Als ehemaliger Leiter der Abteilung Theoretischer Schiffbau von Feadship De Voogt Naval Architects hat Pim van Groeningen mehr als 35 Jahre Erfahrung mit technischen Zeichnungen, Entwürfen und Layouts gesammelt. Er gilt als wandelnde Feadship-Enzyklopädie. „Als ich 1989 anfing, dachte ich, ein Jacuzzi auf einer Yacht ist das Normalste auf der Welt, aber das war nicht der Fall“, sagt er. Das zeige, wie sehr sich die Branche in 35 Jahren entwickelt hat. (Die schönsten Superyacht-Pools sehen Sie hier.)
Im Feadship-Archiv stößt er auf zig Zeichnungen von Whirlpools und Pools: „Typischerweise haben Yachten um die 40 bis 44 Meter Deckslayouts, die ein oder zwei Tender enthalten und auch den Kran, um sie auf und von Bord zu heben.“ Diese hohen Kräne verhinderten die Möglichkeit, das Sonnendeck zu verlängern. „Ich will nicht sagen, dass dies der einzige Grund ist, warum es nicht mehr Jacuzzis oder kleine Pools gibt, aber es ist ein Grund“, merkt der Profi an.
Die 64,64 Meter lange „Al Riyadh“ (1978) war die allererste Feadship mit einem Schwimmbad, laut van Groeningen „mit 3,40 mal 2,80 Meter ein vergleichsweise bescheidener Pool. Nur 1,25 Meter tief.“ Beim Blick auf die Pläne der 63,63 Meter langen „Siran“ (1991), der vierten Feadship mit Pool, meint er: „Ich habe diesen Pool gezeichnet, Gegenstrom und Wasserfall. Eist nur 3,50 mal 2,30 Meter groß, trotzdem sehr schwer, und das erforderte eine verstärkte Konstruktion.“ Bei der „Cedar Sea II“ (63,60 m, 1986), der dritten Feadship mit Pool, lobt er vor allem das Oberlicht: „wirklich schön für ein Schwimmbad“.
Er zoomt „Air“ (81,00 m, 2011) auf dem Bildschirm heran, deren 7,65-Meter-Becken fast doppelt so groß ist wie alle zuvor: „Es ist nicht nur groß, sondern befindet sich auf dem Vordeck. Das sieht man nicht allzu oft.“ Ein Sprung in der Größe kam 2015 mit der „Royal Romance“ (92,50 m) mit einem 12 mal 4,50 Meter großen Schwimmbad. Der Pool hatte so viel Wassermasse, dass die Werft ihre Entwürfe an das niederländische Meeresforschungsinstitut (MARIN) schickte. „Bei einem Becken dieser Größe genügt ein einfaches Schwanken, um das Wasser zu verdrängen. Nicht einmal eine Welle, nur ein Schwanken. Pools, die groß genug sind, um darin richtige Runden zu schwimmen, erfordern eine andere Ebene der Berechnung. Man kommt fast an die Maße eines Kreuzfahrtschiffes heran“, merkt der Konstrukteur an.
Feadship baute fünf Schwimmbäder im 20. Jahrhundert, eines in den 1970er-Jahren, zwei in den 1980ern und zwei in den frühen 1990er-Jahren. Bemerkenswert ist, dass kein einziges zwischen 1993 und 2009 gebaut wurde. Seit 2010 sind aber nicht weniger als dreißig Superyacht Pools entstanden, heute haben 90 Prozent der Neubauten Pools. „Die sind im Moment der Renner“, sagt Ted McCumber, Managing Director bei Feadship America. „Heutzutage hat jeder Eigner eine Checkliste, und die enthält immer einen Pool und einen Beachclub.“ Als Faustregel gilt, dass Yachten bis zu einer Länge von 60 Metern entweder Jacuzzis, Whirlpools oder Spa-Pools (‚Spools‘) haben. Ihnen fehlt der Platz für größere Becken, geschweige denn für die Tanks.
Bei 70 Metern wird es interessant. Es ist kein Zufall, dass die erste Feadship mit Pool im 21. Jahrhundert die 75,75 Meter lange „Ocean Victory“ (2009) war. Bei 80 Metern dreht es sich weniger um den Pool an sich als um die Art: bündig, versenkt oder erhöht. Bei 90 Metern rivalisieren die Schwimmbäder schon mit den Becken vorstädtischer Gärten. McCumbers Fazit: „Es ist dumm, auf einer Yacht über 90 Meter keinen Pool zu haben, und sei es nur wegen des Wiederverkaufswerts.“ Es sei absolut notwendig, einen Pool auf Yachten über 100 Meter einzuplanen.
Sechs Meter, 15 Meter, 16 Meter – die Pools, die aktuell auf den Feadships eingebaut werden, tendieren zu immer größer. Noch beeindruckender ist der Umstand, dass heute selbst eine 88-Meter-Yacht einen 15-Meter-Pool erhält. „Das ist definitiv groß, aber der Eigner schwimmt gerne“, sagt Arjen van Elk von Feadship Marketing und Brokerage Sales. „Unser bisher größter Swimmingpool misst 16 Meter. Und er liegt auf dem Hauptdeck.“ „Savannah“ ist 83,50 Meter lang und hat einen Zehn-Meter-Pool, groß genug, um zu schwimmen. „Ehrlich gesagt braucht man nicht mehr, es sei denn, man ist ein olympischer Schwimmer“, kommentiert McCumber.
Die zunehmende Bedeutung von Superyacht Pools hat das Design und den Lifestyle an Bord verändert. Pools belebten das Hauptdeck wieder und rückten den Salon ins Zentrum der Aktivitäten an Bord. „In den 1980er Jahren war das Hauptdeck meist geschlossen und wurde kaum genutzt. Als die Yachten größer wurden, haben sich die Hauptdecks geöffnet und Aufmerksamkeit bekommen“, sagt van Elk. „Wie auf ‚Savannah‘ sind sie oft durch eine Treppe mit dem darunterliegenden Beachclub verbunden, sodass eine nahtlos integrierte Wasserlandschaft entsteht, in der Freunde und Familien lesen und entspannen können.“
Wer braucht schon ein Kino unter Deck, wenn man den Pool auf dem Hauptdeck mit Sofas, Kissen und einer aufklappbaren XL-Leinwand umgeben kann? „Vorher hat nie jemand im Salon gesessen. Es war ein Raum, durch den man ging, um in den Speisesaal zu gelangen“, so McCumber. Die zunehmende Verbreitung von Pools verdeutlicht auch die veränderte Beziehung zwischen Innen- und Außenbereichen auf Yachten. Mehr natürliches Licht, mehr Oberlichter und Atrien, mehr raumhohe Glaswände, bündige Pools. Eigner wollen sich stufenlos von ihren Räumen über die Hauptdecks zu den Beachclubs und dem Meer bewegen. „Der Pool auf ‚Faith‘ ist bündig, mit viel Glas rund um den Beachclub. Sehr stilvoll“, meint McCumber.
Die meisten Kunden sehen ihre Yachten heute als eine Erweiterung ihrer Villa“, erklärt van Elk. „Und diese Häuser haben fast ausnahmslos Pools.“ McCumber fügt hinzu: „Das Klügste, was ein Eigner tun kann, ist, den Innenarchitekten nach Hause einzuladen. Nur so sieht man, wie jemand lebt, was die Leute mögen.“ So lasse sich die Ästhetik auch an Bord umsetzen. McCumber zufolge haben viele Feadship-Kunden denselben Traum: „Sie wollen vor Anker neben einer Palme liegen, einen Drink in der Hand halten und ihre Enkel schwimmen sehen … in einem Pool.“
Viele schätzen die Sicherheit und Bequemlichkeit: kein raues Wasser, keine unvorhersehbaren Strömungen, keine stechenden Seeläuse. Als Ex-Kapitän fügt McCumber hinzu: „Ein Plus für den Pool ist die Sicherheit für Gäste und Crew. Es ist immer stressig, wenn Gäste um die Yacht herumschwimmen. Dann müssen die Zero-Stabilisatoren und die dynamische Positionierung ausgeschaltet werden.“
Mit derzeit 39 Pools in der Flotte haben Feadship-Eigner diverse Optionen. Für die Pool-Jacuzzi-Kombination gibt es „Lady S“ (93 m, 2019), für Mosaikfliesen „Savannah“ (83,50 m, 2015) und für einen versenkten Pool „Viva“ (94 m, 2021). Alles geht, solange es im Rahmen des technisch Machbaren bleibt. „Vor einigen Jahren wollte ein Designer einen Pool über die gesamte Breite einer Yacht, was nicht nur konstruktiv ein Albtraum war, sondern physikalisch unmöglich. Unter bestimmten Bedingungen würde das Gewicht des Poolwassers die Kontrolle über die Yacht übernehmen“, bemerkt van Elk.
„Ein Architekt bat mich, einen Infinity-Pool zu bauen, der nicht schwappt“, sagt Marc Levadou, Manager Wissen & Innovation bei Feadship. „Ich sagte ihm, das sei unmöglich, das sind die Gesetze der Physik.“ Gleichzeitig hat Feadship genug Pools gebaut, um zu zeigen, dass fast alles möglich ist, selbst auf kleineren Yachten. Ein Pool, der derzeit auf einer 58 Meter langen Feadship gebaut wird, wurde von „Moon Sand“ (44,20 m, 2015), „Promise“ (51 m, 2018) und „Somnium“ (55,20 m, 2021) inspiriert, deren kompakte Gegenstrombecken bündig mit dem Achterdeck abschließen und beim Befüllen nach unten sinken. Solche Becken sind genial und nutzen den Raum effizient.
Das gilt nicht nur für Neubauten. Als die neuen Eigner von „Samadhi“ (60,96 m, 2006) für ein Refit zurückkehrten, verließ die Yacht die Werft mit ergänztem Pool auf dem Hauptdeck. „Mit sehr wenigen Ausnahmen wollen Eigner einen Pool. Die das nicht wollen, sind sehr erfahren und haben mehrere Yachten. Und ehrlich gesagt verchartern sie nicht“, sagt van Elk. „Aber für Eigner, die Werterhalt schätzen, ist der Pool ein Muss.“