„King Benji“47-Meter-Königreich ohne Konventionen

Sören Gehlhaus

 · 08.11.2024

Hoher Bug, langes Achterdeck: Die markante Explorer-Silhouette  entwarf Gregory C. Marshall. Das Krähennest ragt 16 Meter in  den Himmel. Die türkische Dunya-Werft schweißte den 528-Tonner  in ihren Hallen nahe Istanbul
Foto: Jeff Brown, IYC
Ein Jung-Eigner wünschte ein Königreich ohne Konventionen – für sich, seinen Hund und Charterer. Der 47-Meter-Explorer „King Benji“ zeigt sich mit buntem Eignerdeck und Show-Galleys, an Deck stehen ein Heiß-kalt-Pool und die Zwölf-Meter-Mittelkonsole.

Unter Charteryachten gehört es zum guten Ton, einen Instagram-Account zu unterhalten. Der von „King Benji“ sticht hervor. Nachdem der 47-Meter-Explorer den Titel von BOOTE EXCLUSIV 3/24 zierte, meldete sich Josh, der Eigner, höchstpersönlich über Instagram. Er hätte gern ein Magazin, um das Cover einrahmen und an Bord aufhängen zu können. Josh Golder bereederte eine Vielzahl an Serienbooten vor Miami, sein erster Custom-Neubau ist eine Art Trotzprojekt. Er hatte es auf die 45 Meter lange „Big Fish“ abgesehen, die Kaufbemühungen blieben aber erfolglos. Doch wusste er, wer seine Yacht von außen gestalten sollte: „Big Fish“-Designer Gregory C. Marshall.

Wie „King Benji“ kreiert wurde

Ganz ähnlich setzte sich der Rest des Teams zusammen. Golder gefiel das „Pink Gin VI“-Interieur so sehr, dass er Kontakt zum britischen Studio Design Unlimited aufnahm. Den Bauplatz bei Dunya Yachts in Istanbul reservierte er, weil ihm der Charter-Erfolg der 72 Meter langen „Axioma“ imponierte.

Während der MYBA Charter Show in Genua bittet der Kapitän an Bord, der 43-jährige Eigner weilt nach einem Monat an Bord in den USA. Grant Du Preez ist 30 Jahre alt, stammt aus Südafrika und stieß ein halbes Jahr vor Fertigstellung zum Bauteam: „Das gab mir Zeit, um Systeme und Ausrüstung kennenzulernen, jedes einzelne Crewmitglied einzustellen und sie mit dem Betriebsablauf vor dem Charterbetrieb vertraut zu machen.“ Das Achterdeck misst gut zehn Meter in der Länge und doch braucht es eine Aussparung im Oberdeck, um die zwölf Meter lange Nor-Tech an Deck parken zu können. Golder hegt eine Aversion gegenüber Chasebooten, den Neuntonner bewegt ein Zehn-Tonnen-Kran, der bis zum Brückendeck hinaufreicht und auf Wunsch zur Schaukel wird. Der kleine Kran steuerbords schwenkt seitlich zu einer Bar aus oder wird aufgerichtet zum Galgen für einen Boxsack.

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Die Liegefläche ganz achtern schultert als Lagerbock die Mittelkonsole oder teilt sich in zwei Sofas auf. „Wir wollten das Sonnendeck auf dem Hauptdeck achtern haben“, so Du Preez. „Der Eigner wünschte sich, dass die Gäste nahe beieinander sind und das ganze Unterhaltungsprogramm hier hinten stattfindet, anstatt ganz vorne im Bug.“ Statt vom Sundeck ganz oben haben Eltern ihre Kinder beim E-Foilen oder Tauchen bestens im Blick. Auch einen Basketballkorb gibt es über der Salonschiebetür, auf der Badeplattform eine Golfinsel und E-Bikes für Landausflüge. Vier Sea-Doo GTX 300 rahmen die Nor-Tech mit ihren drei Mercury 400R ein.

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Design Unlimited setzt auf natürliche Materialien

Den Weg in den Salon versperrt weder eine Schwelle im materiellen Sinne zu den Füßen noch eine ideelle Schwelle im Kopf. Es ist, als würde einem das Interieur zurufen wollen: Keine Scheu, komm rein, willkommen im Leben! Design Unlimited erhielt die Vorgabe, kein Weiß und viele natürliche Materialien zu verwenden. Für den Salon bedeutet das: Bambusrohre an der Decke, ein Teak-Baumstumpf als Tisch auf handgeknüpftem Teppich, ein Eichenspeisetisch aus türkischer Produktion und ein Mosaik aus wiederverwendetem Eukalyptusholz am Ende des Raums. Dunya ließ die Möbelfertigung und den Innenausbau vom keine zehn Kilometer entfernt gelegenen Unternehmen Ulutas ausführen. Wie überall an Bord versteckt sich der Fernseher im Salon auf Eignerwunsch vollständig hinter der Wandverkleidung und nicht hinter einem Spiegel.

An Backbord geht es in die Pantry mit angeschlossener Frühstücksbar, die eines der vier großen Rechteckfenster mit Licht füttert und die die Crew vom Außendeck aus betritt, um nicht durch den Salon zu müssen. Durch die Durchreiche zur Galley grüßt der 27-jährige Chef Liam, der mit geschmolzener Schokolade und einer 3-D-Form „King Benji“-Pralinen vorbereitet. Du Preez lacht: „Normalerweise ist das ein Bereich für die Besatzung. Wenn Gäste einen Kaffee oder etwas anderes wünschen, sprechen sie unseren Chef einfach an.“ Gut möglich, dass hier nicht nur am Morgen Mahlzeiten verspeist werden.

Farbexplosion an Bord von „King Benji“

Richtig bunt wird es in den vier Doppelkabinen, zwei davon mit verbindbaren Einzelbetten. Vom Hauptdeck-Urwald geht es in die Unterseewelt des Unterdecks. Auf den Wänden kleben Tapeten mit Fisch-, Korallen-, Oktopus- oder Atlantis-Motiv von Adam Ellis, Tecnografica und Pierre Frey. Mark Tucker ordnet die vermeintliche Farbexplosion ein: „Die Designsprache ist recht einheitlich. In den Kabinen greifen das Leder und die Kaschmir-Überwürfe den Farbton der Tapeten auf.“ Taktile Reize erwecken handgewebte Naturhanffasern auf den Schranktüren und Ledergriffe sowie die rustikalen, treibholzhaften Kopfteile der Betten. Die Ausbaukosten einer einzelnen Gästekabine beziffert Design Unlimited mit 350 000 Euro.

Tucker, der mit seinem Studio auch die Häuser des „King Benji“-Eigners einrichtete, erläutert die knifflige Balance: „Der Kunde wollte eine begehrliche Charteryacht, aber man muss sehr vorsichtig sein, dass man es mit den Details nicht übertreibt. Sonst wird es eine Yacht, die Leute gerne sehen, aber nicht besitzen wollen. Man muss auch an den Wiederverkauf denken.“ In den Bädern geht es mit etwas Marmor, Glasmosaikfliesen und minimal behandeltem Holz organisch-ruhig zu, ohne Edelstahl-Finessen geht es mit den türkischen Yachtbauern jedoch nicht. Captain Grant Du Preez beteuert: „Ich habe tatsächlich in jedem Zimmer geschlafen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was Lärm macht und was wir ändern sollten.“


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Der Namensgeber

Dem Eigner oder den Chartergästen steht das gesamte Oberdeck zur Verfügung. Entsprechend wandert die Brücke nach ganz oben und die Kapitänskabine nach unten. Ein Layout, das Werften bei Custom-Projekten vermehrt umsetzen, das aber separate Crew-Laufwege voraussetzt. In der Suite ahmen rund um das California King Bed botanische Drucke, Grüntöne und tropische Tapeten die Artenvielfalt des Dschungels nach. Hanftauwerk fasst den Spiegel ein und lässt eine Fläche in Form eines Bullauges offen. Den 270-Grad-Ausblick genießt auch der namensgebende Hund Benji, ein kleiner, zehn Jahre alter Beagle-Mix. Eine Grünfläche im Anschluss an die Lounge achtern sucht man vergebens. Du Preez klärt auf: „Er ist sehr gut erzogen und macht sein Geschäft nur an Land. Wir gehen mit ihm spazieren, ich plane die Reisen danach.“

Der einzige Pool ist vor dem Eigner-Areal verortet und verbirgt eine Sonderlösung: Eine isolierte Scheibe trennt ein vier Grad kaltes von einem 40 Grad warmen Becken ab. Das soll nach den zahlreichen Sportaktivitäten die Durchblutung fördern und die Regeneration beschleunigen. Charterkonform konzipiert ist auch das Handling von Rutsche und Kletterwand – sonst ein Graus für die Crew. Sie laufen über Schienen an Backbord des Brückendecks und werden nach Nutzung per Kran auf die Badeplattform gezogen.

Show-Cooking für die Gäste

Das Brückendeck bringt wieder Crew und Gäste eng zusammen. Achtern vollführt der Chef Show-Cooking am Teppanyaki-Grill, den schwarzer Marmor aus der Türkei umgibt. Dahinter führt eine Treppe ins 16 Meter hohe Krähennest mit blumigen Stoffen von Osborne & Little. Den kurzen Aufbau vorn nimmt vollständig die Brücke ein, die ein ähnlicher, wenn auch dunklerer organischer Flair umgibt. Den Steuerstand umfasst gebrannte wie gebeizte Eiche, den Deckendom ziert blauer Samtstoff. Kapitän Du Preez kommandiert ein Paar Zero-Speed-Stabilisatoren von Naiad Dynamics und zwei Caterpillar-Diesel mit je 895 Kilowatt Leistung. „Das Schiff ist sehr sparsam. Ich habe zusätzlich drei Generatoren mit je 99 Kilowatt, ungewöhnlich für eine Yacht unter 500 Gross Tons. Bei wirtschaftlichster Fahrt von zehn Knoten haben wir einen Gesamtverbrauch von 84 Litern pro Stunde.“ Die Kraftstoffbunker versprechen hohe Autarkie: Sie fassen bis zu 69 000 Liter Diesel, zudem bis zu 1200 Liter Benzin für die Tenderflotte.

So viel Spaß „King Benji“-Eigner Josh Golder – er taucht in den Yacht-eigenen Youtube-Videos auf – auch an Bord hat, so sehr scheint ihm das Abenteuer Yachtbau zu gefallen. Vor den Herbstmessen bot er die 47 Meter für 45 Millionen Euro an. Golder denke über ein zwischen 5000 und 10 000 Gross Tons großes Format nach. Das wäre dann ein 100 bis 140 Meter langes Königreich für Hund Benji und Chartergäste.


Technische Daten

Brückendeck: Der kurze Aufbau erlaubt keine Kapitänskabine, außen aber ein großes Grillareal, hinter dem Stufen zum Krähennest führen
  • Länge über alles: 46,70 m
  • Länge Wasserlinie: 41,10 m
  • Breite: 8,88 m
  • Tiefgang: 2,95 m
  • Verdrängung (voll): 528 t
  • Gross Tonnage: 499 Gross Tons
  • Material: Stahl, Alu
  • Motoren: 2 x CAT C32
  • Motorleistung: 2 x 895 kW
  • Geschwindigkeit (max.): 14 kn
  • Geschwindigkeit (Reise): 12 kn
  • Reichweite @ 10 kn: 4000 sm
  • Generatoren: 3 x 99 kW
  • Kraftstoff: 66 974 l
  • Wasser: 12 388 l
  • Konstruktion: Gregory C. Marshall
  • Exterieurdesign: Gregory C. Marshall
  • Interieurdesign: Design Unlimited
  • Klasse: ABS
  • Werft: Dunya Yachts, 2024
  • Charter: IYC, ab 250 000 Euro

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