Text von Risa Merl, Sören Gehlhaus
Wenn Paris Dragnis eine neue Yacht baut, versucht er immer auch sich selbst zu übertrumpfen – in Länge und in Bauqualität. Den beeindruckenden Beweis dafür liefert am Kai ihrer Athener Heimatmarina liegend „O’Ptasia“, beim Stapellauf 2019 das nach Länge und Raumvolumen größte Format, das bis dato die Hallen seiner Werft verließ. Aber es ist eben nicht nur die schiere Größe, mit der die 2350 Grosstons aus der Riege gleich langer Yachten hervorsticht. Das Golden-Yachts-Flaggschiff baut auf zwölf sukzessiv optimierten Vorgängern auf und überzeugt durch die Liebe zum Detail, die Ausdruck von Dragnis’ großem persönlichen Engagement ist: vom voll klimatisierten Beachclub über das gut 50 Quadratmeter große Gym auf dem Brückendeck bis hin zur konsequenten Geräusch- und Vibrationsreduktion.
Für die 85 Meter wandte sich Dragnis erneut an Giorgio Vafiadis. Beide Männer sind zum bereits an Bord und sprechen über ihre Freundschaft und die fast 25 Jahre währende Zusammenarbeit, als BOOTE EXCLUSIV im Jahr 2019 an Bord der “O’Ptasia” sein durfte . Auf der einen Seite vertraut Dragnis dem Yachtdesigner mit Sitz in Rom vorbehaltlos, ist aber stets stark involviert in den Bauprozess und bringt sich mit seinem eigenen Stil ein. Genau dieses Zusammenspiel starker Meinungen erzeugt letztlich die gestalterische Harmonie an Bord ihrer Projekte. Dragnis etwa bevorzugt helle Farben, während Vafiadis gern mit dunklen Hölzern arbeitet. Diesem Kompromiss ordnet sich auch das Interior von „O’Ptasia“ mit Ebenholz und hellen Stoffen unter.
„Unsere erste Yacht war ,O’Pari‘, und seitdem haben wir viele Projekte umgesetzt“, sagt Golden-Yachts-Gründer Paris Dragnis über die Kooperation mit Studio Vafiadis. „Ich mag es sehr, Dinge gemeinsam mit Giorgio zu erschaffen. Es ist wie in einer Familie – da gibt es großartige Momente, ab und an Streitereien, aber am Ende küssen und vertragen wir uns.“ Dass die Yachten immer größer werden, ist eine Sache, Dragnis ist aber vor allem stolz auf die kurzen Bauzeiten. In Piräus wird „rund um die Uhr“ und in zwei Schichten gearbeitet, die Liste der Subunternehmer liest sich international.
Die Elektronik kommt aus den USA, die Interiors entstehen in Italien, und den Fahrstuhl liefert ein deutsches Unternehmen. Doch Dragnis legt auch Wert darauf, seine Landsleute zu unterstützen, und beschäftigt bei voller Auslastung 400 Griechen. Die Kombination aus globaler Expertise und lokalen Arbeitskräften senkt die Kosten, Dragnis betont aber: „Unsere Preise sind attraktiv, aber wir sind nicht günstig.“
Dragnis kommt aus der kommerziellen Schifffahrt und fuhr jahrelang als Kadett zur See. „Zuletzt war ich Kapitän, die See ist in meinem Blut“, sagt der Werfteigner. „Schon als kleiner Junge zog es mich aufs Meer, von dem wir nur 100 Meter entfernt wohnten. Das Leben in einer Villa, sei sie noch so schön, gefällt mir nicht zwangsläufig. Setzen Sie mich auf ein kleines Boot, und ich bin glücklich.“
Als er sich eine eigene Reederei aufgebaut hatte und die Geschäfte liefen, leistete sich der Selfmademan seine erste Yacht und vergrößerte sich nach und nach. „Yachting war früher ein Hobby, und jetzt ist mein Hobby zum Geschäft geworden – eines, das ich sehr liebe.“ Sein reicher maritimer Erfahrungsschatz prädestiniert ihn als Leiter der eigenen Werft. „Mein Reederei-Hintergrund hat mich gelehrt, auf solide Konstruktionen zu setzen. Das ist auch der Grund, warum Golden Yachts nie größere Probleme hatte. Das ist kein Zufall, sondern fußt auf Erfahrung.“
Weil er Yachten seit vielen Jahren selbst als Eigner nutzt, hat Dragnis genaue Vorstellungen, welche Annehmlichkeiten und Qualitäten aus einer guten Yacht eine sehr gute Charteryacht machen. An Bord von „O’Ptasia“ ist das ein Feature-Reichtum, der keine Langeweile aufkommen lässt, in erster Linie aber der flüsterleise Betrieb, sogar bei der Höchstgeschwindigkeit von 18,2 Knoten. „Der für mich wichtigste Aspekt ist die Dämmung“, hebt Dragnis hervor. „Ich wollte eine Yacht schaffen, auf der man nicht hört oder spürt, dass sie in Bewegung ist.“
Die drastische Senkung der Geräusch- und Vibrationsemissionen erzielte Golden Yachts durch eine vierschichtige Dämmung. Giorgio Vafiadis wirft ein, dass ein Akustik-Ingenieur die Spezifikationen festlegte. Das Resultat ist eine Verbesserung der Geräuschwerte um 35 Prozent im Vergleich zu „O’Pari³“, der gut 13 Meter kürzeren Vorgängerin. Yachten, deren Namen mit O sowie Apostroph beginnen, davon hatte Dragnis 2019 bereits 13 gebaut, alle konsequent auf Charterbedürfnisse ausgerichtet. Seither sind noch deutlich größere Formate wie eine weitere “O’Pari” oder “Project X” hinzugekommen.
Die meisten seiner Projekte beginnt der Unternehmer weder mit Kundenauftrag im Rücken noch in der Hoffnung, vor dem Launch einen Eigner zu finden. Stattdessen platziert Dragnis seine Yachten unmittelbar nach Fertigstellung auf dem Chartermarkt und lässt sie vom Schwesterunternehmen Atalanta Golden Yachts managen, das sein Sohn John führt.
Das gleiche Geschäftsmodell kommt auch bei „O’Ptasia“ zum Tragen. Die 85 Meter waren bereits für die erste Sommersaison gebucht, als nur Renderings existierten. Zur Yachtmesse 2019 im griechischen Nafplion war sie der unangefochtene Charterstar. „Das zeigt, wie sehr Kunden – meist kommen sie immer wieder – ihm vertrauen“, erklärt Vafiadis und fährt fort: „Sie fragten, was sich als Nächstes im Bau befinden wird, und waren bereit, erneut zu unterschreiben.“ Sogar drei ernsthaft an einem Kauf Interessierte aus Dragnis’ treuer Kundschaft meldeten sich bei ihm.
Doch wie ihre vielen Schwesterschiffe fährt „O’Ptasia“ zunächst einige Jahre im Charterbetrieb, bevor Dragnis sie veräußert. Er selbst wird sie für ungefähr zwölf Tage im Jahr nutzen. Natürlich ist es angenehm, dass das Chartergeschäft die laufenden Kosten deckt. Wichtiger aber ist Dragnis, dass er für ein paar Jahre Zugriff auf seine neuen Yachten hat. So kann er bequem an Bord Verbesserungsideen sammeln und neue Pläne für das nächste Projekt schmieden. Außerdem: „Die Rückmeldung von Charterkunden zeigt, wo wir nachbessern müssen. So bauen wir eine Yacht, die nicht nur zehn Prozent des potenziellen Klientels anspricht, sondern 90 Prozent.“
Eine unmittelbare Konsequenz aus dem Kundenfeedback ist der mit Heckplattform etwa 13 Meter lange Beachclub. Dragnis weiß, dass jeder, der sich erst einmal auf eine Yacht eingelassen hat, dem Meer so nah wie möglich sein möchte – manchmal auch ohne ins Wasser springen oder sich der Sonne aussetzen zu wollen. Das brachte ihn auf die Idee einer Glastür mit einem großen klimatisierten Loungebereich dahinter. Der Beachclub beherbergt jeweils in separaten Räumen eine Sauna und einen Massageraum. Dem gesunden Zeitgeist entsprechen dürfte die Bar, die neben Drinks frische Säfte und Smoothies auftischt. Auf Wünsche von Yachturlaubern gehen außerdem das Touch-and-go-Helipad für einen Eurocopter 145 zurück sowie kleinere Lösungen wie die beheizten Marmorböden in den Bädern.
Giorgio Vafiadis und sein Sohn Stefano arbeiteten gemeinsam die äußere Gestaltung und das Innendesign von „O’Ptasia“ aus, ihrer elften Yacht für Golden Yachts. „Er mag weiche, aber moderne Linien“, beschreibt Vafiadis den Geschmack von Dragnis. „Das Design muss zeitlos sein, auch noch nach Jahren aktuell wirken.“ Sein Exterior umreißt der Designer wie folgt: „Betrachtet man das Profil, hat es den Eindruck, als würde sich Wasser in Zeitlupe über eine elegant-strenge Silhouette bewegen und eine bemerkenswerte Geometrie formen.“
Das italienische Designstudio stellte dem geschwungenen Äußeren ein modernes Interior mit klaren Kanten gegenüber. „Die Innenräume sollten ruhig, einfach und entspannend wirken“, erklärt Vafiadis. „Die Oberflächen sind clean, ohne viele Accessoires oder Raum für Unordnung.“ Für die Dekoration bedienten sich die Gestalter bei Fendi, Armani/Casa und anderen italienischen High-End-Marken.
Der Hauptsalon verfügt über zwei getrennte Sitzbereiche, sodass sich Gruppen unterschiedlicher Größe vermischen können. „Dieses Layout schafft intime Bereiche“, berichtet Vafiadis. „Bei Familien weiß ich in der Regel, wie sie den Salon nutzen. Auf Charteryachten aber weißt du nicht, wer kommt oder wie die Menschen zueinander stehen.“
Lediglich eine Anrichte trennt den Salon vom Speisetisch für 16 Personen. Der imposante Tisch ist ein Blickfang aus Ebenholz mit einem Onyxstein in der Mitte. „Paris besteht auf Abwechslung, auch bei den Hölzern“, kommentiert Vafiadis den Innenausbau, den von der Polsterung bis zu den Edelstahlarbeiten ausschließlich italienische Subunternehmer besorgten. „Sie mieten meistens einige Häuser während der Bauphase, und Golden Yachts überwacht sorgsam die Arbeiten. Die Interiors durchlaufen drei Checks: wenn sie als Mock-up in Italien aufgebaut werden, während des Einbaus und zum Schluss vor der Ablieferung“, beschreibt Dragnis seine Form von Qualitätsmanagement.
„O’Ptasia“ ist nach Bureau Veritas und MCA klassifiziert und besitzt ein ganz klar auf Chartererfolg ausgerichtetes Layout. Auf ihr nächtigen 22 Gäste in elf Kabinen, von denen zwei klassischen Eignersuiten entsprechen. Leider sind die Unterkünfte an den Türen durchnummeriert. Glücklicherweise sorgte Vafiadis dafür, dass das Kreuzfahrt-Feeling nicht lange anhält. „Wichtig sind warme Farben und interessante, dynamische Räume mit nachvollziehbaren Laufwegen. Es ist wichtig, sich natürlich auf der Yacht bewegen zu können“, erklärt der Designer und ergänzt: „Die Verschmelzung von Innen- und Außenbereichen verstärkt das Gefühl, sich auf einer Yacht zu befinden.“
VIP-Ambiente vermitteln außerdem die drei Boardingmöglichkeiten, per Heli über das Vorschiff, mit dem Tender über das Heck oder über die Tendergarage mittschiffs. Die Enge und Weite der Flure versuchte Vafiadis aufzubrechen über farbenfrohe Kunstwerke und weiße, mit Lasergravur behandelte Wandpaneele. Die Wände der Gästekabinen werden von Stoffen oder Eukalyptusholz bedeckt, die jeweils grau eingefärbt sind. In den Bädern verwendet Golden Yachts zum einen pentelischen Marmor, wie er im Parthenon auf der Akropolis zum Einsatz kam. „Der ist ideal, weil er kein Wasser aufnimmt“, wirft Vafiadis ein.
Zum anderen findet grüner Marmor Anwendung, der von der südägäischen Insel Tinos kommt. Obwohl clean und aufgeräumt gehalten, erscheint das Interior nie langweilig. Den farblich neutralen Textilien wirken reichlich Farbspritzer entgegen, allen voran in Form kühner Kunstwerke. In den Bädern sind es Mosaike, sonst ist es knallige Pop-Art und Texturen, die man sofort anfassen möchte. Einer der interessantesten Orte an Bord ist die pyramidenförmige Lichtinstallation im ansonsten schwarzen Aufzug. In den schwach beleuchteten Lift zieht ein leuchtendes lilafarbenes Dreieck, das selbst Ein-Etagen-Fahrten zum Vergnügen macht.
Was Schifffahrt angeht, ist Griechenland bisher besser bekannt für große Handelsflotten als für den Yachtbau – aber genau das will Dragnis ändern. Nur konsequent also, dass er und Vafiadis bereits das nächste Exponat griechischer Yachtbaukunst planten, als die “O’Ptasia” noch ganz neu war. „Paris liebt die Projektarbeit, er will jeden Konstruktionsschritt begleiten“, sagt Vafiadis. Sobald eine Yacht fertig ist, schiebt er sie gedanklich zur Seite und macht Platz für die nächste.
Er gibt ein bemerkenswertes Detail preis: Golden Yachts hat ein neues modulares Dock in Betrieb genommen, das ohne Weiteres 100-Meter-Neubauten aufnimmt. „O’Ptasia“ war für Golden Yachts also nur der erste Schritt einer natürlichen Entwicklung, nicht nur immer größere, sondern auch bessere Formate abzuliefern. „Unsere nächste Yacht könnte problemlos 105 oder 110 Meter lang sein“, sagt Dragnis sinnierend und fügt geradezu kämpferisch an: „Ich beweise gern, dass ich auch die ganz großen Projekte umsetzen kann.“
Dieser Artikel erschien in der BOOTE Exclusiv-Ausgabe 06/2019 und wurde von der Redaktion im September 2023 überarbeitet.