ReportWie sich die Werften in Italien weiterentwickeln

Uske Berndt

 · 23.11.2025

Neuer Glanz: Die Hallen übernahm die Next Yacht Group von Perini Navi.  Fassadenmaler strichen das Blau über. Zum Showroom geht es über eine Brücke.
Foto: Werft
​Die Gegend um Viareggios Via Michele Coppino ist nach wie vor eine der Adressen des Yachtbaus in Italien. Hier haben große Namen wie Mangusta, Next Yacht Group oder Benetti ihre Standorte. Es wird viel gebaut, die Hallen werden erweitert – auch im nahen Pisa. BOOTE EXCLUSIV durfte einen Blick hinter die Kulissen werfen.

​Next Yacht Group

Frisch renoviert: Der XL-Showroom empfängt die Kunden stilvoll, das Design erinnert an Superyachten.
Foto: Werft

Die Zentrale für die Marken AB Yachts und Maiora hat sich dank der Übernahme der historischen Perini-Navi-Hallen dies- und jenseits des Hafenbeckens von Viareggio sichtlich vergrößert. Fassadenmaler waren noch im Sommer dabei, das Perini-Blau mit den markentypischen Brauntönen zu überdecken. Die dafür notwendige Finanzspritze, ein zweistelliger Millionenbetrag, erhielt die Next Yacht Group über ihren neuen Mutterkonzern: Die österreichische GB Invest Holding ist ein großer Player in der IT sowie in den Sektoren Immobilien und Hotellerie. Nun weht frischer Wind durch die Gebäude, auch durch den neuen, 3.000 Quadratmeter großen Showroom mit Profi-Küche und diversen Konferenzräumen, der die Besucher im Stil einer Superyacht empfängt, inklusive Terrasse mit Blick auf den Hafen und den langen Sandstrand.

Zusammen mit dem Standort Massa, wo Rümpfe laminiert werden, stehen der Werft nun 65.000 Quadratmeter Bauplatz bereit, bearbeitet von 115 direkt Angestellten – eine Verdreifachung im Vergleich zu den Jahren 2020/21. Hinzu kommen 400 bis 450 Subunternehmer. Im Juli 2025 waren insgesamt 21 Einheiten im Bau, dazu zählen auch eine AB130 mit Liefertermin 2026 und die Yachten, die schon am Kai liegen und finalisiert werden. Zum Beispiel die erste Einheit der AB110 (Seite 72) mit offenem Salon-Ruderhaus.

Die leistungsstarken, über Waterjets angetriebenen AB-Yachten gibt es seit 1992, heute stehen Modelle zwischen 80 und 166 Fuß im Portfolio. Die Flybridge-Modelle von Maiora beginnen bei 30 Meter, eine brandneue 42 – mit Cassetta-Design – soll althergebrachte Layouts auf den Kopf stellen, indem der Designer sämtliche Suiten auf das Hauptdeck setzte und den Salon deutlich schrumpfen ließ. „Der wird häufig nicht so viel genutzt“, erklärt die PR- und Kommunikationschefin Stefania Delmiglio das Konzept. Der freie Platz auf dem Unterdeck kommt der Crew zugute, auch ein Gym oder eine weitere Lounge wären hier möglich. Das Bordleben spielt sich im riesigen Oberdeck-Salon ab oder auf den Außenterrassen samt Pool. Das Interieur zeichnete der libanesische Modedesigner Elie Saab – auch ein neuer Geschäftspartner der Gruppe.


Benetti

Erste Reihe: Bei Benetti sind alle Plätze belegt.
Foto: Werft

Die Werft der Azimut-Benetti-Gruppe hat hier an der Via Michele Coppino in Eins-a-Lage eine große, etwa 60 Meter lange Halle mit Schwimmdock und insgesamt zwei bis drei Bauslots. Eine Class 44 ist im Werden, eine wurde gerade verabschiedet. Beim Vor-Ort-Termin Ende Juli 2025 wimmelte die frisch gelaunchte „Fortitude“ noch von Handwerkern, die mit Lappen und Schleifpapier in den Händen von Raum zu Raum gingen. Diverse Sitzmöbel standen abgedeckt mitten in den Salons und Suiten: allerletzte Arbeiten an Bord des Cassetta-Designs, das fortan unter der Regie eines britischen Eigners – die 44 ist seine dritte (!) Benetti – den Chartermarkt bereichern wird. Die Werft baut hier in Viareggio nach wie vor GFK-Yachten, darunter die Class 44, die Oasis 34 und 40 sowie die Motopanfilo 37. Die längeren Modelle haben Stahlrümpfe und werden daher am größten Standort gebaut, und zwar gut 40 Kilometer weiter südlich in Livorno.

Vieles hier bleibt unverändert: das Lusben-Team, das sich an beiden Standorten um Refits und andere Arbeiten kümmert, die Namen der Designer, auch das Kernsegment zwischen 40 und 100 Meter. Was sich ändert, ist das Alter der Eigner. „Sie werden jünger und sind nun im Schnitt 50 Jahre alt“, sagt CCO Daniela Petrozzi. Sie kämen aus der IT-Branche und hätten häufig eine eher technische Herangehensweise. Oft bleibt eine Familie der Marke verbunden, die jungen Eigner kommen über die Väter, die ebenfalls schon länger Benetti-Kunden sind. Sie möchten die Yacht mit ihren Kindern nutzen und schätzen den nahen Kontakt zum Wasser. Dies ist auch ein Grund für den Erfolg der Oasis-Linie von 34 bis 40 Meter. Neben den großen Märkten Europa, USA und Naher Osten möchte das Unternehmen über einen neuen Vertriebsleiter verstärkt nach Australien expandieren – ein spannender Markt für Benetti.


Giangrasso

Ans Tageslicht: Die G24 schiebt sich feierlich aus der Halle von Giangrasso. Mittlerweile schwimmt die 24-Meter-Yacht schon im Mittelmeer.
Foto: Werft

Praktisch gegenüber, an der Ecke zur Via Euro Menini, empfängt der Chef persönlich die Besucher. Bartolomeo Giangrasso war Produktionsleiter, Schiffsgutachter und Kapitän, arbeitete bei Benetti und Baglietto, bevor er 2008 seine eigene Werft eröffnete. Sein Unternehmen ruht auf zwei Säulen: Cantiere Navale Giangrasso erledigt Refits – aktuell etwa eine ­Wally 64 – und baut für andere Marken. Die zweite Säule, die Giangrasso Group, fertigt eigene Yachten. Zum Zeitpunkt des Besuchs wurden in der Halle 200 Meter vom Büro entfernt die ersten 24 Meter finalisiert. Mittlerweile ist die G24 fertig und seit September 2025 auch gewassert.

Im Portfolio stehen fünf weitere Classic-Modelle. „Aus Aluminium, das ist die Zukunft“, betont der Chef. „Ich persönlich mag kein GFK, das ist nicht nachhaltig.“ Für „richtig gute Boote“ sei er bereit, die rund 20 Prozent höheren Baukosten in Kauf zu nehmen. Die G24 mit vier Gästesuiten und Flydeck soll in den Charterbetrieb gehen und bekam dafür zwei MAN-Motoren für 24 Knoten Topspeed verpasst. „Nur 18 Monate Bauzeit seit der Kiellegung im Mai 2024“, fügt Giangrasso noch stolz hinzu.


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Eine weitere 24 Meter – mit Interieur von Michela Reverberi, Designerin der „Stella Maris“ (73 m, Viareggio Superyachts) – ist in Planung, dazu Projekte in 34 und 45 Meter Länge, für die sich aktuell Kunden aus Osteuropa interessieren. Ein 65-­Meter-­Design mit Kino und Eignerpool zeigt Giangrasso auf seinem Bildschirm. Seine rund 38 Meter lange Halle reiche für Yachten dieser Größe gerade aus, danach wird es knapp. Der Chef hat auch aus diesem Grund weitere Flächen dazugekauft und expandiert in Richtung Massa und Pisa.

Giangrasso legt Wert darauf, nur sein eigenes Kapital zu investieren, also Geld, das er hat. „Keine Bankkredite“, sagt er entschieden. Die Marke arbeitet mit vier Konstrukteuren und fünf Interieur-Designern, darunter seine Tochter. Sein Bruder ist als Marketingleiter ebenfalls in das Unternehmen eingestiegen. Giangrasso beschäftigt insgesamt 45 Mitarbeiter, „ich arbeite mit meinem eigenen Team“, präzisiert er.


Cantieri di Pisa

Vollprofi: Marco Massabò arbeitet seit vielen Jahren in der Branche. Cantieri di Pisa ist „seine“ fünfte Werft.
Foto: Werft

Wie der Name vermuten lässt, liegt diese Adresse in Pisa, und zwar schon seit Mitte der 1950er-Jahre. Genau an dem Kanal, wohin die Werften aus Viareggio langsam nachrücken. „Wir waren die Ersten hier“, bestätigt CEO Marco Massabò. Der aktive Segler leitet die Baustelle seit rund dreieinhalb Jahren – „meine fünfte Werft“ – und hat ein Faible für Materialien. Die 40-­Meter-­Yacht, die derzeit in seiner größten Halle entsteht – insgesamt sind es 16.000 Quadratmeter überdachte Baufläche – ist eine Stahl-Alu-Konstruktion mit einem Ruderhaus aus Carbon, um den Ballast nach unten zu bringen und die Stabilität zu erhöhen. Für die Antriebe schwört er auf konventionelle Lösungen: „Die Elektrotechnik ist für diese Art von Yachten noch nicht bereit. Ich bleibe skeptisch, aber wir verfolgen aufmerksam die Entwicklungen, die der Markt hervorbringt.“ Sein Prinzip lautet: „Gewicht reduzieren bedeutet Verbrauch senken.“ Das sei seiner Meinung nach der beste Weg, nachhaltig zu sein. Wichtig ist Massabò zu betonen, dass das Unternehmen solide dasteht und er sich auf ein starkes Team verlässt. 30 Angestellte arbeiten vor Ort, dazu kommen 250 bis 300 Köpfe über Subunternehmen. Drei Linien hat Massabò im Portfolio: die Polaris (38 bis 70 m), die mit ihren zwei großen Außendecks in Richtung Explorer gehen, sowie die klassische Saturno mit Längen zwischen 38 und 90 Metern, ein Design von Cantieri di Pisa. Nummer drei ist die Akhir, in die das Team eineinhalb Jahre Entwicklungsarbeit gesteckt hat. Die erste, 44 Meter, trat als „ikonisches Boot“ auf der Messe in Dubai ins Rampenlicht und will an die Erfolge der stilprägenden Entwürfe gleichen Namens von Pierluigi Spadolini anknüpfen.

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Eine immer wichtigere Säule ist die Refit-Abteilung. 25 Yachten bis 50 Meter kann die Werft auf einer Fläche von 50.000 Quadratmetern gleichzeitig betreuen. Dieses Jahr zählt der Boss insgesamt 35 Stück, eine Feadship und eine 43-Meter-Perini-Navi hätten das Gelände im Juli verlassen. Im September kamen fünf neue, etwa 42,6 Meter von NQEA Yachts. „Für die kommende Saison haben wir bereits viele Verträge unterzeichnet“, sagt Massabò. Das zeige, dass der Markt seine Qualität zu schätzen wisse. Für Segelyachten ist sein Standort mitunter eine logistische Herausforderung, die Kanalbrücken haben nur eine lichte Höhe von 11,45 Meter. Den Mast der Perini musste das Team in Livorno legen und dann getrennt vom Schiff transportieren.

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Für die größeren Vorhaben ist Massabò nun eine strategische Partnerschaft mit T. Mariotti aus Genua eingegangen. Die Holding baut Kreuzfahrtschiffe bis 182 Meter Länge und bietet Cantieri di Pisa entsprechende Arbeitsplätze. Am Standort Piombino – 40.000 Quadratmeter, davon 11.000 Quadratmeter in bis zu 120 Meter langen Hallen – sollen Yachten ab 50 Meter entstehen, dazu groß angelegte Refits: „Damit könnten wir mit Namen wie Lürssen oder Feadship konkurrieren.“


Mangusta

Overmarine Group: Die fertigen Mangustas warten auf die Ablieferung.Foto: WerftOvermarine Group: Die fertigen Mangustas warten auf die Ablieferung.

Zurück in Viareggio. Dort feiert die Overmarine Group mit Sitz in der südlich gelegenen Via Marina di Levante ihr 40-jähriges Bestehen. Auch rund um die Marke Mangusta ist die Erweiterung an den Navichelli-Kanal ein großes Thema. „Wir haben dort unsere Kapazitäten verdoppelt“, sagt Kommunikationschefin Arianna Toscano. Seit 2012 sitzt die Werft auch in dem Gewerbegebiet vor Pisa, wo sie sich auf den Metallbau fokussiert. Dort, zwischen Flughafen und IKEA, gibt es viel Platz, der Kanal führt direkt an die Küste nach Livorno und damit eben auch nach Viareggio.

Aktuell entstehen am Navichelli die Mangusta Oceano 44 (die Nummer sechs wurde im August gewassert), die 50 und 52 sowie die GranSports 45 und 54. „Wir haben in zwölf Jahren 20 Metall-Einheiten gebaut“, erzählt Toscano zufrieden. In Viareggio, wo auch die Yachten aus Pisa ihren Feinschliff bekommen, bleibt GFK im Fokus. In den beiden rund 100 Meter langen Hallen sind die Bauplätze voll besetzt. Hier entstehen die Mangusta Gran Sport 33 (die zwölfte und letzte), zwei neue 34 und die Mangusta Oceano 39 (Nummer fünf und sechs).

Die Marke rechnet mit zwölf Ablieferungen in 2025 und hat derzeit 26 Einheiten im Bau. Ein Büro für die Kundenbetreuung in den USA unterstreicht die Bedeutung, die der Markt für Mangusta hat. „50 Prozent unserer Produktion gehen dorthin“, erläutert die erfahrene Kommunikationsexpertin. Wie bei Benetti werden auch hier die Kunden jünger, teilweise sind sie unter dreißig. Dazu kommen viele Wiederkehrer, die schon ihre dritte Mangusta bestellen und „mit uns wachsen“, berichtet Toscano. Gerade sie schätzen die besondere Ansprache eines Familienbetriebs und den direkten Draht nach oben: „Jeder Kunde hat die Telefonnummer des Chefs.“


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