Wenn Branchengrößen wie Royal Hakvoort, Omega Architects, Van Oossanen Naval Architects, Ocean Independence sowie Zucker & Partner – unabhängig voneinander, aber einhellig – von einer der größten Herausforderungen ihrer jeweils jahrzehntelangen Historie berichten, lässt das aufhorchen. Das gilt erst recht bei „nur“ 45 Meter Länge und fußt vor allem auf den ebenso ambitionierten Wünschen wie dem intensiven Einbringen des Eigners selbst in das Projekt. „Er wusste genau, was er wollte“, erinnert sich Peter Hürzeler von Ocean Independence während unseres Rundgangs in Monaco an den Beginn des Vorhabens im Jahr 2018. Der erfahrene Schweizer Kunde, der bis dato ein schnelles 25-Meter-Format einer italienischen Serienwerft nutzte, wollte sich vergrößern, jedoch 38 Meter nicht überschreiten. Seine neue, individuelle Yacht sollte zugleich mindestens 25 Knoten schnell sein, weit über das Mittelmeer hinaus auch in kalte Regionen fahren können und Fähigkeiten eines Explorers haben, jedoch ohne den typisch robusten Look.
Auf der langen Wunschliste folgten ein teilelektrischer Hybridantrieb für nahezu geräuschlose Reisen auch in streng geschützte Gebiete sowie das im Bug verbaute 3-D-Sonar Argos 1000 von FarSounder und ein Dynamic Positioning System, um Beschädigungen des Grunds mit Anker zu vermeiden. Tauchequipment für seine Frau sollte vom Beachclub achtern gut zugänglich und von dort aus bequem ins Wasser tragbar sein, während sein U-Boot die dynamische Silhouette nicht stören sollte. Und dazu galt es, keinesfalls die magische Grenze von 499 Gross Tons (Heft 6/2023) zu überschreiten. Bei derart vielen Anforderungen verwundert es nicht, dass Projekt „Adur“ doch über 40 Meter hinauswuchs. Schlussendlich landete „Milele“, was auf Swahili „für immer“ bedeutet, bei fast genau 45 Metern.
Für das schnittige, coupéhafte Design wurde Omega Architects mit Frank Laupman beauftragt. Entgegen dem Trend zu offenen Heckbereichen gibt sich „Milele“ zumindest während der Fahrt hochgeschlossen – der Beachclub offenbart sich erst bei hinuntergeklappter Badeplattform. Der bisherigen Erfahrung des Eigners folgend, dass das Hauptdeck achtern vor allem zum Ausziehen oder Anziehen der Schuhe und zum Sonnenbaden während Passagen genutzt wird, hält dieser Bereich mit einer Liegefläche und Sitzgruppe augenscheinlich keine Überraschungen parat. Eine für maritime Zwecke eher ungewöhnliche, aber offensichtlich praktikable Lösung stellen hingegen die elektrisch ausfahrbaren Markisen dar. Vor zu viel Sonne schützen diese ebenfalls auf den beiden Decks darüber, die jeweils über optisch geschickt verborgene Stufen erklommen werden. Ihnen folgend empfangen auf dem Oberdeck achtern ein gläserner, nach der Idee des Eigners angefertigter Esstisch und Stühle der Schweizer Manufaktur de Sede bis zu zehn Gäste. Oberhalb der Tafel integrierte Heizstrahler sorgen selbst in Norwegen oder Alaska für wohlige Wärme.
Nach Backbord und Steuerbord schließende Glaspaneele halten störenden Wind fern. Eine Wetbar, hochwertige Lautsprecher und frei stehende Loungemöbel von B&B Italia fehlen hier ebenso wenig wie auf dem Sonnendeck darüber. Unter dem Geräteträger fällt vor allem der runde Jacuzzi auf. Diese nicht aufblasbare, jedoch transportable Variante von Softtub aus den USA bereicherte relativ spät im Baufortschritt das ohnehin schon lange Lastenheft und ist vor allem für die ursprünglich nicht „eingeplanten“ Enkelkinder des Eigners gedacht. Weder technisch noch regulatorisch stellt diese unkonventionelle Lösung eine Herausforderung dar – zumindest solange „Milele“ wie konzipiert rein privat genutzt wird.
Komplett zertifiziert ist hingegen das „U-Boat Worx Nemo“, mit dem der Eigner samt „Milele“-Kapitän oder -Offizier bis zu 100 Meter tief abtauchen kann. „Beide Crewmitglieder durchliefen eine intensive Ausbildung“, weiß Sven Stark zu berichten. Der Projektmanager von Zucker & Partner, Yacht-Consultants aus Hamburg, übernahm zusammen mit Stefan Zucker die Eignerrepräsentanz Ende 2019, als der Rumpf bereits fertiggestellt war und mit den Aufbauten begonnen wurde. Zusätzlich zu den nahezu wöchentlichen Reisen zu Hakvoort in Monnickendam standen ebenfalls regelmäßige Besuche bei U-Boat Worx in Breda, südlich von Rotterdam an. „In die Umsetzung der technischen Bauspezifikation waren wir intensiv involviert“, blickt der studierte Schiffbauingenieur zurück und ergänzt: „alle Sicherheitsanforderungen sind erfüllt.“
Trivial war dies allerdings nicht, verlangte der Eigner doch auch in diesem Bereich eine ebenso funktionelle wie ästhetische Kombination. So behütet eine große und nach vorn öffnende Luke nicht allein das 2,5 Tonnen wiegende U-Boot plus den entsprechenden Kran, sondern zudem den elektrischen Crewtender vom Typ Zar ZF2. Hinzu kommt ein fast sechs Meter langer Castoldi Jet 19 und ein E-Jetski Taiga Orca, die achtern zwischen Motorenraum und Beachclub auf ihre Einsätze warten. Ganz vorn stützt die XXL-Luke im geöffneten Zustand außerdem eine Leinwand, die auf dem Vordeck mithilfe eines Beamers Freiluftkino-Abende ermöglicht. Bei geschlossener Klappe wirkt die Bugpartie optisch schier und hält doch eine weitere, wenn auch vollmechanische Überraschung parat: Zwischen zwei Holmen lässt sich eine Hängematte aufspannen.
Vom Vordeck führt die Tour an Bord von „Milele“ auf die Brücke mit direkt anschließender Kapitänskabine. Die insgesamt neunköpfige Crew profitiert vom immens hohen Standard und papierlosen Betrieb der Yacht mit redundanter Technik. Für Hakvoort stellte die erste Ablieferung mit Hybridantrieb zwar eine sehr große Herausforderung dar, bewährte Komponenten erfahrener Zulieferer halfen der Traditionswerft jedoch bei der erfolgreichen Umsetzung. Dazu zählen insbesondere die zwei je 2580 Kilowatt starken MTU-Zwölfzylinder vom Typ V4000 M93L sowie zwei E-Motoren mit je 110 Kilowatt Leistung. Letztere ermöglichen neben dem leisen Fahrmodus eine transatlantische Reichweite bei geringem Verbrauch und das ankerlose Halten der Position im Zusammenspiel mit Bug- sowie Heckstrahlruder. In ihrer Funktion als Booster sorgen die Elektromotoren für beeindruckende 25,5 Knoten in der Spitze.
PTO- und PTI-Technologie trägt ihren Teil zur Effizienzsteigerung bei und sorgt im vergleichsweise kompakten, aber serviceorientierten Motorenraum dafür, dass während der Fahrt einer der zwei Generatoren gewartet werden kann. Bei dem Spagat zwischen geforderter Effizienz und Höchstgeschwindigkeit half Hydrodynamik-Experte Perry van Oossanen mit seinem Team und dem „Hull Vane“. Der starre Flügel sitzt unterhalb des Hecks und erzeugt als eine Art Unterwasser-Spoiler Auftrieb und optimiert den Trimm des schnellen Alu-Verdrängers. Das Foil entstand statt aus Stahl aus Carbon, da so fünf Tonnen Gewicht gespart wurden. Was zur Folge hat, dass „Milele“ die erste Yacht mit einem Hull Vane aus Carbon ist.
„Der Kunde war in jedes noch so kleine Detail involviert – das ist für eine 45 Meter lange Yacht sehr ungewöhnlich“, fasst es der Hamburger Eignervertreter Sven Stark zusammen. „Allein im ersten Monat nach Übernahme des Projektes wurden ziemlich genau 1000 E-Mails zwischen dem Kunden und der Werft geschrieben. In jedes Detail sind seine Gedanken eingeflossen und es wurde das Beste herausgeholt.“ Das gilt insbesondere für das Interieur, das in enger Zusammenarbeit von Eigner und Designer Martin Hanff entstand, der gelernter Tischlermeister und Innenarchitekt ist. Mit seiner Detailverliebtheit und Hartnäckigkeit spornte er die erfahrenen Ausbauexperten von Ruiter Quality Interiors zu Höchstleistungen an. Und davon zeugt „Milele“ auf jedem Deck, in jedem Bereich, in jeder Ecke. Bei der Auswahl des Holzes entschied sich der Eigner für zwei sehr kontrastierende Varianten von Ulmenholz-Furnier, das eine heller und unauffälliger, das andere dunkler und deutlich strukturierter. In der Skylounge auf dem Oberdeck wurde das helle Holz bevorzugt verbaut, um verbunden mit eleganten Ledermöbeln des Schweizer Unternehmens de Sede, den bodentiefen Fensterpaneelen und dem großformatigen TV eine luftige und einladende Atmosphäre zu erzeugen.
Diese Atmosphäre erzeugt der Hauptsalon ein Deck tiefer mit den gleichen Ingredienzien. Auch hier präsentiert sich „Milele“ gemütlich, dabei nicht minder elegant und überaus hochwertig. Der Eigner fühlt sich in Gesellschaft seiner Familie und seines engsten Freundeskreises am wohlsten. Daher begnügt sich auch der größere der beiden Salons mit einer überschaubaren Anzahl von Sitzmöglichkeiten. Nach vorn fungieren Sideboards beidseits als Raumteiler sowie Blickfang. Ihre konkaven und konvexen Formen finden sich in den hinterleuchteten Deckendomen sowie auf dem Boden wieder. Außerdem beherbergen beide Seiten Kühlschränke auf Augenhöhe mit ausgewählten Flaschen aus der privaten Weinsammlung. Überaus präsent ist auch das Gemälde des Künstlers und ehemaligen Kunstfälschers Wolfgang Beltracchi. Ein Seeungeheuer-Motiv – ein Original, keine Kopie – schmückt den Esstisch für acht Personen, dessen Platte aus dunklem Ulmenholz aus der Maserknolle besteht. Das Furnier mit den gespiegelten Bildern findet sich ebenfalls in der Eignersuite wieder. Deren Eingangsbereich mit Schreibtisch hält viel Stauraum parat. Neben dem Bett bietet die Loggia an Steuerbord auch während der Fahrt eine Frischluftoption und wird durch die abgeklappte Bordwand bei Stillstand zu einem Balkon. Das Bad nimmt die gesamte Rumpfbreite mit zentraler Regenwalddusche ein und zeigt Details wie lederne Schrankgriffe in Creme und Braun jeweils mit dem „Milele“-M als Edelstahl-Applikation.
Im runden Treppenhaus zeugen die streifigen Holzfurniere von einer herausragenden Verarbeitungsqualität, die sich bis in die drei Gästekabinen des Unterdecks erstreckt. Auch sie profitieren von der großzügigen Kopffreiheit und Bemessung, die bei Formaten unter 500 Gross Tons Innenraumvolumen naturgemäß und im Speziellen bei „Milele“ mit ihrer umfangreichen technischen Ausrüstung nicht selbstverständlich ist. Der angestrebten Yachtnutzung mit Familienmitgliedern und engen Freunden folgend beschränkt sich die Anzahl auf zwei nahezu identische VIP-Suiten mittschiffs und auf eine Kabine davor mit Etagenbett für die Enkel des Eigners.
Da keine weiteren Schlafmöglichkeiten vorgesehen sind, wird der übrige Raum als Gym genutzt. Selbst hier legte der Eigner höchsten Wert auf Material- und Verarbeitungsqualität der Holzverkleidung und Bullaugen. Die Sportstätte zugunsten einer zusätzlichen Gästeunterkunft zu opfern wäre mit überschaubarem Aufwand möglich, ist aber auf absehbare Zeit nicht vorgesehen. Denn sofern es seine geschäftlichen und familiären Termine zulassen, möchte der Eigner mit „Milele“ zu einer mehrjährigen Weltreise in See stechen. Das Potenzial dazu scheint allemal in der beinahe 46 Meter langen Ausnahmeyacht zu schlummern. „In Anbetracht der möglichen Geschwindigkeiten liegt sie superruhig im Wasser“, berichtet Consultant Sven Stark, der den Eigner während der Garantiephase weiter intensiv betreut, aus erster Hand. Sein Resümee: „Die Schnittstellenthematik machte das Projekt sehr spannend. Durch den sehr engen Kontakt mit dem Kunden war es eines der anspruchsvollsten Projekte. Zugleich war und ist die Wertschätzung durch den Eigner herausragend.“