Es ist gut möglich, dass ein Arbeitseinsatz an Bord von „Nebula“ die Ansprüche vieler Crews nachhaltig verändert. Der Doppelrumpfer von Astilleros Armon fährt als Begleitschiff eines 100-Meter-Formates über die Meere, bietet aber ganz offensichtlich weit mehr als ein schwimmender Transporter. „Ein Crewmitglied, das schon seit Jahren auf Yachten arbeitet, meinte zu mir, es hoffe, dass hier nie Newcomer anfangen“, erzählt Kirsten Schwalgien lachend, „die bekämen ja eine vollkommen falsche Idee von einem Crew-Interieur“.
Die deutsche Innenarchitektin und Designerin mit Sitz in Barcelona hat mit den fast 70 Metern der Gattung Shadowyacht in mehrfacher Hinsicht eine Krone aufgesetzt. Angefangen beim Layout und der Ausstattung der Innenräume: extra breite Betten, große Kabinen und dann dieser Salon – eine XL-Lounge mit zusätzlichen Rückzugsräumen, davon eine schallgeschützte Telefonzelle mit Sitzbank und Tisch. „Der Kunde wollte nicht, dass sich die Crew an Bord zweitklassig fühlt“, erklärt Schwalgien, „er wünschte sich, dass die Areale die gleiche Qualität haben, wie auf dem Mutterschiff.“ Gerade die kleinen Räume seien wichtig, viele Crewmitglieder studieren nebenbei oder bilden sich weiter. „Sie können für Meetings genutzt werden, ein Kartenspiel oder für einen Zoom-Call mit der Familie“, zählt sie die Möglichkeiten auf.
Kein Wunder, dass die Crew darüber glücklich ist und das Feedback bisher positiv. Viel Wert legte die Designerin zudem auf die Beleuchtung der Kabinen, mehrere Stimmungen sind ferngesteuert machbar. Auch Tageslicht strömt dank üppig bemessener Fensterflächen reichlich ins Innere der Räume, selbst in die Crewmesse. „Die ist der Wahnsinn“, sagt Schwalgien überzeugt, „der Raum hat eine lange Glasfront wie sonst nur in Eignerbereichen.“
„Nebula“ ist nach „Hodor“ (66,20 m, 2019) und „Wayfinder“ (67,90 m, 2021) der dritte Cat aus der Support-Vessel-Serie der nordspanischen Werft, auch er greift das Grundprinzip eines praktischen XL-Stauraums plus Heli-Landeplatz auf. Das zeigt sich schon bei dem effizienten Rumpf der Konstrukteure von Incat Crowther, einem australischen Schwergewicht in der Welt schwimmender Nutzfahrzeuge. Das große Plus an Bord von „Nebula“ ist natürlich die Heli-Garage, die besonders von der 15,90 Meter breiten Alu-Konstruktion profitiert und getreu dem Schwalgien-Prinzip eines „ehrlichen Designs“ alles andere als versteckt wurde.
„Wir reden im Team immer noch davon, dass wir die Yacht um den Hangar herum designt haben“, berichtet die Studiochefin. Wie ein Container thront der dunkelgrau lackierte Kasten am Heck und zieht sich in der Höhe über zwei Etagen der Aufbauten. Das Volumen sei so immens, dass der mitgeführte Airbus H145 voll einsatzfähig darin stehen könne, mit komplett ausgeklappten Rotorblättern. „Der Hangar wurde geplant als klimatisierte 15 mal 12 Meter große Box mit einer Höhe von bis zu 4,50 Metern“, erklärt Pascal Schumacher, Projektmanager bei den Yacht Naval Architects (YNA). Das Team um Direktor Christoph Kuhnert hat seinen Sitz in Hamburg und koordinierte das Vorhaben mit den Eignervertretern von Waterproof, setzte die Designideen um und hielt auch bei der Realisierung des Schattens die Fäden in der Hand.
Beim Styling geht „Nebula“ allerdings einen großen Schritt weiter. Die Außenlinien geben sich typgerecht kantig, zeigen aber einen eleganten Zwei-Farben-Kontrast mit einem dunklen und einem sehr hellen Grau. Dazu kommt der markante Zierstreifen, der sich auf halber Höhe fast über die gesamte Länge zieht: „Das Orange als Akzent kam als Wunsch des Kunden“, erläutert Kirsten Schwalgien. Absolut selbstverständlich leuchtet die Farbe innen weiter, punktuell eingesetzt auf den Nummernschildern der Türen, auf den Betthauptbezügen, Tischgestellen oder den schmalen Acrylstreifen, die die Bücher in den Regalen halten.
Mit der Einrichtung schmückt Oliver Design aus Bilbao seine Referenzliste. Eine Shadowyacht müsse nicht ganz wie eine Superyacht aussehen, aber Charakter haben, eine Identität, auch für die Menschen, die darauf arbeiten. Laut Schwalgien sollte das Interieur auch nicht immer weiß oder beige sein, sie wisse gar nicht, „wo die Angst vor Farbe im Yachtbereich herkommt“. Zu viel gäbe es zwar auch hin und wieder, aber bei manchen Projekten könne man schon mehr machen, „ohne gleich vollkommen über die Stränge zu schlagen“.
Der Schlüssel für ein gutes Gesamtkonzept liege darin, Interieur und Exterieur an ein Designteam zu vergeben: „Das macht Sinn und sieht am Ende viel harmonischer aus.“ Insgesamt käme die Bedeutung langsam in der Szene an. Früher saß Schwalgien oft in Meetings und hörte – selbst von anderen Designern – Kommentare wie: „Das ist ja nur ein Shadowboot, da ist der Look nicht so wichtig.“ Schwalgien sieht das komplett anders: „Wie kann das unwichtig sein?! Das ist ein Multimillionen Euro teures Produkt, und der Kunde schaut sogar die meiste Zeit auf seine Supportyacht, sogar deutlich häufiger, als auf seine Yacht.“ Zum Glück habe sich die Lage gebessert, dabei sagt die Wahl-Spanierin ganz klar: „Wir haben ein B-Interieur gebaut, aber wir haben angefangen von B-Plus zu reden. Weil der Standard viel höher ist als normalerweise bei diesen Schiffen.“ Da bleibe für sie auch die Frage, wie viel A-Interieur man überhaupt brauche, viele Kunden kämen heute aus der Tech-Branche, die wollen keine klassische Yacht-Innenausstattung. So lebten sie zu Hause auch nicht. Die neuen Shadowyachten seien eine Möglichkeit, da Bewegung reinzubringen.
Dass Funktionalität und Design gut zusammengehen, zeigt sich auch bei dem 12,30 Meter langen Tender, den Schwalgiens Team „von innen und außen entwarf“. Der von Compass Tenders in Großbritannien gebaute Katamaran kann bis zu 15 Passagiere transportieren und erreicht mithilfe der Yanmar-Motoren plus Hamilton Waterjets eine Spitzengeschwindigkeit von 40 Knoten. Dabei sieht er aus wie eine Miniatur-Ausgabe seiner Mutter, dem Shadow Cat. Dass Cat im Englischen auch für Katze steht, lieferte die Vorlage für eine originelle Namensgebung. „Viele Freunde nennen mich Kitty“, erklärt Kirsten Schwalgien. „Dann ging es los mit Kitty und Shadow Cat und schließlich Shadow Kitten.“ Daraufhin übernahmen Compass und dann der Eigner die Bezeichnung, die so viel heißt wie Schatten-Kätzchen. Dass die „Kleine“ gut zehn Tonnen verdrängt und per Kran über die Seite auf das Achterdeck gehievt werden muss, ist dabei Nebensache.