Boote Exclusiv
· 30.09.2024
Ein Text von Norman Kietzmann
Wenn es immer so einfach wäre! „Der Charakter eines Bootes muss in drei Strichen fassbar sein“, ist Mauro Micheli überzeugt. Seit 1994 verantwortet er mit seinem Büro Officina Italiana Design die Linienführung sämtlicher Riva-Modelle. Und die lassen sich mit dieser Formel tatsächlich treffend beschreiben. Es geht um die Prägnanz der Erscheinung – und die zeigt sich wie bei den Porträtmalereien der Renaissance vor allem in einer Perspektive: im Profil. Nichts lenkt aus diesem Blickwinkel ab. Die Silhouette bringt das Wesen eines Bootes auf den Punkt.
Der neueste Coup aus Michelis Feder ist die 82’ Diva. Die Herausforderung bestand darin, gleich mehrere Gegensätze unter einen Hut zu bringen. Einerseits soll die Yacht eine elegante Erscheinung mit einem dynamischen Auftritt vereinen. Andererseits soll der Flybridge-Gleiter mit einer Länge von 25,29 Metern den Eindruck von Weite erzeugen. Wie das gehen soll? Ganz einfach: „Um eine geschmeidige, stromlinienförmige Linie zu kreieren, haben wir der Ausbalancierung des Volumens große Aufmerksamkeit gewidmet. Alle Stilelemente sind so konzipiert, dass sie ein Gefühl von Leichtigkeit vermitteln und die Formen niemals beschweren. Keine Kleinigkeit bei einem Schiff dieser Dimensionen“, erklärt Mauro Micheli, der 1959 bei Bergamo am Fuße der Alpen geboren wurde.
Anstatt der Yacht die Anmutung eines schwimmenden Apartmentgebäudes zu geben, bei dem sich die einzelnen Stockwerke wie Schichten eines Kuchens übereinanderstapeln, wählt er einen raffinierten Zugang. Er versteckt die Größe des Volumens, indem er die Lesbarkeit der einzelnen Ebenen an Bord unterbricht. Dies gelingt durch ein grafisches Element, das die beiden Rumpfseiten akzentuiert: eine markante Verglasung in Form eines quadratischen „C“, dessen Unterseite weiter in die Horizontale gezogen ist als die Oberseite. Dadurch wirkt die gläserne Fashionplate wie ein Echo auf die rückseitig auskragende Flybridge und das sich darüber erhebende Hardtop, dessen Farbigkeit mit der getönten Scheibe korrespondiert.
„Um die sportliche Seite zu unterstreichen, haben wir einige funktionale wie auch ästhetische Elemente entlang des Profils eingeführt. Die längliche C-Form des Rumpffensters unterstreicht das schlanke Profil der Yacht und lässt andererseits Licht in den Innenraum eindringen. Ein weiteres Sportelement sind die gepunkteten Lufteinlässe“, macht Mauro Micheli deutlich. Trotz aller Schnittigkeit wird an Bord zusätzlicher Platz gewonnen. Der große Heckbereich kann durch seitlich ausklappbare Schanzkleider um mehr als drei Meter Breite vergrößert werden, ein Feature, das hier zum ersten Mal an Bord einer Riva zum Einsatz kommt. Das Cockpit ist mit zwei gegenüberliegenden, längs angeordneten Sofas ausgestattet, die den Übergang vom Salon zum „Beachclub“ flankieren.
„Die Außenbereiche sind die unbestrittenen Stars des Designs. Sie sind großzügig und bis ins kleinste Detail durchdacht, um sowohl einen üppigen Komfort an Bord als auch einen direkten Kontakt mit dem Meer zu garantieren“, so Riva-Gestalter Micheli. Direkt unterhalb der Sonnenliege am Achterdeck wurde die Garage platziert. Hier werden Beiboot, Wasserspielzeuge und andere Dinge sauber verstaut. Zugleich entsteht ein ordentliches Raumgefühl im Freien. Eine Badeplattform kann direkt ins Wasser abgesenkt werden, zwei weitere Sonnenbetten sind im Bugbereich angeordnet. Hinzu kommt im vorderen Teil der Flybridge eine weitere Plattform zum Sonnenbaden, die mit einem eindrucksvollen Rundumblick punktet. Sie wird durch die Frontscheibe vor starken Fahrtwinden geschützt, während das Hardtop für Schatten sorgt.
Obwohl sich der Rumpf zum Bug dynamisch verjüngt, ist es gelungen, ein großzügiges Innenraumvolumen zu schaffen. „Diese helle, geräumige Atmosphäre ist einigen cleveren Designentscheidungen zu verdanken, darunter ein hoher Tagesbereich, der mehr Platz unter Deck bietet, und die Positionierung des Essbereichs, sodass dieser einen privilegierten und ganz besonderen Blick auf das Meer hat“, erklärt Mauro Micheli. Der Wohnraum wird durch eine zweistufige Treppe von der Esszone abgetrennt, ohne die Offenheit des Raumgefüges durch eine Wand zu unterbrechen. Die 40 Zentimeter höhere Ebene verstärkt die visuelle Kommunikation mit dem Cockpit. Sie wirkt wie eine Terrasse, die sich über dem Salon erhebt. Ein Schiebefenster stellt die Verbindung mit der Galley her. Wird die Scheibe geschlossen, verstärkt sie den Ruhefaktor am marmorverkleideten Tisch. Im geöffneten Zustand können die Blicke vom Esstisch weiter auf den Steuerstand und dort durch die große Windschutzscheibe zum Bug wandern.
„Es ist unmöglich, nicht von der hellen, luftigen Geräumigkeit des Salons und der Haupt- und Gästekabinen beeindruckt zu sein“, so Mauro Micheli selbstbewusst. Wobei sich das Interieur zurücknimmt. Klare Hell-Dunkel-Kontraste bestimmen den Wohnraum: Italienischer Nussbaum und Wenge treffen auf weiße Teppiche und Polsterbezüge. Graublaue Kissen setzen Tupfer maritimer Farbigkeit. Die Eignersuite spannt sich über die gesamte Breite und erhielt dank der zweistufigen Treppe eine Ebene höher eine auf 2,25 Meter angehobene Decke. Daraus ergibt sich eine Freiheit, die Yachten dieser Größe sonst nicht zu bieten vermögen. In die Wölbung des Bugs schmiegt sich eine VIP-Kabine. Ein Mittelgang erschließt zwei weitere Kabinen, die jeweils mit zwei Einzelbetten ausgestattet sind und wie alle Gästeunterkünfte über ein eigenes Bad verfügen. Ein verbindendes Element definieren die gepolsterten Kopfteile der Betten. Sie sind mit schwarzem Leder bezogen und in quadratischen Feldern abgesteppt. „Reißerische Effekte überzeugen uns nicht. Denn sie laufen Gefahr, die Lebensdauer zu verkürzen. Für uns muss die Yacht Bestand haben“, erklärt Micheli bestimmt.
Mit der Welt der Yachten kam der Absolvent der Mailänder Kunsthochschule Accademia di Brera 1984 durch einen Wettbewerb von Riva in Berührung, den er für sich entscheiden konnte. Er wurde Konstruktionsassistent im technischen Büro der Werft. Zehn Jahre später übernahm er die Gestaltung sämtlicher Rivas und gründete dafür zusammen mit Sergio Beretta das Büro Officina Italiana Design. Bis heute ist Mauro Micheli Designchef. Sein 1968 in Brescia geborener Partner leitet das Unternehmen als Geschäftsführer. Die Entwicklung einer neuen Riva-Yacht ist für das Duo eine Frage der Evolution.
Sämtliche Modelle für die Werft wandeln auf den Spuren der ikonischen Aquarama aus dem Jahr 1962 – sozusagen der Ur-Riva schlechthin. Sie markierte den Durchbruch für das Unternehmen, das 1842 in Sarnico am südwestlichen Ende des Iseosees gegründet wurde. Mit ihrem schlank zulaufenden Heck, ihrer rotbraunen Mahagoni-Beplankung sowie der gepolsterten Sonnenliege im unverwechselbaren Riva-Türkis avancierte die Aquarama zum berühmtesten Boot der Welt. Das Portfolio der Werft ist heute deutlich weiter gefasst: Es spannt einen Bogen von kompakten Baureihen wie der acht Meter langen Iseo bis hin zu den 30-Meter-Modellen Riva 110’ Dolcevita und der Riva 130’ Bellissima. Zum Gründungsstandort in Sarnico ist eine exzellente Werft im ligurischen La Spezia hinzugekommen, die metallene 50Metri entsteht in Ancona an der Adria.
Wie gut die Chemie zwischen Officina Italiana Design und Riva stimmt, zeigte sich jüngst in der Verlängerung des Vertrages um weitere fünf Jahre bis 2030. „Officina Italiana Design ist ein Renaissance-Atelier, das sich durch ein hohes Maß an Innovation auszeichnet und die Formel für zeitlose Eleganz gefunden hat“, sagt Alberto Galassi, CEO der Ferretti-Gruppe, zu der Riva seit dem Jahr 2000 gehört. Mauro Micheli und Sergio Beretta erfreuen sich derweil nicht nur an Yachten, sondern sind auch leidenschaftliche Sammler von zeitgenössischer und antiker Kunst. Der Sinn für Schönheit gilt für sie an Land ebenso wie auf dem Wasser.