Sören Gehlhaus
· 06.06.2024
Wenn 106 Kapitäne in einem Raum versammelt sind, bietet es sich an, diese nach ihrer Meinung zu fragen. Und das tat Benettis CCO Sebastiano Fanizza dann auch. Während der 24. Yachtmaster-Konferenz erkundigte er sich: „Wenn wir euch HVO-Kraftstoff zum gleichen Preis wie Diesel anbieten würden, würdet ihr es bunkern?“ Zögerlich gingen einige Hände nach oben, am Ende waren es ungefähr 15 Kapitäne, die sich offen für den erneuerbaren Diesel zeigten. Benetti lädt jedes Jahr Kapitäne der eigenen Yachten und von Azimut ein, aber auch Nautiker, die man gut kennt und die derzeit auf Formaten anderer Werften fahren. Zudem reisten Zulieferer, Bauüberwacher und Partner aus allen Teilen der Welt nach Budapest.
Nach ihren Vorbehalten befragt, wurden bakterielle Verunreinigungen genannt. Die hätte es gegeben, gehörten aber der Vergangenheit an, so die einhellige Saalmeinung. Ferner sei der Preis höher und die Verfügbarkeit schlechter. Beides valide Punkte, die jedoch nicht den Kern der Frage berühren. Denn HVO ist ein Drop-in-Kraftstoff, der in Reinform eingesetzt oder in beliebigem Verhältnis mit fossilem Diesel gemischt werden kann. Fanizza verkündete zuvor, dass man beim italienischen Eni-Konzern 700 000 Liter HVO bestellt hat. Das wäre ein Anfang, die Order würde jedoch nur einmalig volle Tanks der Benetti-Gigas „Luminosity“ (107,6 m) und „Lana“ (107 m) bedeuten. 2023 unterzeichnete die Azimut-Benetti-Gruppe eine erste Vereinbarung mit Eni Live über den Wechsel von fossilen zu HVO-Kraftstoffen für Seeerprobungen sowie Tests neuer Modelle. Das hydrierte Pflanzenöl verbrenne nahezu rauch- und geruchlos und mit bis zu 90 Prozent weniger Treibhausgasen.
Einer der HVO-Befürworter ist Maurizio Capitani, der seit 2005 keine Kapitänskonferenz verpasst hat. Der 65-Jährige steuert die Benetti Crystal 140 „My Johanna“ und stammt aus Livorno, wo Benettis größter Werftstandort ist. Ebendort konvertiert Eni eine Raffinerie in eine Biospritproduktion. Das Unternehmen erzeugt HVOlution bereits in Venedig und Gela und baut sich ein Netzwerk aus Zehntausenden Kleinlieferanten in der ganzen Welt auf. Verwertet würden hauptsächlich Abfallrohstoffe aus Altspeiseöl, Tierfett und anderer Biomasse, die nicht in Konkurrenz zur Nahrungskette stehe.
Dass für Maurizio Capitani kein Weg an der Pflanzenkraft vorbeiführt, hat auch mit seinen zwei Söhnen zu tun, beide Schiffsführer. Der eine ist in Budapest dabei und hat das Kommando auf einer 35 Meter langen Benetti, der andere fährt als Offizier auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik. Capitani ist zweiter Vorsitzender der Italian Yacht Masters, die 95 Mitglieder zählt und sich für die Interessen der Kapitäne einsetzt und den Nachwuchs fördert.
Ein weiterer Yachtmaster-Teilnehmer ist der 31-jährige Arif Sisman, der sich am Simulator von Team Italia mit der Art integrierter Brücke vertraut macht, die ihn in bald erwartet. Derzeit fährt der Türke auf einer Azimut Grande 38 Tri-Deck, kommt von einer Grande 35 Metri und legt 2025 auf einer Benetti B.Now 50 ab. Sisman ist froh, dass sein Eigner sich schrittweise vergrößert. Das mache es ihm leichter, aber auch der Eigner gewöhne sich an die Komplexität- und Kostensteigerung, besonders in Bezug auf die Crew.
Den Fokus auf das Zwischenmenschliche richtete Benetti mit dem Team von Luxury Hospitality um Gründer Peter Vogel. Der Niederländer managte zuletzt die Events und Reisen von Paul Allens Superyachtflotte um „Octopus“. Sie referierten über das richtige Klima an Bord und wie Kapitäne darüber Crew halten können. Seine Aufforderung lautete: „Ihr seid dafür verantwortlich, eine Führungskultur an Bord zu etablieren.“ Einer Untersuchung von Google zufolge arbeiten Teams am effizientesten, wenn psychologische Sicherheit gegeben ist. Es ist nicht wichtig, wer in der Gruppe arbeite, sondern wie agiert wird. Entscheidend sei, dass jeder jederzeit alles sagen dürfe. Die drei Erfolgsfaktoren: Zusammenarbeit fördern, viele Fragen stellen und anerkennen, dass man nicht auf alles Antworten hat.
Rede und Antwort auf dem Podium stand Ilija Dimitrievic. Der Serbe, der als Eignervertreter und Kapitän eine für 2027 vorgesehene B.Now 60M mit Oasis-Deck betreut, informierte über eine der wichtigsten Bau-Entscheidungen: den Beachclub – für sofortigen Chartererfolg. Das bestätigte Fraser-CEO Anders Kurtén. Der Finne präsentierte das Ergebnis einer nicht repräsentativen Umfrage unter Brokern, die das Leben nah am Wasser an erster Stelle auflisteten. Danach kamen Gym und Wellness sowie Außenkino und Starlink.
Für das Yachtmaster-Event hatte Benetti das Motto „Lifestyle“ ausgerufen. Und der entwickelt sich laut Sebastiano Fanizza in eine klare Richtung: „Kleine Fenster und überladene Interieurs hielten Gäste innen, wo sie kaum das Meer sahen. Das ändert sich dramatisch.“ Den Zuwachs an Außenflächen von einer Benetti Classic 115 (2001) zur Oasis 34 (2022) gab man mit 94 Prozent an. Dazu passt: Die durchschnittlichen Benetti-Eigner sind 52 Jahre alt und haben zwei bis drei Kinder. Sie würden sich garantiert für HVO-Diesel aussprechen.