Explorer sind langsam, Flugzeuge sind schnell. Passt nicht zusammen? Doch, die Kreuzung aus beidem ist die 44 Meter lange „Maverick“, ein Flexplorer! Cantiere delle Marche (CdM) verordnete eine graue Lackierung ähnlich der von Kampfjets, und auf dem achterlichen Schanzkleid prangt der volle Name des von Tom Cruise in Top Gun gespielten Piloten Lt. Pete „Maverick“ Mitchell. Stilecht in einer Schriftart der U.S. Navy. Keine Frage, hier geht ein großer Fan an Bord. Sein Name: Tom Schröder. Die schwarzen Seitenflügel auf dem Topdeck erinnern aus gutem Grund an das abgewinkelte Doppelleitwerk der F-14A Tomcat, jenem Ur-Jäger aus dem ersten Top-Gun-Film von 1986. Sergio Cutolo verantwortete mit seinem Hydro-Tec-Büro Exterieurdesign und Konstruktion. „Einige Elemente spiegeln eher den Stil als das eigentliche Jet-Design wider, wie die eckigen Formen des Aufbaus, die den Lufteinlässen der F-14 ähneln“, so Cutolo. „Es hat Spaß gemacht, in ,Maverick‘ kommt der Geist des Abenteuers, der Freiheit und Technologie zum Ausdruck.“
An Bord stellt sich einmal mehr der Eindruck eines schwimmenden Museums ein. Top-Gun-Memorabilia hängen an den Wänden eines jeden Decks, unter anderem ein Filmposter mit den Unterschriften aller Darsteller. Mit einem Lächeln erläutert Tom Schröder während der Yacht-Tour: „Ein guter Freund wollte mir zur Taufe etwas schenken, das mit Top Gun zu tun hat, und stolperte über diese Internetseite. Er kam mit zehn Paketen nach Ancona, und das hängt jetzt alles hier an Bord.“ Ein Original-Drehbuch von Top Gun 2 mit allen Unterschriften wird nachgereicht – es würde nicht verwundern, wenn das als eine Art Schrein in Szene gesetzt wird. Schröder erzählt vom Sommer vor Sizilien, als eine Lokalzeitung über ihren Besuch mit „Maverick“ schrieb: „Ist Tom Cruise in Milazzo?“
Von Anfang Mai bis September sammelte die Familie 6.000 Seemeilen. „Wir waren je zwei Monate in Süditalien und in Griechenland und sind so gut wie gar nicht von Bord gekommen“, berichtet Tom Schröder, der die Durchfahrt des Kanals von Korinth im Krähennest genoss. Auch berufliche Termine standen an, wie der Formel-1-Grand-Prix in Monaco. „Maverick“ agiert als Werbeplattform für Cantiere delle Marche, deren Hauptanteilseigner der 50-Jährige Ende 2022 wurde, nachdem er während des Baus die Philosophie und Qualität der Werft aus Ancona zu schätzen lernte. Schröder segelte zuvor auf einem 70-Fuß-Katamaran und ist familiär vorgeprägt: Seinem Vater gehörte Mitte der Achtzigerjahre vorübergehend mit einem Partner Dehler Yachtbau aus Freienohl.
Seine erste Firma gründete Tom Schröder 1999 während des BWL-Studiums in Köln. Zahlreiche Gründungen, Übernahmen und Verkäufe von Unternehmen folgten. Die erfolgreichste Unternehmung war der Aufbau der Wunschgutschein-Gruppe, die er mit seinem Gründungspartner in zwei Schritten an Private-Equity-Investoren veräußerte. Schröder hob das FIL Bros. Family Office aus der Taufe, dessen Namensgeber der jüngste Sohn ist. „Fil hat ein Extra-Chromosom und ist auf unsere Hilfe und später auf die der drei großen Brüder angewiesen. Somit wird Fil nicht operativ mitmischen können, aber im Firmennamen bei jeder Transaktion dabei sein.“ An Bord kommt Fil für die Weltreise, die insgesamt auf etwa sechs Jahre angelegt ist.
Die Familie will in den ersten beiden Jahren Vollzeit an Bord sein, danach etwa die Hälfte des Jahres. Das ursprüngliche Vorhaben, durch den Golf von Aden und um Afrika herum zu fahren, durchkreuzten die Unruhen im Jemen. Nach einer winterlichen Stippvisite im Roten Meer verläuft die Route wie geplant im Sommer 2025 über Skandinavien, Spitzbergen, die Arktis, Island und Grönland. Damit „Maverick“ am ewigen Eis andocken kann, ist der Rumpf entlang der Wasserlinie 22 Millimeter dick. „Der Eisgürtel war die einzige Ergänzung. Sonst ist es ein typischer CdM-Explorer: robust, aber elegant, intelligent und zuverlässig“, klärt Sergio Cutolo auf. Mit bis zu 15,7 Knoten geht es die US-Ostküste hoch und über den Sankt-Lorenz-Strom 1.400 Meilen weit nach Kanada hinein. Highlight ist die gut 4.000 Seemeilen lange Nordwestpassage, wobei es mit vollem 64.400-Liter-Bunker und zehn Knoten Fahrt nonstop sogar 6.800 Seemeilen weit gehen würde.
In Vancouver soll es das erste Mal von Bord und wieder nach Europa gehen. Und ab Amerika reisen zwei nach Vorstellungen der Schröders ausgebaute Camper an Land mit. „Damit wir auch mal an Land wechseln können. Oder die Jungs einen Tapetenwechsel haben und auch das Land und nicht nur die Küste kennenlernen. Die Planung geht bis Südamerika, in die Antarktis und zu den Galapagosinseln. Tom Schröder: „Vielleicht sind wir auch nach zwei Jahren geschieden oder bleiben fünf Jahre komplett an Bord. Keine Ahnung. Oder haben keinen Kontakt mehr zu den Kindern. Eher nicht. Wir sind ohnehin sehr eng durch Fil.“ Für ihn reist eine sozialpädagogische Logopädin permanent mit, die die Familie bereits seit drei Jahren begleitet. In der Lazarette, die auch Kino und Gym ist, entsteht eine Kabine für hinzukommende Filmer oder Forscher.
Auf das Unterdeck verteilen sich vier Doppelkabinen und der Crewbereich im Vorschiff. Das Hauptdeck – wie beim Schwesterschiff „Aurelia“ asymmetrisch mit alleinigem Laufdeck backbords – belegt ein sieben Meter breiter Salon, die offene Galley mit Kühlraum und eine Kabine vorn, der eigentlichen Mastersuite in der Drei-Deck-Konfiguration. „Um die streiten sich jetzt unsere Söhne“, scherzt Schröder über die 19, 22 und 25 Jahre alten Filii. „Die Freundinnen der beiden Ältesten haben ihren Job gekündigt. Die kommen auch mit.“ Tom Schröder und seiner Frau kam während des Rohbaus die Idee zu einem zusätzlichen Deck für die Brücke und Rückzugsraum der beiden Kapitäne, die sich im Zwei-Monats-Turnus abwechseln. Dadurch ergab sich eine Ebene nur für die Familie, die diese achtern mit Fils Kinderzimmer und Bad und ihrem Areal in der Front füllte. „Es ist ein Riesen-Apartment für die gesamte Familie. Hier können wir relativ autark, abgeschottet von den anderen Jungs, Freunden und Familie leben“, so Schröder. „Das Layout habe ich eigentlich komplett alleine gemacht und auf unsere Bedürfnisse angepasst. Das Design entstand mit meiner Frau und den Designern von Paszkowski.“
„Maverick“ basiert auf der Flexplorer-Linie, die Cantiere delle Marche 2021 mit der 40 Meter langen „Aurelia“ (Heft 5/21) einführte. Das Kofferwort Flexplorer spielt im eigentlichen Sinn auf die flexible Nutzung des Achterdecks an. Das kann Explorer-typisch mit Tendern und Toys zugeparkt werden, verzichtet aber auf einen meist sperrigen Teleskopkran. Stattdessen taucht der A-Frame-Kran von „Maverick“ knapp unter Deck ab und sorgt bei Nichtnutzung für eine schiere Oberfläche, die sich bei abgeklapptem Schanzkleid auf 135 Quadratmeter vergrößert. Auch der rechteckige 3.300-Liter-Pool in der Mitte kann gedeckelt oder wie zum Monaco Grand Prix mit Hunderten von Bierflaschen gefüllt werden.
Da Tom Schröder und seinen Söhnen die Tender, die auf dem Markt waren, nicht gefielen, entwickelten sie selbst einen gemeinsam mit Valerio Rivellini und nannten ihn „Iceman“. Den Alurumpf des 9,55 Meter langen Leichtbaus schweißte CdM in Ancona, Deck und Aufbau aus Carbon kamen andernorts dazu. Aus Kohlefasern besteht auch der A-Frame-Kran von Advanced Mechanical Solutions. Zum einen hat solch ein Überkopfkran mit vier Tonnen eine hohe Traglast im Verhältnis zum Gewicht, zum anderen verbleibt die Zugkraft beim Wassern des Beiboots in der Längsachse. So stellt sich je nach Wahl der drei Lifting-Points kaum Krängung ein, und auch bei rauer See kann über das Heck in fünf Minuten gelauncht werden.
Der Clou: Ganz wie die Große verfügt der schwimmende Satellit über ein großes Achterdeck. Statt den Rescue Tender im Vorschiff oder neben dem großen an Deck zu lagern, wird der Williams 435 Sportjet von „Iceman“ über eine Winsch im Cockpit „huckepack“ genommen. Das spart Platz und schafft Flexibilität. An Bord gelangen zwei Seabobs, zwei Sechs-Meter-Kanus, vier E-Foils von Aerofoils sowie Angel- und Tauchausrüstung einschließlich sechs Pressluftflaschen. Im Tendermodus werden bis zu zwölf Gäste geshuttelt, die dank 50 Zentimeter Tiefgang nah an die Küste kommen. Für kurze Passagen wird „Iceman“ hinterher gezogen. Die Rollstabilität des Mutterschiffs stellen zwei Paar elektrischer Flossenstabilisatoren sicher. Sergio Cutolo: „Die doppelte Ausführung ist Zeugnis meiner Erfahrungen mit der Konstruktion von Schnellfähren. Sie bieten volle Redundanz, verbessern die Kurshaltung bei Seegang und lassen sich leicht in den Rumpf integrieren.“
Ob er nach 6.000 Meilen etwas entdeckt hat, was er ändern würde? „Ich würde eine Leinwand ins Deck einlassen, die man mit dem Kran als Außenkino hochziehen kann“, so Tom Schröder. Zum Formel-1-Grand-Prix in Monaco hing daran eine LED-Wand. Während einer der vielen Partys – „Maverick“ lag inmitten des Hafenbeckens – wäre der Tom von Top Gun fast an Bord gekommen. Tom Cruise feierte einige Yachten weiter auf Einladung von Tag Heuer. Die Werbetour im ersten Jahr war überaus einträglich für Cantiere delle Marche. Bei den Italienern gingen Bestellungen über drei Flexplorer in 165 Fuß ein, ein drittes Schwesterschiff von „Maverick“ ist im Bau. Ebenso reich werden die Erlebnisse von Familie Schröder während ihres Großtörns sein. Wer die Schiffsbewegungen verfolgen möchte, gibt bei Tracking-Webseiten den vollen Namen ein: „PETEMAVERICKMITCHELL”.