„Irisha“Ein Dayboat der Extraklasse mit maßgeschneidertem Konzept

Marcus Krall

 · 04.11.2023

Sportlicher Auftritt: Die britischen Designer  Ben Harrison und Peder Eidsgaard ließen sich  bei der Exteriorgestaltung des 51-Meter- Halbgleiters von einem F16-Kampfjet inspirieren
Foto: Dick Holthuis, Mike Jones
Der Eigner der 51 Meter langen „Irisha“ liebt lange Lunches an Bord. Heesen lieferte ihm dafür ein maßgeschneidertes Konzept. Harrison-Eidsgaard zeichneten das überdimensionierte Dayboat.

In der Welt der großen Yachten scheint es mitunter keinen neuen Superlativ zu geben. Und dann fährt eine Open doch schneller als alle anderen, baut jemand noch größer als irgendein Eigner vor ihm oder legt mit noch kostbareren Gemälden als die größten russischen Kunstsammler ab.

Heesen lieferte im Sommer 2018 auch solch ein Format, das ins Rekordbuch des Yachtings gehört. Zwar schwimmt „Irisha“ mit 51 Metern längenmäßig eher im Mittelfeld, ihre Nutzung indes ist spektakulär und an der Spitze des UHNWI-Lifestyles einzuordnen. „Der Eigner“, so Heesens Pressesprecherin Sara Gioanola, „legt mit der Yacht eigentlich nur zum Lunch oder Dinner ab. Er nutzt sie quasi als Dayboat.“ Auf nochmalige Nachfrage antwortet die charmante Italie­nerin auf die gleiche Weise. Und genauso, das muss man schlichtweg zugeben, wirkt die Yacht auch von außen. Wer sich „Irisha“ von vorn oder seitlich nähert, dessen Blick wird sofort von ihrem Raised Pilothouse absorbiert, das komplett dunkel verglast ist und eher an eine sportive 70- oder 80-Fuß-Yacht erinnert, eine Pershing etwa oder eine Otam.

Inspiration für „Irisha“

„Unsere Inspiration stammt allerdings eher von einem F16-Kampfjet“, sagt Ben Harrison, der mit seinem Geschäftspartner Peder Eidsgaard für die Exterior- und Interiorgestaltung verantwortlich zeichnet. „Irisha“ soll, selbst wenn sie vor Anker liegt, aussehen, als sei sie in Bewegung. Die insgesamt neun gebogenen Scheiben mit einem Gesamtgewicht von 2000 Kilo­gramm gehören dabei zu den größten je in Europa produzierten Gläsern dieser Art, eine wohldurchdachte Struktur hält sie in Position, da „Irisha“ mit hohen Geschwindigkeiten und auch in schwerem Wetter unterwegs sein kann. Im Zentrum der Glasstruktur sind die Scheiben deshalb bis zu drei Zentimeter dick.

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Harrison und Eidsgaard, die sich mit ihrem Londoner Studio bereits seit eini­gen Jahren in der Liga der gefragten Yachtdesigner bewegen, waren schon auf der ersten Heesen des Eigners aktiv. In Rekordzeit verpassten sie der ehemaligen „My Petra“, der Ex-Yacht von Heesens Werftgründer Frans Heesen, ein kleines Refit. Mit diesem Vertrauensvorschuss und der Begeisterung des „Irisha“-Eigners für die Harrison-Eidsgaard-Ablieferungen „Tango“ und „Vanish“ landete der Auftrag für die neue Yacht nahezu automatisch bei den Londoner Kreativen und irgendwie auch bei Heesen. „Wir sind natürlich für unsere Semi-Custom-Reihen bekannt“, sagt Sara Gioanola, „doch die Hälfte unserer Produktion nehmen Custom-Bauten wie etwa ,Galactica Star‘, ,Galactica Supernova‘ oder eben ,Irisha‘ ein.“ Konstant seien dabei zwölf Yachten, inzwischen bis 80 Meter Länge, im Bau (Stand 2019).

Speisen steht im Fokus

Doch zurück auf die Yacht, genauer aufs Achterdeck, wo sich – mit einem Blick in den Salon – der ideale Tagesablauf des Eigners schon erahnen lässt. Er sehe, so Gioanola, dabei im Sommer meist wie folgt aus: Von der Villa auf Sardinien gehe es zunächst zum Schwimmen, dann auf die Yacht, um am Tablet Nachrichten zu konsumieren, dann folge ein ausgedehntes Lunch mit Freunden, bevor die Rückkehr an Land anstehe; mitunter schließe sich noch ein Dinner an Bord an. Dafür lasse sich der Speisetisch im Salon, der für 14 Gäste ausgelegt ist und bei Heesen inhouse gefertigt wurde, auf eine Gesellschaft für bis zu 22 Personen erweitern; auch der sogenannte „Wintergarten“ zwischen Salon und Al-fresco-Liegefläche ist für Geselligkeit dieser Größenordnung konzipiert. Wenn man im zeitigen Frühjahr oder in den späten Herbsttagen vor Sardinien unterwegs sei, könne man geschützt draußen dinieren, da fast rundum Glasscheiben vor der Witterung abschirmten. Im Chartermodus und damit im kommerziellen Betrieb hingegen müssten diese Seitenscheiben durch Netze ersetzt werden, weil der „Wintergarten“ das Volumen der Yacht sonst über die 500-Gross-Tons-Schwelle heben würde. Ein schöner Schachzug, der jedoch nicht allzu oft Anwendung finden wird, da der Eigner „Irisha“ nur für einen sehr begrenzten Zeitraum Chartergästen zur Verfügung stellen wird. Die Wochenrate liegt dabei um die 300 000 Euro.

Unterhaltung an Bord der „Irisha“

Ungewöhnlich zeigen sich hier achtern auch die Liegeflächen. Heesen und Harrison-Eidsgaard ordneten sie sehr hoch an, sodass sich die dort Liegenden quasi auf Augenhöhe mit an Deck stehenden Gästen unterhalten können. Der konstruktive Grund liegt jedoch vor allem in der Generierung von höheren Decken im Beachclub und der Tendergarage, die sich darunter befinden. Für Eigner und Gäste stehen auf dieser Ebene knapp 30 Quadratmeter samt Sauna und Tagestoilette zur Verfügung. Hier unten wird bei Bedarf mit Toys und Tender (Ribeye, 6,80 m) abgelegt und das türkisfarbene Gewässer Sardiniens erkundet.

Bleiben wir auf „Irisha“ zunächst weiter auf den Außendecks, gilt es unbedingt noch einen Blick auf das 78 Quadratmeter große Sundeck zu werfen, das sich ebenfalls konsequent der Bewirtung beziehungsweise dem Entertainment verschrieben hat. Der Barbereich mit gleich zwei Tresen steht im vorderen Teil. Acht Barhocker gruppieren sich darum, von denen vier drehbar sind, sodass alle Gäs­te das Einlaufen in einen Hafen oder in eine Bucht mit einem Drink in der Hand verfolgen können. Ein veritabler Jacuzzi und eine Loungeecke mit höhenverstellbarem Tisch vervollständigen den Bereich, aus dem man direkt ins Ruderhaus gelangt, wie es auf wesentlich kleineren Yachten mit Raised Pilothouse ebenfalls üblich ist. Ein großes Ledersofa lässt es hier zu, dem Kapitän komfortabel bei der Arbeit zuzuschauen; er steuert „Irisha“ aus einem Kohlefasersessel von Besen­zoni heraus, das Equipment von Kelvin Hughes zeigt alle relevanten Daten für den Betrieb der Yacht und deren Navigation an. Soll es schnell von A nach B gehen, mobilisiert „Irisha“ aus ihren beiden kräftigen MTU-Maschinen 6800 Kilowatt Leistung, die den 51-Meter-Halbgleiter auf 26 Knoten Topspeed beschleunigt. Geht es gemächlicher zu, reichen die 55 000 Liter Diesel bei elf Knoten Reisegeschwindigkeit für eine Nonstop-Fahrt von rund 2400 Seemeilen.

Aufteilung der 51-Meter-Yacht

Ob dies auf dem Dayboat „Irisha“ jemals von Belang sein wird, bleibt abzuwarten. Die Voraussetzungen für einen längeren Trip sind indes auch innen vorhanden. Vier Kabinen auf dem Unterdeck – zwei mit Doppel- und zwei mit je zwei Einzelbetten – nehmen acht Gäste auf. Zwei Unterkünfte lassen sich dabei als Suite kombinieren, was sicher Charterer mit kleineren Kindern interessieren dürfte oder auch Charterer, die sich zwei große und drei kleinere Kabinen wünschen. Die Mastersuite auf dem Hauptdeck, die über eine großzügig dimensionierte Lobby erreicht wird, ist allerdings schon mehr als einen Hauch komfortabler als die VIP-Kabine auf dem Unterdeck. Der Eigner greift neben dem Schlafgemach auf ein Office, eine Ankleide und ein Bad über die volle Rumpfbreite zurück. Wie die komplette Yacht ist auch die Suite in Karamell- und Beige-Tönen gestaltet, die immer wieder durch ein dunkles Grau unterbrochen werden, Edelstahldetails setzen Akzente. Highlight auf dem Hauptdeck ist die Eigner-Loggia, die selbst in Fahrt genutzt werden kann. Ausgestattet mit einem Daybed lässt es sich hier, auf diesem kaum einsehbaren Privatbalkon, nach einem langen Lunch sicher wunderbar entspannen.

Nicht ganz so privilegiert, aber nicht minder komfortabel, liegt es sich übrigens in der Skylounge. Zwei Relaxsessel mit hochklappbarem Fußteil stehen hier bereit, alternativ eine unmittelbar in die Wand eingearbeitete Récamiere mit direktem Blick nach draußen. Einen „Absacker“ serviert der Steward an der Bar, die Barn in the City lieferte – ein Stück Treibholz, das mit Gold besprüht und mit Harz konserviert wurde. Ausgefallen, aber perfekt passend für die ungewöhnliche „Irisha“.


Technische Daten

Eigner oben, Gäste unten: Diese bewährte Aufteilung der Schlafzimmer ist nur für Chartergäste von Interesse. Der „Irisha“-Eigner schläft meist an Land.Eigner oben, Gäste unten: Diese bewährte Aufteilung der Schlafzimmer ist nur für Chartergäste von Interesse. Der „Irisha“-Eigner schläft meist an Land.
  • Länge über alles: 51,00 m
  • Länge Wasserlinie: 48,90 m
  • Breite: 9,00 m
  • Tiefgang: 2,50 m
  • Material: Aluminium
  • Volumen: 496 Gross Tons
  • Motoren: 2 x MTU 16V 4000 M93
  • Motorenleistung: 2 x 3400 kW
  • Maximalgeschw.: 25/26 kn
  • Reisegeschw.: 11 kn
  • Reichweite: 2425 nm @ 11 kn
  • Kraftstoff: 55 000 l
  • Generatoren: 2 x Kohler
  • Generatorleistung: 2 x 99 kW
  • Wasser: 16 200 l
  • Konstruktion: Heesen Yachts
  • Exteriordesign: Harrison-Eidsgaard
  • Interiordesign: Harrison-Eidsgaard
  • Klasse: ABS, +A1 Commercial Yachting Service, AMS, Large Commercial Yacht Code LY3
  • Werft: Heesen Yachts, 2018

Dieser Artikel erschien in der BOOTE Exclusiv-Ausgabe 01/2019 und wurde von der Redaktion im November 2023 überarbeitet.


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