Die oben genannten Merkmale klingen eigentlich nach einer 60 Meter messenden oder noch längeren Yacht mit deutlich über 500 Gross Tons. Doch bei der „Serenissima I“ – kurz S1 genannt – sind es lediglich 499 Gross Tons, die der sehr erfahrene, tschechische Eigner äußerst geschickt vom Designbüro Nuvolari Lenard auf 47 Meter Länge komprimieren ließ. „Dank ihrer Reichweite von 4.000 Seemeilen, aber auch dank ihrer kompakten Größe stehen der S1 zahlreiche Destinationen offen“, skizziert Carlo Nuvolari die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten auch abseits des Mittelmeeres und erläutert: „Erreicht wurde dieses vielseitige Designpaket, ohne Kompromisse zu machen. Mit mehr als drei Jahrzehnten Erfahrung konnten wir zahlreiche Ideen von unseren deutlich größeren Superyacht-Projekten auf die S1 übertragen.“
Sein Partner Dan Lenard hebt zudem die gelungene Verbindung zwischen den maskulinen Aspekten wie dem kraftvollen, hohen Bug und den femininen Linien des schlanken Profils hervor. Traditionell geht es dem venezianischen Designstudio nicht allein um die Ästhetik. Davon zeugt bereits das Heck, wo backbords auf dem Hauptdeck eine Riva Ariston mit der Nummer 131 parkt beziehungsweise repräsentativ zur Schau gestellt wird. Durch die darüber nahezu unsichtbar integrierten 2,6-Tonnen-Kräne und die Lounge-Möbel an Steuerbord ist dieser Bereich weit mehr als ein bloßer „Abstellplatz“ der von Riva generalüberholten Preziose.
Selbstverständlich ließe sich hier auch nahezu jeder andere Tender im Sieben-Meter-Format transportieren. Dem exklusiven Charakter und dem erlesenen Geschmack des jetzigen Eigners würde alternativ zur Riva wohl allenfalls ein ebenso wertvoller Oldtimer auf vier Rädern genügen, der an gleicher Stelle zum seitlich sichtbaren Signet werden könnte.
Das Team von Nuvolari Lenard stand jedoch vor einer mindestens vergleichbar schweren Entscheidung. Wie lässt sich das nicht unwesentliche Gewicht der beiden Kräne samt Tender sowie des darüberliegenden Eignerdecks inklusive Jacuzzi am elegantesten tragen? „Wir wollten das Deck auf jeden Fall von oben geschützt und zu beiden Seiten offen, aber möglichst frei von Stützen halten“, erinnert sich Schiffbauingenieur Carlo Nuvolari an die Entstehungsgeschichte.
Die Lösung stellen die markanten, schwarz lackierten Streben achtern dar, die das Gewicht im Bogen abfangen und gleichzeitig den Wiedererkennungswert der bis dato größten Yacht von Mengi Yay weiter steigern. „Ja, sie sehen sogar attraktiv aus, basieren aber auf Funktionalität“, so Nuvolari und wird prinzipiell: „Wenn etwas ausschließlich der Schönheit willen konzipiert wurde, mag es vielleicht futuristisch oder extravagant sein, allerdings wird es optisch sehr schnell altern. Bei unseren Entwürfen geht es zuallererst immer um die Funktion.“
Dieser Philosophie folgen ebenso die mittigen Stufen von und zur breiten Badeplattform. Der zusätzlich ausfahr- sowie ausklappbare Transformer-Steg ermöglicht den einfachen Zugang ins Meer oder an Land. Ganz im Sinne des Eigners führen hinter einer Luke an Backbord einige Stufen hinab in einen mit Teak verkleideten Multifunktionsbereich. Unter anderem durch das Waschbecken scheint er für Tauch- oder Wassersportequipment prädestiniert zu sein. Auch Fitnessgeräte fänden hier einen adäquaten Platz. Doch der technisch begeisterte und versierte Eigner – selbst Ingenieur – plante ihn primär als einen Hobbyraum mit persönlicher Werkstatt, in der er ungestört herumwerkelt.
An seine Leidenschaft für Riva erinnern wiederum die Seabobs im entsprechenden Design. Die Wasserscooter lassen sich ebenfalls im Bug, in der von Backbord zugänglichen Garage, neben den beiden Jetskis und dem Rettungsboot verstauen.
Direkt darüber liegt eine vollkommen ebene Fläche, die groß genug für ein Touch-and-Go-Helipad wäre, aber zusätzlich zum Sonnenbaden einem anderen, ganz speziellen Zweck dienen soll. Das Vordeck bietet die Befestigungen für Eckenpfosten, an denen sich ein Boxring professioneller Ausmaße und Ausstattung aufspannen lässt. Zum Zuschauen laden die Sitzmöglichkeiten der Portugieserbrücke oder Hängesessel unter dem Überhang des Sonnendecks ein. Der Kapitän mimt den Ringrichter vom Steuerstand aus, und der Eigner zieht sich nach dem Sparring, hoffentlich ohne Blessuren, in seine Kabine zurück, ohne das Deck verlassen zu müssen.
Während der Kapitän und die acht Crewmitglieder ihre vergleichsweise großzügigen Kabinen auf dem Unterdeck beziehen, bleibt das Oberdeck hinter Steuerstand, Tagesbad und Treppenhaus inklusive Fahrstuhl sowie diskret integrierter Waschmaschine und Trockner dem Eigner vorbehalten.
Das Vorzugsareal wartet mit dem Panoramabad an Backbord, einem Giorgetti-Schreibtisch und -Stuhl, einem begehbaren Kleiderschrank sowie einem Kingsize-Bett auf. Nach achtern wird das Eignerdeck vervollständigt von einem Wintergarten, der dank der Glasschiebetüren nicht zum kostbaren Innenraumvolumen zählt. Auf die Terrasse dahinter lockt der elegant geschwungene und von Liegeflächen eingefasste Wellnesspool.
Zum eigentlichen Sonnendeck gelangen Eigner und Gäste per Stufen an Steuerbord direkt hinter der Brücke – die Crew über das eigene Treppenhaus gegenüber. Oben angekommen, warten unter freiem Himmel ein Jacuzzi, zwei erhöhte Sitze sowie eine Liegefläche mit integrierter Bar und Blick voraus.
Danach schließt ein via Hardtop überdachter Bereich an, dessen Glastüren und -wände auch hier wieder einen effektiven Schutz vor Wind garantieren. Davon profitieren der Esstisch ebenso wie die beiden Ecksofas mit Aussicht auf die Gas-Feuerstelle und über das Heck hinaus. Das laut Mengi Yay größte Sonnendeck aller vergleichbaren Yachten dieses Formats offeriert außerdem genügend Gestaltungsspielraum, zum Beispiel für ein Laufband oder andere Sportgeräte.
Zwei Decks tiefer spielten der Auftraggeber und das Designteam erneut ihre Kreativität aus, indem sie die traditionelle Position der Eignerkabine eher unkonventionell belegten. Auf „Serenissima I“ besetzt diese prominente Stelle der Gentlemen’s Club. Wo andernfalls das Bett stünde, laden nun ein L-förmiges Sofa und Sessel von Minotti zum Verweilen ein. Für Unterhaltung sorgt entweder der große Screen oder das kompakte E-Piano daneben. Wahrscheinlich braucht es beides gar nicht, und es werden gesellige Runden den Ton angeben.
Dazu trägt das eigentliche Highlight der Lounge bei: die verglaste und wohltemperierte Bodega. Transluzenter Onyx illuminiert Weine, Spirituosen und Zigarren aus der erlesenen Sammlung des boxenden Riva-Liebhabers. Die Sinne von Genießern spricht zudem die karminrote Aufschnittmaschine von Berkel Volano an. Frische Meeresluft strömt durch einen herunterklappbaren Balkon hinein, der Platz für zwei Sessel bietet.
Die sich achtern an Steuerbord anschließende Tagestoilette dient dem Gentlemen’s Club ebenso wie dem Hauptsalon, den ein ovaler Marmor-Esstisch von Giorgetti dominiert. Vis-à-vis des Minotti-Sofas füllt zwar ein fest installierter Fernseher eine Flanke des Salons aus; die meisten Blicke dürfte dennoch die Riva Ariston auf sich ziehen.
Ein Deck tiefer finden sich zwei Kabinen mit Einzelbetten und die rumpfbreite VIP-Suite samt Bodema-Schlafcouch an Steuerbord. Die mittige Schiebewand verwandelt sie bei Bedarf in zwei Kabinen inklusive separaten Bädern und Zugängen.
Novulari Lenard und Valentina Zannier wählten für das Interieur hochwertige Materialien wie Calacatta Borghini, brauner Sequoia Marmor, handgenähtes Nubukleder, gebürstete Bronze-Intarsien und Walnussholz, alles präzise von Mengi Yay verarbeitet. „Als ich die Werft das erste Mal besuchte, faszinierten mich vor allem zwei Dinge – zum einen die Qualität des Stahlbaus und zum anderen die Qualität der Holzverarbeitung“, blickt Carlo Nuvolari auf den Beginn der Zusammenarbeit mit den Türken zurück und ergänzt: „Ihre Leidenschaft für den Yachtbau ist bemerkenswert!“ Womöglich liegt sie auch in der Historie der Werft und den Wurzeln der Eigentümerfamilie als Tischler begründet.
Die Werft mit Hallen in Tuzla südöstlich des Zentrums von Istanbul und nahezu 60 Jahren Erfahrung im Bau unterschiedlichster Boote, konzentriert sich seit 2006 auf Yachten. Die Formen kommen zumeist aus den Rechnern italienischer Designbüros wie VYD, mit dem Mengi Yay derzeit am Bau von zwei 53-Meter-Explorern arbeitet.
„Serenissima I“ stellt eine doppelte Premiere dar, in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Nuvolari Lenard und auf die offizielle Präsenz während der Monaco Yacht Show. S1 war die erste Yacht von Mengi Yay, mit der sich die Traditionswerft anlässlich des Saisonhöhepunktes im Port Hercule zeigte. Dass sie über Northrop & Johnson zugleich für 35,8 Millionen Euro zum Verkauf angeboten wird, liegt in ihrem Schwesterschiff begründet. Lediglich drei Monate nach seiner Unterschrift auf dem Vertrag für „Serenissima I“ orderte der Yacht-Aficionado die Baunummer zwei pünktlich für die neue Saison in diesem Jahr.
Darüber hinaus nimmt die Kooperation von Nuvolari Lenard und Mengi Yay weiter Fahrt auf. Nach dem gelungenen Auftakt mit der S1-Reihe werden ebenfalls die nächsten Semi-Custom-Projekte die Initialen der venezianischen Kreativadresse tragen. Der Bau der ersten 52 Meter langen NL 50 Plus schreitet zügig voran und mit der NL 60 Plus sowie der NL 65 Plus warten noch größere Konzepte des Designduos auf die Umsetzung in der Türkei. „Serenissima I“ wird wahrscheinlich nicht die letzte Mengi Yay sein, die Ende September im Fürstentum festmacht.