Die maritime Nutzung der Nuklearenergie wird „seeläufig“ mit U-Booten und Eisbrechern in Verbindung gebracht. Kernenergieantriebe wurde aber auch kommerziell und für Forschungszwecke eingesetzt, so recht Fahrt nahm sie auf See nicht auf. Die US-Regierung stellte 1962 die 182 Meter lange „NS Savannah“ in Dienst, als eines von nur vier jemals gebauten atomgetriebenen Frachtschiffen. Bis 1971 fuhr sie als Demonstrationsvehikel auf Fracht- und Passagierrouten, sehr hohe Betriebskosten standen einem geringen kommerziellen Wert und begrenztem Hafenzugang gegenüber.
Von 1968 bis 1978 legte das Nuklearschiff „Otto Hahn“ im Auftrag der Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt 650.000 Seemeilen zurück. Mit dem Antriebssystem aus leicht angereichertem Uranbrennstoff, Druckwasserreaktor und Dampfturbine durften die Forscher aber nur wenige Häfen anlaufen.
Feadships Beitritt zur Nuclear Energy Maritime Organization (NEMO) drückt zunächst ein Interesse an der Technologie aus. Dem Zusammenschluss mit Sitz in London gehören bereits Werften wie Vard, der Schweizer Technologiekonzern ABB oder Klassifikationsgesellschaften wie DNV oder Lloyd’s Register an. NEMO nimmt regelmäßig an der Generalkonferenz der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) teil. Man sei ein geschätzter Gesprächspartner in der Debatte über nachhaltige Entwicklung und Transparenz im Nuklearsektor und setze sich gemeinsam mit führenden Politikern, Wissenschaftlern und Entscheidungsträgern aus aller Welt für verantwortungsbewusstes Umweltmanagement und Innovation ein.
Mit der zunehmenden Reife von Kernreaktoren der vierten Generation gewinnt die schwimmende Nukleartechnik in der maritimen Branche an Aufmerksamkeit. Potenzielle Anwendungen ab Mitte der 2030er Jahre umfassen schwimmende Kraftwerke für die Produktion synthetischer Kraftstoffe wie Methanol sowie emissionsfreie Antriebssysteme für die größten Schiffe der Welt. Für Feadship ist es nach eigenen Angaben entscheidend, eine sich offen gegenüber solch transformativen Technologien zu zeigen. Durch gezielte Forschungs- und Entwicklungsarbeit hat das Unternehmen bereits das Potenzial nuklearer Antriebe für Yachten untersucht und dabei technologische, regulatorische und betriebliche Implikationen analysiert.
Obwohl wirtschaftliche und personalbezogene Herausforderungen weiterhin erheblich sind, bleibt das Fehlen klarer Regularien das Haupthindernis für die Einführung nuklearer Systeme im Yachting. Fragen wie Strahlungsgrenzwerte, Fahrten in ökologisch sensiblen Zonen und der Zugang zu Häfen in dicht besiedelten Gegenden müssten geklärt werden, bevor Nuklearsysteme realistisch eine Rolle in der Yachtindustrie spielen könnten.
Für Feadship sind Zusammenarbeit, Transparenz und proaktive Regulierung Schlüsselelemente für eine nachhaltige maritime Energiezukunft. NEMO werde mit maritimen Regulierungsbehörden, Klassifikationsgesellschaften und Versicherern zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die geltenden Normen auf schwimmende Kernkraftwerke angepasst werden.
„Yachting hat schon immer davon gelebt, die Zukunft der Technologie auf See voranzutreiben“, so Giedo Loeff, Leiter für Innovation und Strategie bei Feadship. „Der Beitritt zu NEMO steht im Einklang mit unserer Vision, jeden glaubwürdigen Weg zu einer nachhaltigen Zukunft zu erkunden. Nuklearenergie mag nicht die Lösung für Superyachten von morgen sein, aber sie könnte Teil des langfristigen Horizonts werden – und es ist unsere Verantwortung, diese Möglichkeit auf sichere und nachhaltige Weise mitzugestalten.“
Eine realistischere Rolle der Kernenergie in der Schifffahrt und im Yachting wäre laut La Colla die Herstellung von grünem Wasserstoff oder Methanol in Anlagen an Land oder in Küstennähe zur Verwendung als kohlenstofffreie Kraftstoffe.
Bereits 2012 beschäftigte sich Feadship im Rahmen des Konzeptdesigns „Relativity“ mit Kernenergie. „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ein Kernspaltungsreaktor technisch gesehen gebaut werden kann, der an den verfügbaren Platz auf einer Yacht angepasst und so dimensioniert ist, dass alle Betriebsbedingungen berücksichtigt werden“, sagt Bram Jongepier, Senior Specialist Feadship De Voogt Naval Architects.
Der im „Relativity“-Konzept vorgesehene Reaktor ist ein Hochtemperatur-Niederdruck-Salzschmelzenreaktor, der mit Thorium betrieben wird. Ein ähnliches Antriebskonzept legte die norwegische Ulstein-Werft für ein selbstversorgendes E-Schiff mit Thorium-Flüssigsalzreaktor zugrunde. Feadship hätte die vom Reaktor abgegebene Wärme mit Hilfe von Helium-Gasturbinen mit hohem Wirkungsgrad und geschlossenem Kreislauf zum Antrieb der Generatoren in mechanische Energie umgewandelt. Die Technologie war jedoch nicht ohne weiteres verfügbar und bewegte sich ebenso auf regulatorischem Neuland.