Sören Gehlhaus
· 11.09.2025
Der World Boating Day am 25. Mai war ein guter Anlass, um sieben Werften in den Niederlanden zu besuchen. Volle Hallen und Kajen resultierten meist als Folge von Aufträgen, die während oder kurz nach der Corona-Zeit eingingen. Viele kamen aus den USA, wo die niederländische Yachtindustrie traditionell absatzstark ist. Eine weitere Konstante war stets das Spec-Geschäft. Das lief so gut, dass „On Speculation“ gestartete Yachten in der Vergangenheit nur selten ohne Eigner finalisiert wurden. Der Markt dieser „schlüsselfertigen“ Neubauten ist nun gut gefüllt und lukrativ für Käufer. Zum einen gebe es vermehrt vorfinanzierte Projekte italienischer Werften, zum anderen verspüre man die generelle Kaufzurückhaltung. Wie die Superyachtbranche zwischen IJsselmeer und Westerschelde damit umgeht.
In Monnickendam begrüßen Albert Hakvoort und sein Sohn im vor drei Jahren renovierten Empfangsgebäude, das wie eine Yacht ausgebaut ist und an das sich die Konstruktionsabteilung anschließt. Gegenüber geben sattgrün getünchte Hallentore mit Sprossenfenstern einen Ausblick auf das, was Royal Hakvoort auch ausmacht: Nostalgie. Die 1919 gegründete Werft wurde viermal vergrößert, zuletzt 2019, und fügt sich nur zu gut in die mittelalterlich geprägte Altstadt ein. Dem Hafenkran mit Aussteifung aus Eisenfachwerk stehen Plattbodenschiffe gegenüber, wie sie Albert senior für lokale Fischer baute.
Derzeit belegen die zwei Hellinge Neubauten für Eigner aus Taiwan und dem Nahen Osten: 65 Meter und 45 Meter, beides jeweils Maximalmaße für die Hallen und auch das nach achtern begrenzte Hafenbecken. „Dafür trennt uns keine Brücke oder Schleuse vom Markermeer“, scherzt Albert Hakvoort. Über Rampen geht es klassisch auf Schienen hinunter, bis zu drei Stunden könne das dauern. Der Werftchef in zweiter Generation erinnert sich, wie sein Vater ihm in jungen Jahren sagte, er solle mal schnell die 64 Stahlräder für den Hellingwagen bauen. Letztlich brauchte er einen Tag pro Rad. Die 65 Meter entwickelte Sinot auf Basis ihrer dreimal von Hakvoort gebauten 61-Meter-Plattform. Für das Flaggschiff mit stolzen 1.435 Gross Tons sind drei Jahre Bauzeit veranschlagt, allerdings nach Anlieferung des Kaskos, den stets Externe liefern.
Das Gegenprogramm gibt es nebenan zu sehen, einen Daycruiser mit schlanken Linien von Andre Hoek, die an effiziente Segelyachten erinnern und eine Kubatur von nur 380 Gross Tons umschließen. Die Stahlaufhängung der Motoren ist die gleiche, wie Albert Hakvoort betont: „Unsere große Stärke sind Maschinenräume, dafür sind wir bekannt.“ Das Credo: Vibrationen an der Quelle eindämmen und Geräuschpegel niedrig halten. Edelstahlarbeiten wie Ankertaschen, Scharniere, Außentreppen oder auch Feuerstellen entspringen einem separaten Gebäude. Dass Hakvoort 2020 den Zusatz „Royal“ erhielt, verwundert nicht. Das gibt es in den Niederlanden frühstens nach 100 Jahren und eingehender Prüfung. Das letzte Wort hat der König.
Von den niederländischen Werften verfolgt Royal Huisman mit über 350 Mitarbeitenden den Manufaktur-Ansatz nach wie vor am konsequentesten. Die Fertigung erstreckt sich in Vollenhove über eine Fläche von 30.000 Quadratmetern und reicht innen so weit in die Tiefe, dass Rolltreppen drei Ebenen verbinden. Huisman ist auch einer der wenigen Betriebe, die Exoskelette in der Fertigung einsetzen, bei Heißarbeiten sind es Modelle des deutschen Prothesenherstellers Ottobock. Ihre Rümpfe schweißen die Yachtbauer seit 60 Jahren aus Alu.
Ebenso wenig gibt Royal Huisman den Innenausbau aus den Händen, sogar Leitungs-, Rohr- sowie einen Großteil der technischen Systeme kreiert man selbst. Vom Nachbarn Rondal kommen Kompositteile und Segelsysteme. Das Tochterunternehmen laminiert den Mast des 8-Meter-Projekts 410 in einem Stück: Lage um Lage erhöht sich der Durchmesser, und immer wieder geht es in den von 62 auf 95 Meter verlängerten Ofen, wo die Carbon-Spiere bei 100 Grad getempert wird. Details zur weltgrößten Slup wurden nicht genannt, der Mast knackt aber nicht die 100-Meter-Marke. Der oder die des nächsten Großprojekts auch nicht. Ein Huisman-Kunde platzierte eine Order über einen XXL-Segler, der unter der Projektnummer 412 geführt wird und eine Lüa von 80 Metern plus haben soll.
Sales-Spezialist Peter Naeyé klärt auf: „Es wird ein SAP, ein Sail-Assisted Powerboat. Mit noch einfacheren Segelsystemen möchten wir vermehrt Motoryacht-Eigner ansprechen.“ Keine Angaben gab es zum Baufortschritt des 81-Meter-Projekts 411 „Noir“, über das die Werft Anfang 2024 informierte. Dafür aber zur Klientel: „65 Prozent unserer Aufträge kommen von Wiederkehrern. Für einige ist es die vierte Yacht von Royal Huisman“, berichtet CEO Jan Timmerman erfreut.
Einen Großteil der handwerklichen Arbeiten auslagern, diese Strategie fährt Oceanco nahe Rotterdam. Man verlegt sich auf Management, Planung und pflegt große Nähe zu den vielen Partnerbetrieben, den „Co-Makers“. CEO Marcel Onkenhout betont die soziale Komponente: „Den Bau einer Yacht macht zu 70 bis 80 Prozent menschliche Arbeit aus, und wir gehen mit unseren Partnern eine enge, bis zu fünfjährige Beziehung ein.“ Oder kürzer.
Denn Oceancos Refit-Aufträge, die ausschließlich am 2019 erworbenen Standort in Zwijndrecht bearbeitet werden, nehmen zu. Dem „Life Cycle Support“ widmet man sich in der 204 Meter langen und 38 Meter hohen Halle, in der eingerüstet die zehn Jahre alte „Tranquility“ steht. Mittenmang wird in einem kleinen Zelt Duplex-Stahl für Rumpföffnungen geschweißt. In Zwijndrecht entstehen auch Kaskos, derzeit für die erste Einheit aus dem „Simply Custom“-Kosmos. Darin können Kunden aus Exterieurs von 28 Designern wählen, die auf einer vorkonstruierten 80-Meter-Plattform basieren. Espen Øinos „Clarity“ überzeugte einen Eigner, der etwa neun Monate Bauzeit und einiges an Kosten gegenüber einem Full-Custom-Projekt einspart. Der fertige Metallkörper wird über die Oude Maas ins gut fünf Seemeilen entfernte Alblasserdam geschleppt, wo Oceanco ein vollklimatisiertes Trockendock betreibt, das, einem Humidor gleich, Temperatur und Feuchtigkeit auf allen Ebenen konstant hält.
Kurz vor der Auslieferung standen zum Werftbesuch zweimal 111 Meter: Y726 mit Linien von Espen Øino International und Y722 aus den Rechnern des eigenen Designteams mit Sitz in Monaco. Letztere empfängt trocken aufgebockt, zur Flanke liegt die 1,8 Tonnen schwere Ankerkette bereit, um auf das Spill zu gelangen. Achtern zeigen sich elektrische Pod-Antriebe, die Oceanco bei Neubauten mittlerweile ausschließlich realisiert. Ein Vakuum-Kran des deutschen Scheibenherstellers Tilse saugt bis zu zwei Tonnen schweres Verbundglas an und auf die Decks. Innen wartet manche Überraschung. So gibt es tatsächlich keine Crew-Messe – die Mannschaft speist im selben Raum, den auch Eigner und Gäste nutzen. An Deck liegt Esthec, damit die Besatzung weniger mit der Pflege beschäftigt ist und sich anderen Aufgaben widmen kann. Ein besonderer Wunsch des Eigners nimmt das Foyer ein, wo eine Glasscheibe mit Namensgravuren jenen Respekt zollt, die direkt am Bau beteiligt waren.
Mit der Spezialisierung auf Segelyachten nimmt Vitters eine Sonderrolle ein. Und doch spielen Motorformate eine Rolle, wie die Werftvisite offenbarte. Das vom Löffelbug bis zum Yachtheck 68 Meter messende Projekt 3095 beschäftigt Vitters drei Jahre. Im September 2023 erfolgte die Vertragsunterzeichnung für die Ketsch mit Linien von Andre Hoek. Ein gutes halbes Jahr später legten die Niederländer den Alurumpf in der neuen 80 mal 30 Meter großen Halle in Zwartsluis auf Kiel. Im Mai 2025 rollte der 113 Tonnen schwere Kasko auf einem mobilen Selbstfahrer ins Freie, um von vier Mobilkränen gedreht zu werden. Während der etwa einjährigen Ausrüstungsphase kommen drei holzverkleidete Deckshäuser an Deck und für Supersegler eher ungewöhnliche Annehmlichkeiten an Bord: Ein großes Kino, zwei Tender im Vorschiff und der strikt von den Gästen abgetrennte Crewbereich deuten auf einen Eigner aus dem motorisierten Lager hin.
Den Bauplatz nebenan belegt nach wie vor Project Zero. Allein 60.000 Stunden Forschungs- und Entwicklungsarbeit flossen in die knapp 70 Meter lange Ketsch, die noch 2025 im Wasser und im Betrieb treibhausgasneutral sein soll. Dann nimmt an selber Stelle ein Alurumpf von 63 Meter Länge Formen an. Die Alu-Slup entwickelte Malcolm McKeon mit einem Innenraumvolumen von knapp unter 500 Gross Tons und 90 Quadratmeter großer Flybridge. Auch Projekt Dreamer, das Ende 2028 Realität sein soll, scheint sich konzeptionell Motoryachten anzunähern.
Innerhalb der niederländischen Großyachtbauer hat sich Heesen am stärksten auf Plattform- und Spec-Formate spezialisiert. Derzeit wird in Oss an elf Yachten mit Auslieferungen bis 2027 gebaut. Unter den Begriff „Series“ fallen durchgerechnete Konstruktionen mit vorgegebenen Linien von 50 bis 57 Metern, die mit oder ohne Kunden starten. Bis ins zweite Quartal 2027 waren noch vier „Series“-Yachten zu haben. Auch aus Rümpfen können Eigner wählen und diese mit individuellen Aufbauten versehen. Als Smart Custom gilt auch „Cinderella Noel“ (50 m), die optisch sehr nah an einem älteren Stahlmodell ist. Umfangreiche Modifikationen ergaben sich aus dem Wunsch, die Yacht mit wenig Crew und dem Eigner als Kapitän zu fahren. Rund eines von vier Heesen-Projekten beruht gänzlich auf individuellen Vorstellungen.
Alu schweißt Heesen in eigenen Hallen. Die Expertise geht auf den im Frühjahr verstorbenen Frans Heesen zurück, der nach der Werftgründung im Jahr 1978 schnell das Potenzial des Leichtmetalls erkannte. Ganz nach Frans Heesens Gusto, der 1988 die 53 Knoten schnelle „Octopussy“ (44 m) baute, dürfte „Ultra G“ sein. Der Solitär verließ Oss 2024 mit vier je 4.359 Kilowatt starken MTU-Aggregaten, die die 60 Meter auf bis zu 37 Knoten bringen. Fertigungsleiter Patrick Blom zeigt das Rumpfgerüst einer 57-Meter-Aluminium-FDHF. Für das „Santosha“-Schwesterschiff müssen insgesamt fünf Kilometer Schweißnähte gesetzt werden.
Auch die Besucher dürfen bei Heesen an die Brenner und merken anhand von Probestücken schnell, dass es auf Erfahrung ankommt. Blom suchte lange Nachwuchs für seine Abteilung, um kürzlich sieben neue Mitarbeiter zu finden. Bis zu 1.000 Personen arbeiten pro Tag für Heesen, demnächst unterstützt durch KI, wenn es nach Heesens neuem Eigentümer Laurens Last geht. Der niederländischen Unternehmer und Investor möchte künstliche Intelligenz in die Konstruktion, Spezifikation und Produktion implementieren.
Auch wenn es sprachbildlich hinken mag, besetzt Amels eine Nische: mit über 60 Meter langen Yachten aus Kleinserien. Finanzielle Rückendeckung kommt vom Damen-Werftkonzern, der sich auf serielle Fertigung versteht und Amels in Vlissingen beste Voraussetzungen bietet. Idealerweise entstehen elf Yachten im äußersten Südwesten der Niederlande parallel, an denen bis zu 1.500 Personen arbeiten. Die 340-Kai-Meter werden um 120 Meter in Richtung Schleuse ergänzt, durch die Neubauten zügig in die Nordsee und Stahl-Alu-Kaskos in die Hallen gelangen.
Ihren Anfang nehmen die von Espen Øino geformten Modelle andernorts: die Amels 60 in Danzig – zehn Einheiten sind es seit 2019 – und die Amels 80 im Osten Rumäniens. Vier Stück kamen bereits über die Donau und das Schwarze Meer nach Vlissingen, zwei weitere folgen. Baunummer 3 und 4 sollen 2026 übergeben werden, die fünfte sei noch zu haben, so Verkaufsleiter Jan van Hogerwou. Amels’ „Semi-Custom-Modell“-Ansatz scheint auch auf 80 Meter Länge zu funktionieren. Wie bei den Limited Editions, so die alte Bezeichnung der Spec-Sparte, geht es auch um Prozessoptimierung: Gleiche Abläufe sollen peu à peu zu kürzeren Bauzeiten führen. „Unser Ziel ist, eine Amels 80 pro Jahr abzuliefern“, so van Hogerwou. Das 204 Meter lange Trockendock nimmt das 120 Meter lange Custom-Format-Projekt „Tanzanite“ noch bis Ende des Jahres in Anspruch. Und im drei Seemeilen entfernten Vlissingen-Oost finalisiert Damen die 195 Meter lange „REV Ocean“.
Dass die Corona-Zeit vielen Werften volle Auftragsbücher beschert hat, war bekannt. Feadships Stapellauf-Reigen überraschte dann doch. Binnen eines guten Jahres wasserten die Niederländer neun Solitäre. Unter den 780 Längenmetern war „Valor“. „80 Meter ist eine beliebte Größe“, sagt Bas Nederpelt, während er in Aalsmeer am 79,50 Meter langen Explorer vorbeiführt. „Valors“ Hauptantrieb bilden zwei Azimuth-Thruster von Schottel. „Wir verbauen nur noch dieselelektrische Antriebe“, sagt der Commercial Director der De-Vries-Werft, die auch in Makkum baut. Bei Feadship-Van-Lent seien in Amsterdam und Kaag zwei Yachten mit Diesel-Schaft-Konfigurationen im Bau.
Auch Feadship geht Projekte ohne Eigner an, wie das nebenan entstehende mit der Kennziffer 717. Die flachen 49 Meter aus Alu haben den Beinamen „Bahamas Cruiser“ und sollen im März 2026 mit leistungsstarker Klimaanlage und minimalem Tiefgang ablegen. Ordentlich in Bewegung ist auch der Custom-Markt, und Feadship spielt mit. Das werfteigene Brokerteam fand einen Käufer für die brandneue „ONE“ (76 m), zuletzt gelistet für 172,5 Millionen Euro. Zudem orchestrierte man den Eignerwechsel von „Savannah“ (84 m). Im Zuge eines verkaufsfördernden Refits wich die für damalige Verhältnisse riesige Batteriebank. Und ziemlich genau zehn Jahre nach Einbau der Akkus mit 1 Megawattstunde Gesamtkapazität passten in den gleichen Raum Batterien mit insgesamt 5 Megawattstunden. Für die Stromerzeugung setzt Feadship weiter auf Brennstoffzellen, nach „Breakthrough“ projektiere man auch eine Yacht mit Methanol als Energieträger.