Ein kurzer Blick in den Salon reicht, um zu wissen, womit sich Eigner an Bord gern beschäftigen. Wie ein riesiger Monolith besetzt eine mit Marmor verkleidete Kochinsel nebst Speiseplatz die gesamte vordere Hälfte des Raumes und schafft so eine moderne Wohnküche für gehobene Ansprüche. Statt hinter verschlossenen Türen werkeln die Gäste und Crewmitglieder auf der Sirena 78 für alle sichtbar und gemeinsam am Menü. Speisen zubereiten, sich dabei gut unterhalten und schon mal den ersten Gang probieren – alles passiert gleichzeitig.
Auf der 25-Meter-Yacht soll man sich fühlen wie in einer modernen Villa oder in einem Loft, wie zu Hause. „Kochen wird immer wichtiger an Bord, die offene Galley ist der Fokus im Salon“, bestätigt der niederländische Interiordesigner Cor D. Rover, der schon die Küchenwerkstatt der Sirena 68 aus ihrem Versteck holte und dann allerdings ans Heck setzte. „Indem wir das Design angehoben und in das Gesamtkonzept integrierten, wird die Galley noch funktionaler und ein entspannter Treffpunkt für Familie und Gäste“, fügt er hinzu. Wem das Kochen im Fokus ein wenig zu fortschrittlich ist, bekommt von der türkischen Werft natürlich auch eine gewöhnliche Zeile als L oder U in den Salon eingebaut. Offen bleibt das Wohnkonzept trotzdem.
Die Sirena 78 soll in vieler Hinsicht hervorstechen und mehr als nur eine Lücke füllen zwischen der 68 (Heft 1/22) und der 88 (Heft 1/20). Die Neue stammt vom gleichen Design-Duo, auch Germán Frers ist wieder mit von der Partie, und legte wie ihre Schwestern in wenigen Monaten einen überaus erfolgreichen Start hin. Drei Yachten waren da schon verkauft, und auch den zukünftigen Zahlen blickt man in Istanbul mit entspannter Vorfreude entgegen. Schließlich haben von der 88 schon 20 Einheiten einen Abnehmer gefunden. Was die Kunden nun mit der 78 serviert bekommen, bietet kaum weniger Volumen als die größere Schwester, die rund zwei Meter länger und nur 60 Zentimeter breiter ist. Auch der neue, 6,50 Meter breite Rumpf besteht aus GFK, Sirena Yachts lässt ihn – wie den des 88-Fußers – am Stammsitz in Bursa vorproduzieren und dann auf dem Landweg zum Ausbau ins rund 100 Kilometer nördliche Istanbul schaffen.
„Die seetüchtige Geometrie folgt der bewährten 68er“, erklärt Germán Frers. Der Argentinier ist seit 2013 eine Art Hauskonstrukteur und hat mit der 78 bereits das sechste Modell für Sirena gezeichnet, beginnt aber immer wieder auf einem weißen Blatt Papier. Für den Neuzugang plante der 82-jährige Segelyacht-Spezialist nun am Heck jeweils Channels für die Propeller ein, was den Antrieb des Semi-Verdrängers besonders effizient macht: Im Sparmodus, also bei neun Knoten Fahrt, schluckt das MAN V12-Paket gerade einmal 49 Liter Kraftstoff in der Stunde, was zu einer stattlichen Reichweite von mehr als 1500 Seemeilen führt.
Bei der Reisegeschwindigkeit von 16 Knoten stehen stündlich 240 Liter auf der Anzeige und der 9000-Liter-Tank leert sich schneller. Für optimalen Fahrkomfort sorgt ein Paar elektrischer Humphree-Flossen. Optional hilft dem 82-Tonner ein Kreiselstabilisator weitere störende Rollbewegungen in Schach zu halten. Voll aufdrehen kann der Kapitän natürlich auch. Je nach gewählter Motorleistung (1044, 1156 oder 1342 Kilowatt) rauscht die Sirena mit maximal 26 bis 27 Knoten durch die Wellen.
Oberhalb der Wasserlinie schauen die Interessenten in erster Linie auf die Flybridge, die das Entwicklungs- und Marketingteam ziemlich clever in den Fokus gerückt haben. Das Oberdeck gibt es nämlich gleich ab Werk in drei Varianten, die möglichst viele Kundentypen ansprechen sollen: offen und halb offen sowie ganz geschlossen, wie es vor allem diejenigen zu schätzen wissen, die gern bis in den letzten Winkel ihrer Yacht die Klimaanlage laufen haben.
Rundum dicht – das favorisieren allerdings auch Eigner, die häufig bei anspruchsvolleren Wetterlagen unterwegs sind und beim Steuern nicht frieren möchten, auf dem Hauptdeck ist ja keine Kommandozentrale eingeplant. Eines der bereits verkauften Modelle geht in die geschlossene Richtung, die anderen beiden zeigen den offensichtlich idealen Kompromiss zwischen den beiden „Extremen“: eine dank Karbondach von oben gut geschützte Skylounge, zur Heckterrasse hin offen, vorn und seitlich geschlossen, aber dank herunterfahrbarer Fenster gut zu belüften. Ein flexibler Pavillon auf See – mit Sofas und Tischen, Dusche und Pantry. Für die komplett offene Veranda werden sich sicher auch noch Interessenten finden, zumal die Fly allein schon dank ihrer Höhe selbst in einer belebten Ankerbucht genug Privatsphäre bietet. In der luftigsten Version ist die Sirena 78 auch am günstigsten: Der Einstiegspreis liegt bei rund 3,65 Millionen Euro und damit rund zwei Millionen Euro unter dem Preis für eine voll ausgestattete 88.
Neben der Penthouse-Terrasse stehen den Gästen noch zwei weitere Open-Air-Bereiche zur Verfügung, wobei das große Vordeck mit der zur Liegefläche umrüstbaren Sofalandschaft besonders flexibel nutzbar ist. Ein Jacuzzi sucht man hier vergeblich, zum Baden hüpfen die Gäste achtern über die mobile Plattform ins Meer. Das Cockpit fällt im Vergleich eher klein aus, eignet sich aber mit der Dinette Lounge hervorragend als familiärer Spiel- oder Speiseplatz. Im Vergleich zum Vordeck sitzt es sich hier schön ruhig und dank des Dachüberhangs voll beschattet.
Das Layout der Gästebereiche legt wie bereits erwähnt den Fokus auf eine große Panorama-Wohnfläche auf dem Hauptdeck. Deshalb musste der Haupt-Steuerstand nach oben wandern, um der Galley die bestmögliche Platzierung zu sichern. Aus den gleichen Gründen haben die Kunden auch bei der Position der Mastersuite keine Wahl, wie bei der 68 schlafen die Eigner neben sechs weiteren Gästen auf dem Unterdeck und eben nicht wie bei der 88 vorn auf der Beletage. Dank großflächiger Fensterbänder fühlt es sich hier im Bauch der 78 dennoch hell und luftig an. Der Raum mit Ankleide und reichlich Staufläche nutzt die gesamte Yachtbreite, eine kleine Sitzgruppe macht ihn zum vollwertigen Rückzugsort unter Deck.
Die VIPs dürfen sich im Bug über ein schräg gestelltes Doppelbett freuen sowie eine lange Sitzbank unter einem vier Meter breiten Seitenfenster, das beste Sicht auf die Umgebung und unterwegs auf das außen abperlende Spritzwasser garantiert. Zwischen Master und VIP liegen dann noch zwei Suiten mit je zwei Einzelbetten und ebenfalls viel Tageslicht. Bemerkenswert wäre hier unten noch, dass die dreiköpfige Crew ihre beiden Kabinen am Heck nicht über ein Treppenhaus, sondern über eine Luke an Deck erreicht. Auch das spart Platz und garantiert getrennte Zugänge.
Für das Interior entwarf Cor D. Rover drei verschiedene Optiken. „Sie liegen voll auf einer Linie mit dem aktuellen Zeitgeist“, meint er dazu, „ihr Fokus liegt auf Komfort, Einfachheit und Eleganz.“ Die Ausstattungslinie des Vorführmodells, „Inspiration“, verströmt mit ihren blassen Grautönen, hellen Möbelfronten, blumigen Bettbezügen sowie den zumeist frei stehenden Sitzgelegenheiten sehr viel entspanntes Urlaubsflair – das filigrane Salon-Ensemble könnte genauso gut auf einer Terrasse stehen. Die Varianten „Serentiy“ und „Elegance“ hingegen wirken deutlich geradliniger und zeitloser. Letztere ähneln sich sehr in ihrer klaren Formensprache, wobei „Serenity“ dank der hellen Stoffe, cognacfarbenen Lederbezüge und der warmen Holztöne am ehesten den breiten Kundengeschmack treffen dürfte. „Elegance“ tritt mit dunklem Holz und viel Anthrazit deutlich maskuliner und dynamischer auf, allerdings ohne schwer oder allzu dunkel zu wirken.
Keine Frage, die türkische Werft prosperiert: Im Jahr produziert sie 50 Yachten. Als Nächstes steht die Premiere der Sirena 48 auf dem Programm, mit der die Zahl der jährlichen Ablieferungen auf 70 ansteigen soll. Zudem entstehen in der Superyacht-Division drei Metallbauten zwischen 35 und 50 Metern.