60 Jahre CRNWie sich die Werft etablierte und weiterentwickelt

Sören Gehlhaus

 · 25.11.2023

Metallenes Fundament: Auch wenn CRN mit Aufbauten aus Holz startete, dominieren Stahl und Aluminium den Großteil der Werftgeschichte.
Foto: PR
Innerhalb von 60 Jahren entwickelte sich CRN zur ersten Adresse für One-Offs im Mittelmeer. Über Ur-Explorer, Plottersaal und Expansion.

Ancona bildet seit 2400 Jahren den maritimen Mittelpunkt der nördlichen Adria. Im Jahr 1959 erlebte die Hafenstadt nicht zuletzt durch die Gründung der Universität Marken eine Blütezeit. Marken steht für Marche, so die italienische Bezeichnung für die Region, die sich von San Marino im Norden bis 100 Kilometer südlich der Regionalhauptstadt Ancona erstreckt. Ebendort siedelten sich entlang der Via Mattei Enrico am südlichen Ende des Hafens eine Vielzahl von Werften an. Eine davon war Costruzioni e Riparazioni Navali (CRN), die Sanzio Nicolini 1963 gründete. Ihr Alleinstellungsmerkmal: Von Beginn an baute man aus Metall – zu einer Zeit, als Mitbewerber noch reihenweise Yachten aus Holz auf Kiel legten.

Nicolini erweiterte das Portfolio aus Fischerbooten und Schleppern um den Kaskobau für Schiffe, die Arbeiter schnell zu den Gasplattformen in der Adria transportieren. Gleichzeitig spezialisierte er sich auf den Bau von Sportbooten mit Stahl- und Alurümpfen und Aufbauten zunächst aus Holz. Die erste Yacht-Ablieferung maß 9,60 Meter in der Länge. In den ersten zehn Jahren gab es 32 Stapelläufe, auch einige Einheiten der 23 Meter langen, stilbildenden SuperConero zählten dazu. Der Name spielt auf die Riviera del Conero rund um die gleichnamige Erhebung südlich von Ancona an.

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Mit der 38,40 Meter langen „Bagheera“ lief 1969 ein neues CRN-Flaggschiff vom Stapel, erstmalig mit Decks aus Aluminium und von den Abmessungen her vergleichbar mit einer heutigen Megayacht. Auch Lürssen baute in den 60er-Jahren noch unter 50 Metern. In den 1970er-Jahren fand Carlo Riva in Sanzio Nicolini einen Partner für den Bau großer Stahlyachten. Das Ergebnis waren sechs Einheiten, „Vespucci“ (30 Meter) für den Riva-Erben höchstpersönlich, der negative Frontscheiben in Anlehnung an sein legendäres Turmbüro in Sarnico wünschte. Zudem stieg 1973 der römische Unternehmer Giandomenico Palmerini bei CRN ein und ergänzte den kreativen Elan von Nicolini durch seine Managementfähigkeiten. Fünf Jahre später landete man mit der 47,20 Meter langen „Fath Al Khair“ für den Emir von Katar einen Coup. In der Folge entwickelt sich der Nahe Osten zu einem großen Absatzmarkt. Es war die Zeit der Fashion Plates, jenen kosmetischen Verkleidungen, die eine Verbindung zwischen den Decks und eine grundlegende Dynamik herstellen sollten.

Mehr Individualisierungen bei CRN in den 80er-Jahren

1980 läutete das Jahrzehnt der zunehmenden Individualisierung ein. Eigner überflügelten sich mit ihren Custom-Projekten in der Länge und im extravaganten Innenausbau. Jon Bannenberg erstellte maßgeschneiderte Entwürfe jeweils für drei griechische Brüder, die komplett unterschiedliche Vorstellungen hatten: „Akitou“ (52 Meter, 1981), „Varmar“ (42,8 Meter, 1982) und „Vanina“ (32,8 Meter, 1986), inspiriert von „Vespucci“ und mit einem Kinderzimmer aus Zirbenholz. Das Wachstum brachte Nicolini einem Personenkreis näher, der ihn unterstützte. Darunter Camper & Nicholson-Gründer George Nicholson, der CRN viele namhafte Kunden brachte. 47-Meter-„Awal“ war 1980 die erste CRN mit einem Helipad, kurz darauf kam ein Auftrag von einem leidenschaftlichen Eigner mit anspruchsvollem Geschmack: Gianni Agnelli. Der damalige Chef der Fiat-Gruppe gab bei Gerhard Gilgenast die klassischen Linien für „F 100“ in Auftrag, die zwischen Bugspriet und Tender-Kran im Heck zwar nur 32,8 Meter misst, aber als einer der ersten Explorer gilt. Der favorisierten Fortbewegungsmethode des „Avvocato“ entsprechend konnte auf dem Sundeck ein Heli landen, das Vordeck nahm ein massiver Mast mit Krähennest ein. Mit Experten der NASA entwickelte CRN Antivibrationsplatten für die Dieselgeneratoren, die mit E-Motoren und Batterien den Hybridantrieb bildeten. „F 100“ bereist heutzutage nahezu unverändert das Mittelmeer.

1986 entwarf Terence Disdale sowohl das Ex- als auch Interieur von „Il Vagabondo“, deren vier Decks erstmals ein Aufzug verband und deren Innenraumvolumen die 500-Gross-Tons-Marke überschritt. Es war die letzte Yacht, die aus dem historischen Plottersaal kam. Dort wurde der gesamte Rumpf in einem großen geschlossenen Raum im Maßstab 1:1 von Hand auf den Boden gezeichnet. Ein mühsamer Prozess, der äußerste Präzision erforderte. Anschließend wurden die biegsamen Sperrholzschablonen entsprechend der Zeichnung positioniert, bevor die Platten hergestellt wurden, die zum Bau des Schiffes zusammengesetzt werden sollten.

Adria-Standort wird die Heimat der Superyacht-Division

Die Yachten wurden länger, Eigner und Namen blieben gleich, wie 1991 beim 75 Meter langen Disdale-Design „Awal“. 1999 schloss sich CRN der Ferretti-Gruppe an, zu der Custom Line, Ferretti Yachts, Riva, Pershing, Itama und Mochi zählten und 2019 Wally hinzukam. Die erste Ablieferung unter neuer Muttergesellschaft gelang 2001 mit 43-Meter-„Magnifica“ aus dem Studio von Nuvolari Lenard. Im selben Jahr schlossen sich CRN und Custom Line zusammen, wodurch in Ancona nun auch GFK-Bauten entstanden. Mittlerweile ist der Adria-Standort für die Gruppe aus Forlì die Heimat der Superyacht-Division geworden: Für Riva baute man die 50Metri aus Stahl, für Pershing die 140 aus Alu. Aus dem Leichtmetall schweißt CRN derzeit eine Riva 54Metri, die Custom Line Navetta 50 und demnächst die knapp über 50 Meter lange Pershing 170.

Den Grundstein für die fortwährende Expansion legte der Zukauf von Kapazitäten. 2002 erwarb CRN die benachbarte Werft von Mario Morini und wuchs auf 80 000 Quadratmeter Fläche an, auf der bis zu fünfzehn Yachten gleichzeitig gebaut werden können. Mitte der 2000er-Jahre begann die Zusammenarbeit mit Zuccon International Project, aus der die 54 Meter lange „Ability“ hervorging. Mit dem Nuvolari-Lenard-Entwurf „Azteca“ wuchs 2010 das Flaggschiff-Maß auf 70 Meter an. Im Januar 2012 sicherte sich die Weichai Group aus China die 75-prozentige Mehrheitsbeteiligung an der Ferretti-Gruppe. Nach Börsengängen in Hongkong 2022 und ein Jahr später in Mailand ist der Weichai-Anteil gesunken und neue Investoren sind dazugekommen.

660 000 Arbeitsstunden für CRN-Koloss „Chopi Chopi“

In das amtierende Flaggschiff, die 80 Meter messende „Chopi Chopi“, flossen bis zur Wasserung im Jahr 2013 ganze 660 000 Arbeitsstunden. Ein Teil fiel auf die Exterieur-Designer von Zuccon International Project, die sich danach „Latona“ annahmen und Merkmale der SuperConero aufgriffen. Die 50 Meter forderten die werfteigene Konstruktionsabteilung mit einem Kompendium an avantgardistischen Lösungen, vom Beach Club mit flutbarer Tendergarage bis zum Klapp-Balkon, der sogar während der Fahrt genutzt werden kann. Bis Ende 2023 wird in der Via Enrico Mattei ein neues Gebäude für die 60 Ingenieure aus CRNs Entwicklungsabteilung errichtet. Im nächsten Jahr dann sollen die Renovierungsarbeiten an den Büros der Verkaufs-, Kommunikations- und Eignerteams sowie an den Unterkünften für die Crews abgeschlossen sein, die teils für längere Zeit in der Werft untergebracht sind.

Im Fokus: der CO2-emissionsfreie Betrieb von Superyachten

Dass es nicht immer in die Länge gehen muss, bewies jüngst „N Joy“. Die 72-Meter-Yacht dürfte mit 1880 Gross Tons das wohl voluminöseste Format ihres Längensegments sein. Der neue bereits im Bau befindliche Primus der CRN-Flotte wird auf 85 Meter kommen. Sollte Costruzioni e Riparazioni Navali vor dem 75. Geburtstag ins Giga-Geschäft einsteigen, müsste man anbauen. Die größte Halle fasst bislang nur 95 Meter. Im Fokus der F&E-Abteilung steht der CO2-emissionsfreie Betrieb von Superyachten, man denke von Solarpanelen bis zu Brennstoffzellen. Obwohl 30 Quadratmeter Sonnenkollektoren derzeit nur etwa ein Prozent der 450 bis 500 Kilowatt Energiebedarfs einer 70 bis 80 Meter langen Yacht decken würden, seien CRN und Partner dabei, diesen Prozentsatz mithilfe von Supraleitern der neuesten Generation zu erhöhen.


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