Die besten Ideen kommen oft einfach so, allein auf dem Wasser oder beim entspannten Plaudern unter Freunden. So war es auch bei Espen Øino und Guido Krass. Der Konstrukteur und der Gründer von Silver Yachts saßen auf Sardinien zusammen und schauten auf die Yachten, die in der Cala di Volpe vor Anker schaukelten. „Manche lagen fast den ganzen Sommer an einem Ort“, erzählt Øino, „und da kam uns das Konzept für ein schwimmendes Haus in den Sinn.“ Der erste Entwurf sah in groben Zügen eine Plattform vor, die zwei simple Rümpfe verbindet, dazu eine minimale Motorisierung, um schön langsam hin und wieder die Position zu verändern. Im Prinzip ein luxuriöses Wohnfloß oder eine kleine Villa auf dem Wasser.
Doch es kam völlig anders, was nicht verwundert, ist doch der gebürtige Norweger eher für absolute Megaprojekte bekannt, auch jenseits der 100 Meter wie „Flying Fox“ (Lürssen, 2019). Eine schwimmende Plattform mit Mini-Antrieb hätte man ihm wohl kaum abgenommen. „Die operativen Einschränkungen erschienen uns zu hoch“, gibt der Konstrukteur zu, „unser Konzept entwickelte sich rasch hin zu einem richtigen Kat.“ Genauer gesagt zum SpaceCat 36, dem ersten Doppelrumpfer der australischen Marke. Silver Yachts hatte sich bis dato mit Alubauten einen Namen gemacht, die dank ihres geringen Gewichts und der optimierten Rumpfformen vergleichsweise effizient unterwegs waren. Ein gutes Beispiel dafür ist der 85-Meter-Explorer „Bold“ (Heft 3/20), auch ein Design von Espen Øino und seinem Studio mit Sitz in Monaco. Der Konstrukteur und Yachtdesigner gründete Silver Yachts Mitte der 2000er-Jahre mit, das erste gemeinsame Projekt war die 74 Meter lange „Silver“.
Der große Schritt vom Mono zum Kat schwirrte offensichtlich schon länger in den Köpfen der Beteiligten herum, eben weil die Vorteile auf der Hand liegen. „Ein Kat liegt stabiler auf dem Wasser, vor allem vor Anker. Dann ist die Raumverteilung besser, mit weniger langen Fluren“, zählt Øino auf, „und die meisten Gästesuiten liegen oberhalb des Hauptdecks mit großen Fenstern für viel frische Luft.“ Zudem verteilen sich die Unterkünfte auf mehrere Ebenen, „wie in einem Haus“. Beim SpaceCat gibt es insgesamt fünf Suiten: zwei VIP-Doppel auf dem Oberdeck, die Master plus, eine Suite mit Einzelbetten auf dem Hauptdeck sowie eine Kabine im Steuerbord-Rumpf, die dank Klappbetten Platz für bis zu vier Personen bietet.
Einschränken müssen sich die maximal zwölf Gäste wirklich nicht: Mit 35,90 Meter Länge, einer Breite von 13,27 Metern sowie 478 Gross Tons bietet der SpaceCat ein Volumen, das einem 50 Meter langen Einrumpfer entspricht. Die gesamte Außenwohnfläche misst mehr als 400 Quadratmeter, optional angereichert mit einem 5,50 Meter langen Pool auf dem Achterdeck. Die Innenräume summieren sich auf über 150 Quadratmeter – modern und schnörkellos gestylt von Pulina Exclusive Interiors. Das Studio mit Sitz in Pisa machte nicht viel Aufhebens. Warmes, helles Holz dominiert die Böden und einige Wände, dazu kommt viel Weiß und lässiges Grau in diversen Helligkeitsstufen. Sehr feine schwarze Akzente, etwa Bilder- oder Spiegelrahmen, Stuhlgestelle oder Jalousien setzen Fixpunkte für die Augen. Dieses entspannte Gefühl von Luft und Weite zieht sich bis hinauf zum privaten Eignerbereich mit 38 Quadratmeter Fläche, „ein einzigartiger Raum, der eine spektakuläre Aussicht bietet und gleichzeitig viel Privatsphäre“, sagt Øino zu seinem erklärten Lieblingsort an Bord.
Bei der Konstruktion fokussierte er sich dennoch auf das, was die meisten Kunden wohl erst bei näherem Hinsehen begreifen: möglichst schlanke und effiziente Rümpfe. Ein Thema, mit dem sich Øino schon lange intensiv befasst. „Durch das optimale Verhältnis von Länge zu Breite der Rümpfe erreichen wir einen geringeren Widerstand. Bei höheren Geschwindigkeiten ist der Wellenwiderstand der dominante Teil des Rumpfwiderstands“, erklärt Øino weiter, „indem man das Rumpfvolumen auf die Länge und nicht auf die Höhe verteilt, kann man die Leistung signifikant reduzieren, die benötigt wird, um ein Schiff auf eine bestimmte Geschwindigkeit zu bringen.“
Silver Yachts und Espen Øino heben nun mit dem Design des Katamarans dieses Prinzip auf ein höheres Level, mit einem Rumpf-Ensemble, das über ein noch besseres Länge-zu-Breite-Verhältnis verfügt als die schlanken Monohulls aus der Silver-Yachts-Reihe. Der Widerstand schrumpfte noch weiter und damit auch die Antriebsleistung der Motoren.
Die Einführung des SpaceCats geht Hand in Hand mit der Expansion nach China. Die Werft mit Hauptsitz im westaustralischen Henderson baut jetzt auch am Perlflussdelta, wo schon seit 2018 hochwertige Komponenten aus Aluminium produziert werden. Die Exterieurlinien kommen Yachtkennern vertraut vor: „Die glatten, kurvigen Formen erinnern bewusst an Silver-Modelle“, erläutert Øino. Die Bugpartien der Rümpfe ziehen sich über das Hauptdeck und verschmelzen mit den Schanzkleidern des Brückendecks. Auf diese Weise erhöht sich optisch das Freibord. „Die Silhouette sieht eher nach einem Kompaktaufbau über einem kräftigen Rumpf aus als nach zwei Decks auf flachen Rümpfen“, führt Øino weiter aus. Im Gegensatz zur ursprünglich anvisierten Kleinmotorisierung erhielt der SpaceCat vier IPS-Einheiten von Volvo Penta mit je 588 Kilowatt Leistung, die den Alukat flott vorantreiben. Die Werft gibt 22 Knoten Maximum an, dazu zwei Reisegeschwindigkeiten: Im ökonomischen Modus von elf Knoten liegt die Reichweite bei enormen 6200 Seemeilen, bei 15 Knoten immerhin noch bei 3800 Seemeilen.
Auf dem SpaceCat ruhen unterschiedliche Hoffnungen und Wünsche. Der Doppelrumpfer soll das Portfolio erweitern und den veränderten Ansprüchen des Superyachtmarktes in neuen Regionen gerecht werden, vor allem im asiatischen Raum. In Ländern wie Thailand, Indonesien, Malaysia oder Hongkong schätzen die Kunden besonders die ruhige Lage auf zwei Rümpfen, da ein Katamaran deutlich weniger rollt als ein Monohull.
Auch der geringe Tiefgang von 1,82 Meter erhöht die Attraktivität, insbesondere für Fans flacher Buchten. Mit dem neuen Konzept beweist Silver Yachts nicht nur die Fähigkeit, große Yachten für erfahrene Eigner zu bauen, sondern „auch die Kunden zu bedienen, die zum ersten Mal in Kontakt mit einer Superyacht kommen“, preist Marketing-Chef Mark Sanderson das Konzept an. „Die Zielgruppe könnten auch Eigner sein, die anstatt einer großen Gigayacht lieber drei SpaceCats wählen. Die Kats könnten auf drei Kontinenten liegen: einer in Asien, einer im Mittelmeer und einer in der Karibik.“ So sind keine Überführungen nötig und zwei Yachten könnten Charterkunden zur Verfügung gestellt werden.
Darüber hinaus könnte der Katamaran auch Eigner reizen, die ein Upgrade suchen. „Kompakte Maße, viel Volumen und eine kleine Crew sorgen für maximalen Komfort bei überschaubaren laufenden Kosten“, so Sanderson. Wer unmittelbar interessiert ist, kann den ersten SpaceCat 36 aktuell für 15,5 Millionen Euro erwerben, der bei mehreren Brokerhäusern gelistet ist. Wer beim Interieur mitreden möchte, investiert in Baunummer drei, deren Fertigung bereits begonnen hat. Silver Yachts kündigte an, dass die Serie zeitnah um ein 22-Meter-Einstiegsmodell und ein 24 Meter langes SpaceCat-Mittelklassemodell erweitert werden soll.