Die norwegische Werft Ulstein behauptet selbstbewusst, dass sie mit dem Projekt „Thor“ die Null-Emissions-Herausforderung lösen könne. Der Name des 149-Meter-Versorgers mit dem patentierten X-Bow steht nicht etwa für die nordische Gottheit mit dem Hammer, sondern für Thorium. So wird ein schwach radioaktives Metall genannt, das häufiger vorkommt als Uran – besonders stark in China, Indien und eben Norwegen – und in Flüssigsalzreaktoren eingesetzt wird.
Darin wird Thorium in flüssigem Salz aufgelöst. Die anschließende Kettenreaktion erhitzt das Salz und erzeugt Dampf, der eine Turbine antreibt und wiederum Strom erzeugt. Dadurch könnte „Thor“ als schwimmende Stromladestation für batteriebetriebene Kreuzfahrtschiffe eingesetzt werden, das Ulstein mit der 100 Meter langen „Sif“ ebenfalls in Planung hat. So die ursprüngliche Idee. „Thor“ funktioniert aber dank Helipad, Feuerwehrausrüstung, Arbeitsbooten, AUVs, Drohnen, Laboren und Hörsaal auch als Forschungsschiff.
Für Yachten erscheint die nicht unumstrittene Technologie auch interessant zu sein. Es lohnt ein tieferer Blick auf Chancen und Risiken. Versuche mit Flüssigsalzreaktoren führten US-Wissenschaftler bereits in den 1960er-Jahren durch, jedoch im kleinen Maßstab und mit Uranabfall.
Die Probleme: Zum einen entwich das radioaktive Gas Tritium, und es kam zu kleineren Korrosionsschäden. Neuerliche Forschungsprojekte haben die Reduzierung des Atommülls, Wettbewerbsfähigkeit und hohe Sicherheitsstandards zum Ziel, die sich auf eine mögliche Explosions- oder Überhitzungsgefahr des Reaktors beziehen.
Hinsichtlich der Endlagerung gilt zu bedenken: Ein mit Thorium betriebener Reaktor würde zwar weniger langlebigen radioaktiven Abfall produzieren als ein mit Uran betriebener; dieser Abfall würde aber deutlich stärker strahlen und Transport und Lagerung erschweren. China forscht an Land an Reaktoren, deren Kapazitäten bei zwei Megawatt thermischer Leistung liegen. Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages informieren, dass die zeitlichen Entwicklungshorizonte von Thorium-Flüssigsalzreaktoren nicht ausreichen würden, um im Rahmen der CO2-Einsparung eine Alternative für die sichere Bereitstellung von Energie infrage zu kommen.
Die Ulstein-Werft lässt wissen, dass die Ladekapazität von „Thor“ so skaliert wurde, dass sie den Energiebedarf von vier Expeditionskreuzfahrern gleichzeitig deckt. Selbst der 149-Meter-Versorger müsse nicht aufgetankt werden.
Der Artikel erschien erstmals in BOOTE EXCLUSIV 5/2022 und wurde für die Online-Version aktualisiert.