„Solo“Tankoa Yachts kreiert mit italienischer Architektin 72-Meter-Yacht

Florian Walzel

 · 28.06.2023

Bella Macchina! Francesco Paszkowski schuf die kantigen „Solo“-Linien, der Eigner entschied sich für eine Rumpflackierung, die sich farblich deutlich vom weiß-blauen Einerlei in den Großyachtmarinas abhebt
Foto: BlueiProd
Esprit und Wille zur Form, daran hat es italienischen Konstrukteuren selten gemangelt. Mit der 72 Meter langen „Solo“ stößt Tankoa Yachts nun in einen Leistungsbereich vor, der traditionell mit nordischen Ingenieurstugenden assoziiert wird: unerhörte Effizienz.

Denkt man an Italien und Technik, so landet man fast unweigerlich bei dem Phänomen der „Bella Macchina“. Ästhetik und Lebensstil gehen im Land südlich der Alpen bekanntlich vor, und darum sind die dort geschaffenen Geräte, von der Espressomaschine bis zum Sportwagen, vor allem eines: anmutige Dinge. Sprechen wir aber von den „kühleren“ Ingenieurstugenden wie Perfektion, Effizienz und Detailqualität, nun ja, dann ist man beim italienischen Temperament nicht unbedingt immer an der ersten Adresse. Dass es sich bei dieser Annahme allerdings um ein historisches Stereotyp ohne Grundlage handeln soll, diesen Beweis will man bei Tankoa Yachts erbringen. Im Zweifelsfall auch im Alleingang, solo sozusagen.

Vorurteile schafft man am sichersten aus der Welt, indem man belastbare Fakten schafft, weiß Michel Karsenti. „Seit Projektaufnahme haben wir nach allen Seiten unsere Ambition kommuni­ziert, ein Kopf-an-Kopf-Rennen auch mit den bes­ten nordeuropäischen Produzenten herausfordern zu wollen“, lässt sich der Marketingdirektor von Tankoa zitieren. „Mit den besten nordeuropäischen Produzenten meinen wir vor allem holländische und deutsche Werften“, fügt Karsenti augenzwinkernd hinzu. „Diesen kompetitiven Ansporn haben wir auf unsere Projektmanager, Ingenieure und Bootsbauer übertragen. Das hat auf alle großen Eindruck gemacht.“ Albert McIlroy, der den Eigner vertritt, bestätigt auf humor­volle Weise das engagierte Klima des italienischen Teams: „Es fühlte sich wie die Zusammenarbeit mit einer nordeuro­päischen Werft an, nur dass es hier auch noch Weltklasse-Restaurants um die Ecke gibt.“

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Besonderen Wünsche der Käufer erst nach dem Rohbau

Tankoa, mit Sitz und Werftgelände in Genua, ist Profiteur der guten Marktlage im Großyachtbereich. Die Werft kann es sich leisten, on spec, also auch ohne Order durch einen Käufer, zu produzieren, was die Wartezeiten für ungeduldige Interessenten erheblich senkt. Käufer bringen ihre besonderen Wünsche dann erst nach dem Rohbau ein. Dass man sich seitens der Werft hier schon auf dem Startblock so ehrgeizige Ziele gesetzt hat, zeigt Wirkung. Nach den ers­ten Probefahrten im Mittelmeer, aber noch vor der finalen Übergabe an den Eigner, konnte „Solo“ in Cannes die Auszeichnung „Most efficient Yacht of the Year“ (2019) erringen. Dass es sich bei „Solo“ um eine der effizientesten und technisch nachhaltigsten Großformate handelt, die seit Ende letzten Jahres die Meere durchpflügen, verdankt sich der Mischung zahlreicher innovativer Techniken. Da wäre zum einen die emissions­reduzierte Antriebstechnik mit Ecospray SCR (Selective Catalytic Reduction), permanentem CO2-Monitoring und vorbildlicher Geräuschreduzierung. „Solo“ wird zudem mit einem zertifizierten Umweltmanagement-Plan ausgeliefert, der im Betrieb der Yacht dabei hilft, jede unnötige Umweltbelastung zu vermeiden. Ferner verlief der gesamte Bau unter Einhaltung von Strukturplänen nach der nautischen B5-Regel, die höchste Seesicherheit fordert und nach der die einzelnen Treibstofftanks nicht größer als 36 Kubikmeter groß sein dürfen. Dazu zählt ebenfalls, dass im Falle einer Kollision die Möglichkeiten von Dieselaustritt durch Sicherheitstanks stark minimiert wurde. Dass so viel Opti­mierung von Sicherheit und Wirkungs­graden keine Spaßbremse sein dürfen, ist Konsens bei der Genueser Werft. Trotz schlankem Verbrauch – die zwei Caterpillar-Aggregate mit je 1825 Kilowatt Leistung lassen keinen Zweifel daran, dass der 1250 Tonnen verdrängende Fünfdecker mit einem Topspeed von 17,5 Knoten das Herz eines jeden Yacht-Aficionados höherschlagen lässt.

„Solo“ sollte ästehtisch sein

Das rundum beeindruckende technische Komplettpaket spricht dafür, dass Ingenieur Vincenzo Ruggiero und Desig­ner Francesco Paszkowski mit der „Solo“ mit Sicherheit weit mehr als nur ein „schönes Maschinchen“ gelungen ist. Und doch hat man das angestammte italienische Talent zur eleganten Form in keinem Punkt vernachlässigt. Der recht junge Eigner habe es einem auch leicht gemacht, erzählt Paszkowski. Seine Ansagen seien direkt und punktgenau gewesen. Eine hohe ästhetische Eigenständigkeit von Außen- und Innenbereich sollte erzielt werden. Den vielfach erlebten Bruch bei Yachten – rassiges Sportgerät außen, überschmückte Pralinenschachtel innen – erklärt der Eigner gleich zu Anfang für tabu. Dazu der Wunsch einer gewissen Klassik. Äußerlich ist dies auf einen Blick ersichtlich: stark vorspringender Steven, mittige Aufbauten und horizontal betonte Decksgliederung. Dazu eine Inszenierung der achterlichen Linie als abfallende Diagonale, Fensterbänder im Kinoformat und Monochromie in der gesamtem Farbgebung. Viel mehr moderne Klassik geht nicht.

Starkes Duo: Tankoa Yachts arbeitet mit italienischer Architektin zusammen

Um diese Formensprache zu interpretieren und nach innen fortzusetzen, berief man Margherita Casprini. Die Italie­nerin, die sich als unabhängige Yachtarchitektin versteht, jedoch regel­mäßig mit Paszkowski kooperiert, punktete schon bei „Vertige“, einem 50 Meter langen Tankoa-Modell. Ihr Schachzug in diesem Fall: ein maskuliner Clubstil – sachlich, pur und mit ausdrücklichem Understatement, der dem coolen Exterior gerecht wird. Casprini betont Linien und Flächen, das Gefühl kommt eindeutig aus dem Material und nicht aus Applikationen oder Dekorgeplänkel. Bestimmt wird das Interior von erdigen Naturtönen wie Rohseide, Sand, Mokka, Ebenholz oder Bronze. Die modernistisch-reduzierte Formensprache gibt Casprini viel Raum, um Details inszenieren zu können. Allein drei Sorten Marmor aus Frankreich und Indien sowie weißer Onyx aus Mexiko sind nuanciert aufeinander abgestimmt. In den Holzoberflächen wird ein kontrastreiches Finish erlebbar, die graue und schwarze Eiche der Raumpaneele sind satiniert, der Fußboden aus Makassar-Ebenholz sticht im Hochglanz-Look heraus. Die passenden Sitzmöbel, zumeist in Leder, liefert der Trendsetter Fendi Roma. Fast ist man an ein cooles Manhattan-Loft erinnert, hätte die Designerin nicht Akzente gesetzt, wie sie nur der italienischen Handschrift zu eigen sind. So beauftragte sie unter anderem den Künstler Dario Tironi mit einer Skulptur, die in diesem Kontext wohl nur als beab­sichtigt provokativ bezeichnet werden kann. Eine lebensgroße Figurine, deren Körper aus Plastikteilen ausgemusterter Elektrogeräte und Fundstücken grellbunter Kinderspielzeuge collagiert wurde, sitzt lässig auf einem Sideboard. Wilde Pop-Art inmitten der gezügelten Eleganz klassischer Materialien – so etwas würden sich Designer von Pralinenschachtel-Interiors niemals trauen.

Gediegene Ballsaal-Atmosphäre

Das klassische Gesamtlayout der italie­nischen Yacht bringt indes erheb­liche Vorteile im Raumgefüge mit sich. Das macht sich auf dem Oberdeck bemerkbar. Vom Beachclub mit einem transversalen Pool und einem Out­doorkino geht es scheinbar übergangslos in den lichten Wintergarten, der einen Lounge- und Barbereich beherbergt. Von dort gelangt man in den großen Salon und schließlich in den Speisebereich, der von einem Panorama-Aquarium abgeschlossen wird. So viel Großzügigkeit schafft Ballsaal-Atmosphäre, als ob Margherita Casprini nicht nur für zwölf ausgesuchte Gäste, sondern eine ganze Partygesellschaft geplant hätte. Raumtransparenz, nicht immer ein Trend im Yachtbau, wurde ausdrücklich als Ausstattungsmerkmal hervorgehoben. Auf Wunsch kann sich der gestreckte Innenraum mittels beweglicher Paneele in drei unabhängige Sektionen teilen. Die Kommunikation und Bewegung zwischen Außen und Innen wird dadurch je nach Anwendungsfall behutsam temperiert. Durch einen leichten Längenvorsprung, den „Solo“ gegenüber dem drei Jahre jüngeren Schwesterschiff „Suer­te“ genießt – beide Entwürfe basieren auf der gleichen Modellplattform S701 – fällt die gesamte Raumkonzeption noch einmal luftiger aus. Deutlich kommt das in den fast bis auf Bodenniveau heruntergezogenen Schanzkleidern zum Tragen: Der Salon ist lichtdurchflutet. Auch ein großzügig konzipierter Crewbereich mit XXL-Galley kann dadurch realisiert werden und kommt der 18-köpfigen Besatzung zugute. Die Idee von Offenheit im Allgemeinen und flexibler Separation bei Bedarf führt sich auch auf den übrigen Decks fort. Neben der Eigner- und der VIP-Suite gibt es vier Gästekabinen, von denen sich zwei nach Bedarf räumlich rekonfigurieren lassen.

Gym und Spa sind vom Beachclub direkt erreichbar. Hier schaffen Glaswände das Gefühl eines großzügigen Ganzen, und auch hier greift die Möglichkeit, sich auf Wunsch etwas abzusetzen. Absetzen heißt dabei vor allem: raussetzen. Eine Terrasse lässt sich seitlich ausfahren und lädt zum Sonnenbaden ein. Nach dem Work-out, versteht sich.

Die papierlose Brücke

Durch die Lobby geht es mit dem Aufzug auf das Oberdeck. Voraus wartet dort, was nautischen Traditionalisten stets ein mulmiges Gefühl bereitet: die vollkommen papierlose Brücke. Ohne auf den ersten Blick ersichtliche Seekarten, Besteck oder Kompass werden Navigation und die Kontrolle über die geballte Effizienz der „Solo“ rein digital ausgeübt. Der Steuerstand stammt von Böning und wurde von Lloyd’s Register und RINA zertifiziert. Mehrfach redundante Systeme garantieren selbst beim unwahrscheinlichen Ausfall der drei Generatoren, dass die Kommandofähigkeit erhalten bleibt.

Im Rücken von Brücke und Kapitänskajüte liegt der Beautysalon. Ein Raum mit Lounge-Qualitäten, in dem sich die Damen nur um sich und natürlich um die Schönheit kümmern können, war ausdrücklich Wunsch des Eigners. Der obere Salon ist zwanglos um eine flache Feuerstelle gruppiert, die besonders in kälteren Gefilden ein wohliges Gefühl aufkommen lässt.

Panoramafenster bis zum Boden und eine zugehörige Pianobar mit glänzendem Steinway-Flügel bringen am Abend Gäste und Eigner zusammen. Eine zusätzliche Pantry, das Privileg großer Yachten, wurde vorgesehen, um hier auch abendliche Menüs im kleineren Kreis servieren zu können. Die Vorteile: keine unnötigen Laufwege für die Crew und eine bewusst intime Atmosphäre.

Tankoa Yachts integriert cleveres Raumkonzept

Ein weiteres cleveres Raumkonzept findet sich achtern auf dem Eignerdeck. Der Helikopterlandeplatz wurde als Touch-and-go-Plattform konzipiert. Kurz aufsetzen, aus- oder einsteigen, und schon ist der Aerotender wieder unterwegs. Er wurde vollflächig mit Teak ausgelegt und kann darum in der übrigen Zeit als zusätzliches Freideck herhalten.

Ganz oben auf dem Flydeck macht Margherita Casprini noch einmal ein puristisches Statement. Nichts soll den Sonnengenuss und die Aussicht stören, außer ein bisschen Fahrtwind vielleicht. Eine Sitzgruppe unter dem Sonnensegel und zwei großzügige Sonnenliegen – mehr braucht es nicht, und mehr darf es auch nicht sein.

Nachdem „Solo“ getestet, präsentiert und mit Preisen überhäuft wurde, ging es für das Tankoa-Flaggschiff noch einmal für letzte Arbeiten zurück in die Werft. Nach einem kurzen Aufenthalt in Genua machte sich „Solo“ dann auf ihre erste Reise. Die Jungfernfahrt ging über den Atlantik, um die Wintersaison – ganz klassisch – in der Karibik zwischen den Baha­mas und Trinidad zu verbringen. Dort kam natürlich auch die Toysammlung zum Einsatz. In der Garage steht dem Eigner und seinen Gästen neben zwei großen Tendern eine Vielzahl an Wassersportgeräten zur Auswahl. Auf dem Vorschiff parken zudem drei leistungsstarke Jetskis, die per Teleskopkran ihrer Bestimmung entgegenbefördert werden: dem nassen, karibischen Azur.

Der Kapitän hatte großen Spaß an der Reiseplanung, und der Eigner – so hört man – genießt seine Yacht in vollen Zügen. Auf die abschließende Frage nach den größten Qualitäten der „Solo“ antwortet der Kapitän fast etwas schüchtern: „She is a beauty.“ Womit wir dann doch wieder bei der klassischen italienischen Designtugend wären.


Technische Daten

Penthouse-Stil: Der Eigner wohnt ganz oben, zwei Privatpools sprudeln nur für ihn. Die Gäste beziehen fünf große Suiten auf dem Hauptdeck | Abbildung: BEXPenthouse-Stil: Der Eigner wohnt ganz oben, zwei Privatpools sprudeln nur für ihn. Die Gäste beziehen fünf große Suiten auf dem Hauptdeck | Abbildung: BEX
  • Länge über alles: 72 m
  • Breite: 11,60 m
  • Tiefgang: 3,38 m
  • Verdrängung (leer): 1250 t
  • Material: Stahl, Alu
  • Motor: 2 x CAT 3516
  • Motorleistung: 2 x 1825 kW
  • Geschwindigkeit (max.): 17,5 kn
  • Reichweite @ 12 kn: 6000 sm
  • Kraftstoff: 162 000 l
  • Generatoren: Northern Light 2 x 230 kW, 1 x 155 kW
  • Navigation: Böning
  • Bugstrahlruder: Naiad, 200 kW
  • Stabilisator: Naiad, Zero Speed
  • Exteriordesign: F. Paszkowski
  • Interiordesign: F. Paszkowski und M. Casprini
  • Konstruktion: V. Ruggiero, Tankoa
  • Designkategorie: Lloyd’s Register, RINA, MCA, LY3
  • Werft: Tankoa, 2018

Dieser Artikel erschien in der BOOTE EXCLUSIV-Ausgabe 3/2019 und wurde von der Redaktion im Juni 2023 überarbeitet.


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