„Renaissance“Üppige Vertreterin der Giga-Klasse kommt mit größtem Yacht-Gym

Sören Gehlhaus

 · 06.10.2024

Ruhender Riese: Die Galizier von Freire Shipyard  bauten den Koloss nach  gestalterischen Vorgaben  von Bannenberg & Rowell.  Der 112-Meter-Kasko entstand in Norwegen.
Foto: Burgess Yachts
Dass „Renaissance“ 112 Meter lang wurde und sich der Übererfüllung von Charter-Erwartungen verschrieben hat, verwundert nicht. Es ist die erste eigene Yacht eines Ehepaares, das über drei Jahrzehnte Gast an Bord war. BOOTE EXCLUSIV checkte in Genua ein.

Bedarf es eines eindeutigeren Beweises wahrer Größe? Wenn „Renaissance“ in Genuas Marina am Flughafen einfährt oder sie verlässt, ruht der gesamte Flugverkehr des Aeroporto Cristoforo Colombo. Alles steht still und lässt die Königin ziehen. Diese Vorsichtsmaßnahme schreibt Flight Control nicht etwa ob ihrer Länge von beinahe 112 Metern vor, die Höhe ist der entscheidende Faktor. Von Wasserpass bis Geräteträger misst der Sechsdecker 42 Meter. „Wir befinden uns quasi auf der Startbahn“, sagt Kapitän Gordon Campbell schmunzelnd auf dem Heli-Pad. Und tatsächlich ist das Rollfeld nur 100 Meter entfernt, Turbinen heulen auf, der Duft verbrannten Kerosins liegt in der Luft.

„Renaissance“ namenhaft in der Giga-Klasse

In Kombination mit der Breite von 18 Metern ergibt sich eine Kubatur, die beeindruckt. Mit 7200 Gross Tons zählt „Renaissance“ zu den üppigeren Vertreterinnen der Giga-Klasse und ließe sich konträr zum Namen eher dem Barock zuordnen. Zum Vergleich: „Rising Sun“, die 138-Meter-Lürssen aus der Feder Jon Bannenbergs, kommt auf ein Innenraumvolumen von 7840 Gross Tons. „Renaissance“-Designer Dickie Bannenberg, der mit Bannenberg & Rowell außen wie innen entwarf, gibt scherzhaft Auskunft: „Wir können nicht nachrechnen, wie viele Londoner Busse in ,Renaissance‘ passen würden, das wäre jedenfalls unsere Faustformel. Aber es müssen viele, viele Garagen voll sein.“ Für das britische Büro war es das größte Projekt in der Studiogeschichte, dem man versuchte das Riesenhafte etwas zu rauben. Simon Rowells Mittel der Wahl waren abgeschrägte, teils hervortretende Kanten, die eine Art Stealth-Effekt erzeugen und die Decks nicht wie eine schnöde lange Bandfassade wirken lassen.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Warum die 112 Meter derart voluminös wurden? „Vor sieben Jahren begannen wir ein Gespräch mit einem Ehepaar, das seit vielen Jahren Yachten gechartert hatte. Sie nahmen ein außerordentlich ambitioniertes Yachtprojekt in den Blick – mit Platz für 36 Gäste“, erzählt Dickie Bannenberg. Er übernahm das Faible für Großprojekte von seinem Vater Jon Bannenberg. In der Tat umspannt „Renaissance“ zwei Studio-Epochen: Die Eigner besitzen noch immer die Zeichnung einer 42-Meter-Yacht, die Jon Bannenberg vor fast 40 Jahren für sie angefertigt hat, die aber nie umgesetzt wurde.

Vor „Renaissance“ kam es nie zum Bau einer eigenen Yacht, wohl aber zu zig Urlauben an Bord von Hochkarätern des Chartermarktes. Die Folgen waren einige unumstößliche Anforderungen, die sich aus persönlichen Vorlieben und Trends vergangener drei Jahrzehnte speisten. Der Idealentwurf einer Charteryacht, wenn man so will. Mit einem Deck nur für die Eigner, riesigem Gym- und Spa-Areal, Sushi-Bar, Pizzaofen, Kino mit 19 Sitzen und großzügigem Beachclub. Dazu kamen hohe Decken in allen Kabinen, ein zehn mal fünf Meter großer Pool und Kulinarik-Stationen auf allen Ebenen. Auf „Renaissance“ wirkt alles größer: seien es Flure, Laufdecks oder die Handläufe der Reling, die so dick sind wie ein kleines iPhone hoch.

Einklang an Bord

Dem Riesen nähert man sich am besten von ganz oben. Im Rücken der Brücke liegt der mit 20 Sitzplätzen größte Außen-Speiseplatz, den zwei Barbecue-Stationen und eine DJ-Kanzel einrahmen. Auf Wunsch klappt ein TV aus der Decke. Der Steuerstand hat kommerzielle Ausmaße, und doch wurde die Gäste-Lounge etwas nach achtern auf Höhe der Steuerbord-Nock ausgelagert und durch eine Schiebetür abgetrennt. „Meiner Erfahrung nach verlassen viele Gäste die Brücke nach kurzem Plausch recht schnell wieder. Der separate Bereich ist etwas informeller und besser zum Entspannen geeignet“, so der Captain, der bereits auf einem 300-Meter-Plus-Kreuzfahrer und einer 130-Meter-Yacht anheuerte. Campbell, der sich das „Renaissance“-Kommando mit einem Kollegen in Rotation teilt, betreute jüngst einen mehrmonatigen Werftaufenthalt bei Amico in Genua. Er betont, wie wichtig es bei solch einem Großformat sei, die Systeme feinabzustimmen, damit Klimaanlage oder Fußbodenheizung perfekt in Einklang liefen.

Auf dem Eignerdeck darunter schmeichelt den Füßen zudem der Flor von Seidenteppichen. Spätestens hier wird man der gigantischen Abmessungen gewahr; die Beletage erstreckt sich vom Speise- und Lounge-Areal achtern bis zum Jacuzzi vorn auf eine Länge von 55 Metern. Alles, was dazwischen liegt, bauten die Südtiroler Tischler von Höller aus, wohingegen beim Großteil der Innenräume die spanische Firma Cándido Hermida zum Zug kam. Oben auf der Farbskala standen Taupe, Beige und Creme – neutrale Töne, die dem Gros der Gäste gefallen sollen. Es gibt wenig Hochglanzflächen und Bannenberg & Rowell-untypisch keine Edelstahlakzente. Stattdessen mattes Leder und Bronze-Elemente in Holzmöbeln und -türen.

In der Schlafstätte mit Bug-Blick offenbaren Sitzgelegenheiten zu den Flanken des Betts die verschwenderische Raumnutzung. Schwere Vorhänge dunkeln ab. Sie werden wie das Licht oder die Temperatur über iPads verstellt. Auch die Crew wird darüber gerufen oder über wasserdichte Bluetooth-Armbänder, die jeder Gast erhält. Auf schnurgebundene Telefone wollte der Eigner hingegen nicht verzichten. Statt Fernsehern in der Schlafstätte entschied man sich für eine TV-Lounge direkt dahinter, von der die zwei Bäder mit identischem Grundriss und jeweils mit Wanne abgehen.

Die Eigner-Etage komplettieren begehbare Kleiderschränke und ein Büro für sie. Er schaltet und waltet drei Decks tiefer in unmittelbarer Nähe zum Hauptsalon und neben einem Business-Center mit vier Arbeitsplätzen. Auf das Hauptdeck verteilen sich zudem vier VIP-Suiten jeweils mit Balkonen, von denen sich die zwei vorderen dank Schrankbetten zu zwei Extra-Kabinen abschotten lassen. Dazu kommen zehn Doppelkabinen auf dem Unterdeck sowie zwei kleinere Kabinen mit Einzelbetten, die sich etwa für Nanny oder Personal Trainer eignen. Alle Gäste-Unterkünfte sind über Schilder benummert und zudem einer Stadt oder Insel zugewiesen, die sich in einer Fotografie über dem Bett zeigt. Zusätzliche Orientierung liefern identische Kunstwerke, die sich in unterschiedlichen Farben auf den Decks zeigen. Ein zentraler Gästefahrstuhl von Otis verbindet die einzelnen Ebenen.

Passenger Yacht Codes nimmt Einfluss

„Renaissance“ entstand gemäß des Passenger Yacht Codes (PYC). Dahinter verbirgt sich ein Katalog an Vorgaben, die erfüllt sein müssen, um bei nichtkommerzieller Nutzung 36 statt der sonst erlaubten zwölf Passagiere an Bord nehmen zu dürfen. PYC zieht beträchtlichen Mehraufwand nach sich, der Technik wie Gestaltung beeinflusst. Maßnahmen betrafen unter anderem wasserdichte Schotten, strenge Vorgaben für Stabilität und Crew-Quartiere sowie umfassenden Feuerschutz. Hier sei der Passus „eingeschränkte Verwendung von brennbarem Material“ hervorzuheben. Hinzu kamen Fluchtwege und breite Flure mit Handläufen sowie IMO-konforme Rettungsboote, die auf den Laufdecks lagern.

Für Freire war es eine PYC-Premiere und die erst zweite Superyacht nach der 2011 verabschiedeten „Naia“ (74 m). Die Galizier verstehen sich auf Spezialschiffbau und ließen den Stahl-Alu-Kasko bei Kleven in Norwegen schweißen. Pläne lieferte das norwegische Konstruktionsbüro Marin Teknikk, das die ebenfalls halb von Kleven gebauten „Multiverse“ und „Andromeda“ berechnete. Die beiden Explorer wurden wie „Renaissance“ mit nicht vollständig gespachtelten Rümpfen ausgeliefert. Sie erhielten ihr Yacht-Finish erst ein Jahr später. Dadurch wollte man den Schweißnähten Zeit geben, „sich zu setzen“.

Mehr als 600 Personen an „Renaissance“ beteiligt

Im nordspanischen Vigo arbeiteten mehr als 600 Personen an „Renaissance“, wobei Freire mehr als nur eine Schiffbauhalle stellte und sich nicht auf das Managen der Zulieferer beschränkte. „Freire hat viele Dinge selbst in die Hand genommen. Deshalb ist einiges wie die Brücke eher kommerziell geworden“, so Kapitän Gordon Campbell. Auch die Antriebseinheit von Kongsberg treibt bislang nur wenige Yachten an. Die Norweger lieferten zwei Azipull-Pods mit Zugpropellern und jeweils 2500 Kilowatt Maximalleistung. Den benötigten Strom erzeugen fünf je 1840 Kilowatt starke CAT-Gensets, die – so denn 641 000 Liter Diesel im bis zu 5,10 Meter tief reichenden Tankdeck schwappen – bei zwölf Knoten Nonstop-Fahrten von bis zu 8600 Seemeilen Länge gestatten.

Unter Volllast erreicht der Koloss 16 Knoten. „Wir haben eine Menge zusätzlicher Leistung. Dank Pods können wir uns bei 60 Knoten Wind seitwärts bewegen.“ In seiner Kreuzfahrtzeit dirigierte Campbell sogar drei Antriebs-Pods und betont: „Man kann die Windangriffsfläche auch zu seinem Vorteil nutzen und sich etwa vom Wind aus der Marina herausdrücken lassen.“ Zum Anlegen müssten zehn Besatzungsmitglieder an Deck sein, vier vorn, zwei in der Mitte und vier hinten.

Fünf Generatoren sorgen auf „Renaissance“ für die Autonomie der Systeme, zu denen ein Paar Flossenstabilisatoren zählt. Die Hilfsaggregate können aber auch die Ruderpropeller antreiben. So cruist Campbell mit zwei großen und einem kleinen Generator und schafft mit zwei Großen 11,5 Knoten. „An der Amalfiküste lasse ich nur einen kleinen Generator laufen, weil die Distanzen so gering sind.“ Bei zwölf Knoten Marschfahrt beträgt der Verbrauch 1125 Liter pro Stunde – ein Wert, den Burgess auch für das Flaggschiff der Charter-Flotte angibt. Denn die Kraftstoffkosten sind in der wöchentlichen Nutzungsrate nicht enthalten.

„Die Pods senken den Verbrauch massiv“, sagt Gordon Campbell. Statt der teils üblichen 20 Prozent APA, so heißt die Vorausgebühr (Advance Provisioning Allowance), verlangt Burgess für „Renaissance“ 30 Prozent von der drei Millionen Euro hohen Rate. Darin enthalten auch der Proviant. „Die APA kann aber auch hochgehen, je nach den Ansprüchen der Charterer“, betont Burgess‘ Charter-Managerin Caroline Taylor im Hauptsalon. Allein die APA übersteigt die Gesamtkosten für die einwöchige Charter eines 60-Meter-Formats.

Zielgruppe und Destinationen der „Renaissance“

Zum Zeitpunkt des Besuchs hatte die 45-köpfige Crew noch keine Chartergäste an Bord begrüßt, wohl aber zwei bezahlte Reisen in Aussicht: eine für zwei Wochen am Stück und eine mit 24 Personen. Vorstellbar wären Mehrgenerationen-Urlaube, Hochzeiten oder Incentives. „Es ist neu für uns, eine Yacht dieser Qualität und mit dieser Vielzahl an Kabinen im Portfolio zu haben“, so Charter-Profi Taylor. Die meisten Gäste ziehe es an die Amalfiküste, nach Sardinien oder St. Barth. In die Karibik geht es im Winter 2024/2025, ein Jahr später könnte eine etwas „abenteuerlichere Destination“ anstehen, „entsprechende Nachfrage vorausgesetzt“. Für hohe Breitengrade ist die Freire-Giga gerüstet, der Stahlrumpf hat das Prädikat Eisklasse 1D erhalten.

Hoch frequentiert bei ersten Törns mit Eigner und Gästen sei das Spa gewesen, das die Ebene über dem Hauptdeck belegt. Die Chef-Stewardess berichtet aus dem Friseursalon mit zwei Plätzen und Waschbecken: „Nebenan gab es Massagen, oder die Gäste bekamen eine Pediküre. Sie legten sie sich hin, oder sie kamen zur Maniküre hierher.“ Nach Backbord locken Sauna, Dampfbad und zwei Plunge Pools, einer mit warmem und einer mit sechs Grad kühlem Wasser. Viele Crewmitglieder hätten Doppelqualifikationen, darunter Spa-Therapeutin, Friseurin oder ein Personal Trainer.

Das größte Yacht-Gym und eine 180-Meter-Außenlaufstrecke

„Wir haben einen Yogalehrer an Bord und würden, egal zu welcher Tageszeit sie Yoga machen wollen, alles vorbereiten“, so die Chief Stew. Der Fitness-vernarrte Eigner wünschte sich das größte Gym, das es je auf einer Yacht gegeben hat. Es hat in etwa die Maße des großen Salons und ist erwartungsgemäß überkomplett ausgestattet. Das „Renaissance“-R prangt auf diversen Freihanteln, und die Decken sind so hoch, dass die Laufbänder keine Rezesse benötigen. Achtern wartet ein Jacuzzi, der mit 1,40 Meter ungewöhnlich tief ausfällt. Passenderweise erlaubt das Spa-Deck 180 Meter lange Jogging-Ausflüge im Karree. Hinzu warten zwei Ösen an der Decke auf Boxsäcke.

Ein Deck tiefer formt die Galerie eine Art Laufsteg, der zu einem weiteren Verweilbereich und Außenrundtisch mit fünf Meter Durchmesser führt. Im als Atrium gedachten Salon darunter geben Bannenberg & Rowell einen direkten Verweis auf die namensgebende Kunstepoche: In den Ecken strahlen hinterleuchtete Buntglasfenster jeweils mit einer Jahreszeit-Interpretation der britischen Künstlerin Grace Ayson. Die Raumtrenner im zentralen Gang enthalten gewebtes Metall von Sophie Mallebranche. An der Tafel dahinter speisen backbords bis zu 30 Personen, gegenüber frönt man dem Ennui oder der lockeren Unterhaltung.

Davor ist räumlich getrennt die „All that Jazz“-Bar angesiedelt, mit exquisiter Cognac-Kollektion vor transluzentem Onyx und entsprechenden Instrumenten. „Intim, stimmungsvoll und vor allem gesellig, bietet sie großzügige Sitzgelegenheiten und Trompeten. Diese mussten natürlich im Studio getestet werden. Diverse zerbrochene Glasscheiben wurden ersetzt, und die Katzen aus der Nachbarschaft sind zu ihren Besitzern zurückgekehrt“, scherzt Dickie Bannberg. Aus der Jazz-Bar ergibt sich eine glänzende Aussicht auf das Flugfeld des genuesischen Aerodroms. Dort zu landen und ohne Umweg über das Terminal „Renaissance“ zu boarden, bleibt eine Fantasievorstellung. Im Yachting ist vieles, genau das beweisen die 112 Meter, aber eben auch nicht alles möglich.


Technische Daten

Bild 1
Foto: Werft
  • Länge über alles: 112 m
  • Länge Wasserlinie: 98,40 m
  • Breite: 18 m
  • Tiefgang: 5,10 m
  • Gross Tonnage: 7200 Gross Tons
  • Material: Stahl, Alu
  • Motoren: Caterpillar, 5 x 1415 kW
  • Geschwindigkeit (max.): 16 kn
  • Geschwindigkeit (Reise): 12 kn
  • Generatoren: 5 x Caterpillar
  • Reichweite @ 12 kn: 8600 sm
  • Kraftstoff: 641 000 l
  • Wasser: 167 000 l
  • Gäste: 36
  • Crew: 45
  • Konstruktion: Marin Teknikk
  • Exterieurdesign: Bannenberg & Rowell
  • Interieurdesign: Bannenberg & Rowell
  • Klasse: Lloyd’s Register
  • Werft: Freire Shipyard, 2023
  • Charter: Burgess, ab 3 Mio. Euro p.W.

Meistgelesen in der Rubrik Boote