So etwas hören Designer gerne. Ein Werftvertreter ruft an und sagt: „Kommt mal mit einer Idee, die unsere Kunden zum Staunen bringt.“ Filippo Salvetti dachte nach, was könnte einer neuen Ferretti-Yachts-Serie unter 30 Meter als Alleinstellungsmerkmal dienen? Schließlich verpasste der Italiener dem Konzept eine „All-Season-Terrace“ am Bug, eine Art überdachte Loggia, die rundum geschlossen oder zu öffnen ist. „So kann man das Meer und die Umgebung genießen, während man geschützt in einem privaten Außenbereich sitzt“, erklärt Salvetti. Der Freisitz ist nicht die einzige Neuheit der 26,97 Meter langen Signora.
Ferretti Yachts erfand die Infynito 90 und jetzt auch die kleine Schwester Infynito 80, um den Kunden ein neues Ober- und Sonnendeck-Layout zu präsentieren. Im Mittelpunkt steht hier die Skylounge, die laut Salvetti „eine ungewöhnlich große Wohnfläche für einen 90-Fußer“ hat und rundum mit fast senkrechten Fenstern bestückt ist, die passend zum Seriennamen unendliche Weitblicke verschaffen.
Damit treibt die Gruppe das Prinzip der ebenfalls noch frischen Flybridge 1000 Skydeck-Serie auf die Spitze, die zwar auch ein verglastes Penthouse hat, was aber im Vergleich zu dem auf der drei Meter kürzeren Infynito kleiner wirkt und dank schräger Fenster weniger luftig ausfällt. Neu ist auch die Form des 7,33 Meter breiten Rumpfes, den die Konstruktionsabteilung der Gruppe unter der Projektleitung von Piero Ferrari zeichnete. Das Ergebnis ist ein Verdränger mit Halbgleitereigenschaften, der je nach MAN-Paket bis zu 22 Knoten fahren soll.
Das ist im Gegensatz zur etwa gleich langen Flybridge-Ferretti 860 (Topspeed 30 Knoten) zwar übersichtlich, aber dafür punktet die Infynito mit Explorer-Tankkapazitäten wie 11 500 Liter für Kraftstoff und 1800 Liter für Wasser. So ein Volumen bietet weder die Ferretti 860 mit 7000 und 1400 Litern noch die 920 oder die 1000 Skydeck mit jeweils 9000 und 1320 Litern. Für die Infynito bedeutet das eine beachtenswerte Reichweite von 1400 Seemeilen bei zehn Knoten Fahrt, bei 17 Knoten sind es immerhin noch 440 Seemeilen. Für beste Fahreigenschaften bekommt die 90, die voll beladen 111 Tonnen verdrängt, zwei mögliche Stabilisatoren-Systeme: entweder Seakeeper-Kreisel oder ein Flossen-Upgrade. Eine Kombination aus beidem würde Ferretti-Händler Torsten Sieckmann seinen Kunden ans Herz legen: „Cruisen mit den Finnen ist fein, aber bei schwerem Seegang sollte man beide Systeme laufen haben.“
Die Infynito 90 ist auch die erste Ferretti mit einer „Sustainable Enhanced Architecture“, einem Nachhaltigkeitspaket, das sich zum Beispiel in der Verwendung von Lederresten, Bambusfasern und wasserbasierten Lacken ausdrückt. In erster Linie sind hier aber die Solarzellen auf dem Deckshaus gemeint. „Die Paneele produzieren bis zu 7,3 Kilowatt Energie“, verrät Stefano de Vivo, CCO der Ferretti-Gruppe. Das dazugehörige Batteriepaket, das im Motorraum wasserdicht verpackt, luftgekühlt und von Temperatursensoren überwacht ist, bringt es auf eine Kapazität von 120 Kilowattstunden. Damit könne der Hotelbetrieb nahezu den ganzen Tag über funktionieren. Laut Kapitän, der die Yacht auf ihrer ersten großen Fahrt begleitet und zum Yachting Festival nach Cannes gebracht hatte, müsse der Generator nicht unbedingt mitarbeiten.
Stefano de Vivo entwirft ein Szenario: „Wenn man den Hafen mit voll geladenen Batterien verlässt, bekommt man bis zu acht Stunden Leistung, inklusive Antrieb der Stabilisatoren und der Klimaanlage, ganz ohne Emissionen und Lärm.“ Nur um die Mittagszeit, wenn es ans Kochen gehe und viele Geräte parallel arbeiten, könne man vielleicht für eine Stunde den Generator anschalten. Damit ließen sich bei einer durchschnittlichen Yachtnutzung zwischen Mai und September bis zu 80 Prozent Treibstoff einsparen. Die Lieferanten des grünen Stroms, die nahezu die gesamte Dachfläche einnehmen, sind aber kein Muss. Wer sich gegen eine Photovoltaikanlage entscheidet, bekommt von Designer Salvetti für die etwas tiefer gelegte Freifläche eine optisch akzeptable und zugleich sehr simple Alternative geliefert: „Das Areal wird dann eben schwarz lackiert.“ Zusätzlich würde ein „Überrollbügel“ installiert, um den Höhenunterschied auszugleichen.
Ein schlagendes Verkaufsargument für die neue Ferretti soll zudem das Semi-Custom-typische, flexible Layout sein. Angefangen in der Skylounge, wo sich der Steuerstand wahlweise vom Salon abtrennen lässt, sodass sich der Wohnraum auch unterwegs als privates Heimkino anbietet. Zusätzlich könnte die Werft hier statt einer großen Sofalandschaft einen Speiseplatz plus ein kleines Sofa einplanen.
Das Achterdeck gibt sich allein wegen der frei stehenden Möbel vielseitig nutzbar, was auch für das darunter liegende, 34 Quadratmeter große Cockpit gilt. Auch hier lassen sich tragbare Loungesessel oder Sonnenliegen nebst Tafel unterbringen. Für den Salon auf dem Hauptdeck wählen die Eigner, ob ihre mittig gesetzte Galley offen oder geschlossen und damit von außen begehbar sein soll. „Am Bug können sie einen Speiseplatz für acht Gäste oder eine Mastersuite platzieren lassen“, meint de Vivo und erwähnt damit eine Option, die häufig erst auf Yachten über 30 Meter zu finden ist.
Auch für die Loggia müssen sich die Infynito-Interessenten entscheiden: Sonnenliegen, eine Cocktailbar oder lieber Jacuzzi mit Sofas plus Loungeecke in der Bugspitze? „Ich persönlich würde die Variante mit zwei bequemen Sofas zum Sonnenbaden wählen“, sagt Filippo Salvetti, „das gibt mir ein besonderes Gefühl der Entspannung, eingebettet in ein maritimes Setting.“ Das Dach steht als geschlossen oder mit beweglichen Glaslamellen im Katalog.
Auf dem Unterdeck gehen die Möglichkeiten weiter. In der Baunummer eins zeigt sich das Standardlayout für insgesamt acht Übernachtungsgäste: Mittschiffs liegt die Mastersuite, die sich über die volle Rumpfbreite zieht. Dazu kommen eine VIP im Bug sowie zwei Twins. Die kleinere Doppelkabine „kann sich auf Wunsch in einen Multifunktionsraum verwandeln“, erklärt de Vivo, zum Beispiel als zusätzliche Staufläche. Diese Lösung bietet sich an, wenn etwa die Eigner ihre Suite auf das Hauptdeck setzen lassen und mit drei statt vier weiteren Kabinen auf Reisen gehen möchten.
Die cremefarbenen, strukturierten Stoffe, die hellen Holzfurniere und Accessoires in Meeresfarben sind Teil der zeitgenössischen Ausstattungslinie. „Fantastisch“, schwärmt Torsten Sieckmann, „sehr warm und gemütlich“. Wer es noch dezenter mag, nimmt die Variante „klassisch“, beide stammen aus der Interieur-Designwerkstatt von Ideaeitalia. Mit dem Gesamtkonzept ist der Händler mehr als zufrieden, er wüsste auch schon, wo er so eine Yacht hinlegen würde: „Nach Kroatien und dann geht es in Richtung Griechenland.“