigner ein großer Sportfan ist, installierte die Werft zahlreiche Flachbildfernseher auf allen Decks , darunter einen 100 Zoll großen 4K-Bildschirm von Sony, der vor einem Fenster im Hauptsalon für mediale Unterhaltung sorgt.
Am vorderen Ende des Salons zieht ein runder Esstisch mit einem Band aus türkisfarben emailliertem Metall die Blicke auf sich. Das auffällige Möbelstück aus der Fertigung von Solomon & Wu ist ein Kunstwerk, das benutzt werden möchte. Poliertes Makassar-Ebenholz bildet einen starken Kontrast zum zentralen Tischelement aus weißem Onyx. So spiegelt der Tisch das schwindelerregende Muster des darüberhängenden Kronleuchters wider. „Wir haben Wochen gebraucht, um den Leuchter zu installieren, denn jeder seilartige Anhänger hat seine eigene Lichtquelle“, so Ruth Thomas. Der Boden im Essbereich besteht aus weißem Thassos-Stein, der dank Fußbodenheizung den nackten Füßen schmeichelt.
Der Hauptsalon ist ohne Frage ein wunderbarer Raum, der die Eleganz und Schönheit der gesamten Yacht atmet. Der visuelle Höhepunkt von „Go“ befindet sich allerdings im Foyer. Hier ragt eine Skulptur von Dale Chihuly drei Decks nach oben. „Der Besitzer wünschte sich ein Chihuly-Werk – es war allerdings eine große Herausforderung, eine geblasene Glasskulptur dieser Größe an Bord zu montieren“, verrät Designer James Bermudez. „Die Skulptur wiegt knapp 500 Kilogramm und besteht aus etwa ebenso vielen einzeln geblasenen Teilen. Um sicher zu sein, dass die Skulptur passt, und um zu entscheiden, wo die Stangen platziert werden, die ein Schwingen verhindern, bauten wir ein maßstabsgetreues Modell des Treppenhauses in Chihulys Studio in Seattle. Wir nummerierten und demontierten die Einzelteile und schickten sie zurück nach Istanbul. Das Auspacken hat Tage gedauert.“
Es gibt keinen besseren Ort für dieses Kunstwerk. Das Aufhängen in der Mitte des Treppenhauses bringt Chihulys Werk nahe genug, um es anfassen zu können, und macht das Treppensteigen zum Erlebnis. Natürlich hat das Turquoise-Flaggschiff auch einen Aufzug, der vom Sonnendeck bis zur Garage alle Decks miteinander verbindet. Doch die Benutzung würde bedeuten, dass man die gläserne Chihuly-Show verpasst.
Die Gästekabinen sind symmetrisch entlang eines langen Korridors vor dem Foyer angeordnet, wobei die letzten beiden Kabinen zu einer VIP-Suite mit getrennten Tag- und Nachtbereichen kombiniert wurden. Alle Gästesuiten verfügen über Kingsize-Betten und elegante Details in Shagreen-Leder und Perlmutt. Die Badezimmer besitzen beheizte Böden aus türkisfarbenem Amazonit und weißem Thassos-Stein. Die Duschen wurden mit Spritzkunstwänden des Künstlers Alex Turco veredelt. Ein Deck höher befindet sich ein großer Essbereich im Heck, der fließend in einen Salon mit Sofas, einer Bar und einem Spieltisch übergeht.
Der vordere Bereich dieses Decks ist für den Eigner reserviert. Neben einem Büro verfügt die Suite über Ankleideräume und Badezimmer für sie und ihn, die – wie das gesamte Interior – nach den Vorgaben der Eigner gestaltet wurden und in denen türkisfarbener Onyx und zwei Kristallwaschbecken dominieren. Im Schlafbereich befindet sich ein zentral gelegenes Bett mit Blick auf eine geschwungene Fensterwand, die auf das private Vordeck und den Spa-Pool des Eigentümers hinausgeht. „Ich muss der Werft für die fantastische Aussicht in dieser Suite danken“, sagt H2-Studio-Gründer Jonny Horsfield. „Ich wollte genau diese Aussicht, dachte aber nicht, dass die großflächigen gebogenen Glasfronten hergestellt werden können.“
„Soweit ich weiß, sind das die größten gebogenen Scheiben, die je auf einer Yacht montiert wurden“, zeigt sich Werftchef Karabeyoglu durchaus erfreut. „Die riesige Fensterfront besteht aus nur fünf chemisch gehärteten Scheiben aus Glaslaminat. Die gleiche Anordnung installierten wir auf der Brücke. Und das Komplettpaket kommt aus der Türkei.“
Das Bett und der ovale Konsolentisch dahinter sind mit aufwendigen Lederdetails verziert, die an Rugbybälle erinnern, eine der Lieblingssportarten des Eigners. Besonders gern verfolgt der TV-Sportfan wichtige Spiele seiner Lieblingsteams in seiner Suite, ein großer TV-Bildschirm fährt dazu aus einer Kommode vor seinem Bett. Dass der Fernseher dann die herrliche Aussicht versperrt, nimmt er gern in Kauf. Man muss schließlich Prioritäten setzen. Und das Anfeuerungsgeschrei seiner Mannschaft dürfte alle weiteren Geräusche deutlich übertönen – während der Probefahrten zeigten die Schallpegelmesser der Werftingenieure lediglich 38 Dezibel in den Gäste- und in der Eignerkabine an.
Auf dem Brückendeck steht Sport auf dem Programm. Ein Gym mit viel Kopffreiheit ist clever in das Layout integriert und animiert zum Schwitzen. „Der Eigner nutzt das Sonnendeck aber genauso gern für Partys“, sagt Designer Bermudez. „Fernseher von Aqualite Outdoor sorgen für sportliche TV-Unterhaltung. Das Gros der Möbel steht frei und beweglich auf dem Topdeck, sodass die Sitzmöbel problemlos an die Partygröße angepasst werden kann.“ Im Zentrum jeder „Go“-Party steht jedoch der beeindruckende Fünf-Meter-Pool, in den ein ansehnlicher Wasserfall plätschert.
Ein Aufzug fährt mittschiffs vom Sonnendeck bis zur Tendergarage. Hier parkt die Crew zwei Pascoe-Tender (9,60-m-Limotender, 8,60-m-Beachlander) per Gantry-Kran durch eine 10,60 Meter breite Lukenöffnung, sodass der Achterschiffsbereich von „Go“ für den Einsatz als Beachclub frei bleibt.
Und was für ein Club das ist: Eigner und Gäste entspannen auf 160 meernahen Quadratmetern. Die neun Meter breite, bodengleiche Spiegelluke sowie die sieben Meter breite und sich nach unten öffnende Seitenluke werden hydraulisch aufgesperrt und verwandeln sich in sonnengeflutete Terrassen. „Der Beachclub war ein echtes Verkaufsargument und ein Bereich, dem der Eigner viel Aufmerksamkeit widmete“, so Jonny Horsfield. Mit einfachem Zugang zum Wasser und ausgezeichneter Licht- und Luftzirkulation bietet der Beachclub auch Komfort wie eine hinterleuchtete Bar in Onyx und Makassar und – natürlich – einen weiteren 100-Zoll-Fernseher. Dazu finden sich separate Massageräume und ein Hamam.
Da eine Großyacht nur mit einer hervorragenden Crew funktioniert, spendierte der Eigner seiner 19-köpfigen Mannschaft großzügige Wohnbereiche und komfortable Messen auf dem Tank- und dem Unterdeck, beide selbstverständlich inklusive XXL-Fernseher. Die Crew nutzt einen vom Eigner- und Gästetrakt separierten Treppenaufgang, Vorratsräume und Durchgänge, sodass die Stewardessen und Deckhands dem Eigner so wenig wie möglich über den Weg laufen.
Turquoise Yachts ist es mit „Go“ gelungen, sich geschickt in Szene zu setzen und die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „,Go‘ zu entwerfen und zu bauen war eine echte Herausforderung, der wir uns gern gestellt haben“, sagt Werftchef Karabeyoglu mit einem Hauch von Understatement. „Wir lieben diese Art der Herausforderung, nur so können wir zeigen, was wir für großartige und komplexe Projekte realisieren können.“ Sich einer schweren Herausforderung zu stellen und sie zu bewältigen ist auch Merkmal eines jeden echten Sportlers – genau das muss die Eigenschaft sein, die den CEO von Turquoise Yachts und den Eigner von „Go“ am stärksten verbindet.
Dieser Artikel erschien in der BOOTE Exclusiv-Ausgabe 02/2019 und wurde von der Redaktion im Juli 2023 überarbeitet.