Da liegt sie nun im Hafen von Monaco, die lang erwartete Nummer eins der neuen Halbverdränger-Linie SD132. „Andiamos“ beige-grau und weiß schimmernde Lackierung glänzt in der Morgensonne. Die Heckklappe steht weit offen und gibt den Blick auf einen Beachclub mit quer stehendem Bartresen frei, der damit erste Anzeichen auf die lange Liste der Besonderheiten verrät.
Während die Crew noch die Relings der 40,70 Meter putzt, drängeln sich erste Besucher an der Gangway. BOOTE EXCLUSIV darf vorab auf dieses besondere Baby von Sanlorenzo einen Blick werfen, fünf Monate bevor das Zuccon-Design sein offizielle Debut auf dem Yachting Festival in Cannes geben wird. Und knapp vier Monate nach der Wasserung.
Die Sanlorenzo SD132 setzt der Semi-Displacement-Linie die Krone auf, das allererste Modell kam 2005 als „Navetta“ (italienisch für Schiffchen) auf den Markt und wurde nach der Übernahme der Werft durch Massimo Perotti entwickelt. Nun also ist die 132 das neue GFK-Flaggschiff der Marke und soll beweisen, dass es den Stahl-Alu-Modellen – von denen die Werft in La Spezia etwa mit der 74Steel weitaus größere Formate baut – durchaus das Wasser reichen kann. Launch einer 50Steel.
Steifheit, Widerstandsfähigkeit und Stabilität könnten in Komposit ähnlich gut sein, und die Kunden fragen es nach. Der CEO der Marke, Tommaso Vincenzi, geht hier noch mehr ins Detail: „Verbundwerkstoff bietet eine ideale Balance zwischen Gewicht, Leistung, Haltbarkeit und Wartungsfreundlichkeit.”
Die Entscheidung für Kunststoff, auch in diesem Größensegment, hätte allerdings zunächst eine beträchtliche Anfangsinvestition für Sanlorenzo bedeutet. „Insbesondere für den Formenbau, der bis zum Vier- oder Fünffachen des Preises der Rumpf und Aufbauten kosten kann”, erklärt Vincenzi.
Es sieht so aus, als hätte es sich gelohnt. Anfang April, noch vor der Erstvorstellung, waren fünf Stück des 420-Tonners verkauft. Ziemlich ungewöhnlich für eine 40-Meter-Yacht, die noch niemand kannte oder zuvor gesehen hat. Die Kunden, zu diesem Zeitpunkt alle aus Europa, sind „Familie“. Sie sind also bereits überzeugte Sanlorenzo-Eigner, die sich auf die Qualität der Marke verlassen und quasi blind zugegriffen haben. Einige Wochen später, Ende April, war die Zahl der Verkäufe schon auf sechs gestiegen. Über die Nummer sieben liefen Verhandlungen. Die SD132 scheint ins Schwarze zu treffen.
Was die Eigner bekommen, ist in erster Linie ein ungewöhnliches, asymmetrisches Layout, das die nutzbare Innenraum-Fläche in den Salons aufzieht und die 8,47 Meter Breite optimal ausnutzt. Auf dem Hauptdeck gibt es somit nur an Backbord ein Seitendeck, vom Cockpit bis etwa mittschiffs – mit Zugang zur Pantry. Auf dem Oberdeck zieht sich der Gang an Steuerbord von achtern bis zum Bug. Was das heißt: mehr Platz und zumindest einseitige Meeresnähe für die Gäste und trotzdem separate Crew-Wege, die mit diesem Konzept auch noch breiter als sonst ausgefallen sind.
„Andiamo“ geht in den Chartermarkt, was nicht bedeutet, dass Sanlorenzo die SD132 explizit daraufhin geplant hat. Das Konzept sieht ebenso private Eigner vor, die Komfort für lange Reisen suchen. „Das Layout und die technischen Lösungen wurden so entwickelt, dass sie sich an beide Szenarien anpassen lassen”, erläutert Vincenzi.
Von den aktuellen Kunden hätte sich die Hälfte dazu entschieden, nicht zu verchartern: „Stattdessen möchten sie die Yacht mit großen Familien nutzen und wünschten viele Kabinen und großzügige Räume.“ Bis zu vier Suiten sind auf dem Unterdeck möglich, die Eigner residieren in einem 55 Quadratmeter großen Gemach im vorderen Teil des Hauptdecks.
Zuccon International Project sprach beim gesamten Design maßgeblich mit, entwickelte Linien, Layout und Interieur - und soll dies bei den kommenden Exemplaren ebenfalls tun. Und so geht bei der SD132 neben den asymmetrischen Salon-Layouts auch die ungewöhnliche Strandfläche auf ihr Konto: „Der Beachclub ist der erste in der SD-Reihe, der sich nach drei Seiten öffnet. Und vom Cockpit aus fällt der Blick ungehindert auf das Wasser, ohne jegliche Barrieren. All das holt das Meer an Bord“, erklärt Bernardo Zuccon.
Die Bar in der Mitte des Raums sei so konzipiert, „dass sie sich mit dem Licht verändert: tagsüber hell und dynamisch, abends intim und raffiniert.“ Bei ausgeklappten Seitenterrassen dürfen sich hier die Gäste über insgesamt 70 Quadratmeter verteilen.
Den Pool platzierten die Gestalter auf dem Vordeck - ein Ort, der früher auf den meisten Yachten als „Technikbereich“ diente, wenig genutzt und selten „erlebt“ wurde. „Heute spielt das Vordeck eine viel zentralere Rolle und ist mit neuen Funktionen und Bedeutungen angereichert“, so Zuccon weiter, „dieser Perspektivwechsel zeigt sich deutlich bei den Navettas. Das Vordeck wird zum Protagonisten, der genauso genossen werden soll wie der Rest der Yacht.“ Dass die Gäste hier baden gehen, ist also kein speziell erdachtes Feature, sondern „eine natürliche Entwicklung eines Ansatzes für mehr Lebensqualität an Bord“.
Die Galley mit ihren vier Kühlschränken und Miele-Ofen zeigt sich als geschlossener Raum, der aus zwei Richtungen erreichbar ist: über die Pantry neben dem Salon oder über ein separates Treppenhaus zu den Crewunterkünften auf dem Unterdeck. Diese Aufteilung hat durchweg praktische Gründe, hier gehe es um optimalen Service und Effizienz, um die Wahrung der Privatsphäre der Gäste und damit ihren Komfort. „Die SD132 hat eine relativ große Crew, und es ist wichtig, einen Arbeitsbereich zu schaffen, der die Gäste nicht beeinträchtigt“, erläutert Zuccon die Idee mit seinen Worten.
Das Interieurdesign von „Andiamo“ überrascht mit Zurückhaltung, der konsequent natürliche Look basiert vor allem auf Holz, Marmor und Leder. Der Verzicht auf glänzende Oberflächen sei auch eine funktionale Entscheidung. Auf einer Yacht, die für den Charterbetrieb bestimmt ist, sei eine einfache Wartung Teil des Gesamtkomforts.
Zuccons Farbauswahl fiel auf Erdtöne und Materialien mit auffallenden Texturen, die die Gäste auf „eine sensorische Reise durch die Yacht“ einladen. „Ich schlage den Leuten immer vor, an Bord zu kommen und die Augen zu schließen. Durch den Tastsinn wird die Seele des Projekts erst richtig wahrgenommen“, erklärt Zuccon, „unbehandeltes Holz, Leinen und natürliche Oberflächen drücken eine Ästhetik aus, die nicht schreien muss, um gehört zu werden“.
Bei den Hölzern entschied sich das Kreativ-Team für drei Arten, die eine visuelle Tiefe schaffen und zugleich stilistische Kohärenz. Die niedrigen Schränke fertigte die Werft aus antiker Eiche, die Wände sind mit gebleichtem, subtil gemustertem Nussbaum von Alpi verkleidet. Und der Fußboden besteht aus gebürsteter europäischer Eiche Select von Cadorin. Zuccon: „Der Ansatz war nie dekorativ, sondern zutiefst sinnlich. Jedes Material wurde so gewählt, dass es Authentizität ausstrahlt, eine Geschichte erzählt.“
Ein besonderer Blickfang im Salon ist ein Paneel, dessen Oberfläche historische Ornamente zeigt und so Spuren der Vergangenheit evoziert. Bei näherem Hinsehen zeigt sich ein kunstvolles Handwerk aus fein strukturiertem Stuck. Es stammt aus der Reihe “Memorie” der italienischen Künstlerin Alice Corbetta. Bernardo Zuccon lernte sie vor zwei Jahren kennen: „Ihre Kunst besteht aus einfachen, sehr aussagekräftigen Gesten, die auf die Sprache der Innenräume des SD132 abgestimmt sind“.
Mittlerweile hat der Werftkapitän die beiden CAT C32 Motoren gestartet – MAN-Pakete sind auch möglich - und steuert den 285-Tonner mit fünf bis sechs Knoten auf die wellenlose Bucht vor Monaco. Bei fast völliger Windstille haben einige der Anwesenden unter Deck nicht einmal gemerkt, dass die kleine Probefahrt schon angefangen hat.
Im Ruderhaus der Sanlorenzo SD132 verraten die Anzeigen, was seit der Ablieferung bisher passierte. 452 Seemeilen hat „Andiamo“ zurückgelegt, am Ende des kurzen Ausflugs werden es 455 sein. Bisher erreichte Maximalgeschwindigkeit: 17,7 Knoten, und damit etwas mehr als in den Papieren (17 Knoten) angegeben.
Der „Andiamo“-Kapitän, Tomislav Petric, steht interessiert daneben und begibt sich dann entspannt auf das Vordeck, wo der kleine Pool noch abgedeckt ist. Petric und seine kroatische, achtköpfige Crew werden die Eigner und Chartergäste über die Meere steuern, zunächst durch heimische Gewässer bis im Spätsommer die Messesaison beginnt.
Petric spricht gerne über das Yachtprojekt, das er zwei Jahre lang intensiv begleitet hat und das nun endlich schwimmt. „Das ist schon meine sechste Sanlorenzo“, erzählt er, „direkt davor hatte ich eine 118“. Auf seinem neuen Arbeitsplatz beeindrucken ihn vor allem die Fahreigenschaften, auf dem Weg nach Monaco sei das Wetter heftig gewesen, „zum Glück haben wir die Flossenstabilisatoren“.
Auch die Ruhe an Bord von „Andiamo“ genießt er: „Das ist ja hier GFK, und es ist leiser als auf anderen Yachten.“ Dann lobt Petric noch den reichlich vorhandenen Raum an Bord: „420 Gross Tons, wenn man das mit den 40-Meter-Yachten anderer Werften vergleicht, haben die etwa 370 GT.“
Eine letzte Frage brennt noch auf den Nägeln: Warum gibt es im Ruderhaus keinen einzigen Steuermannsessel, stattdessen nur eine Art gepolsterten Bügel als Rückenlehne? Ohne Umschweife kommt die Antwort: „Das habe ich so gewollt. Ich ziehe es vor, aufrecht zu arbeiten.“
Etwas leiser fügt er noch hinzu, dass er auf einer früheren Yacht mal einen Offizier auf dem Sessel mit geschlossenen Augen vorgefunden habe und seitdem keine sitzenden Rudergänger mehr sehen wolle. Außerdem gebe es für den zweiten Steuermann – oder interessierte Gäste – dahinter ein Sofa, von dem aus man das Geschehen gut im Blick habe.
Für die Sanlorenzo SD132 sieht Tomaso Vincenzi eine rosige Zukunft voraus. Der Bereich zwischen 40 und 50 Meter werde in den nächsten Jahren ein wichtiges Marktsegment sein und Sanlorenzo reagiere darauf. „Wir arbeiten daran, den Kunden eine größere Wahlfreiheit zu bieten, indem sie sich etwa zwischen Metall und Verbundwerkstoffen entscheiden.“ Darüber hinaus stehe die Weiterentwicklung der SD-Linie in Bezug auf Nachhaltigkeit auf der Agenda, etwa mit hybriden Antrieben.
Doch es geht noch weiter bei Sanlorenzo. Ziel sei es, die Produktpalette um neue Modelle zu erweitern, die „die zeitlose DNA der SD-Linie bewahren und gleichzeitig modernes Design und Innovationen einbeziehen.“ Für Vincenzi gehe es um nicht weniger als die Erwartungen der Eigner und die Markttrends von morgen: „Auf die muss man gut vorbereitet sein.“