ReportageZu Besuch bei der Bellini „Riva-Vintage-Collection“

Britta Flöring

 · 24.08.2023

Die Bellini-Riva-Vintage-Ausstellung am Lago d‘ Iseo: Ein Hochgenuß für Riva-Fans.
Foto: Britta Flöring
Ein Besuch der Bellini „Riva-Vintage-Collection“ am Lago d’Iseo. Ein nachhaltiges Erlebnis, nicht nur für Holzboot-Enthusiasten.

Ein Text von Britta Flöring

Die - nach eigenen Angaben – einzige vollständige Riva-Sammlung der Welt in einer schlichten Lagerhalle in einem abgelegenen Industriegebiet Italiens zu präsentieren, ist nicht unbedingt das, was man erwartet. Irritation. Die Buchung für die sognannte „Riva-Vintage-Collection“ für 25 Euro pro Person erfolgt unter anderem über die Internetseite „Lake Iseo“, eine Bestätigung per Mail, eine Standortangabe per Google Maps, eine schlichte Industriehalle, draußen ein zerlegtes Sportboot, hinter dem Gebäude gelagertes Holz, Mahagoniholz. Wenigstens das. Der Schriftzug Bellini, keine Menschenseele an diesem Donnerstag morgen im August, Staub und Arbeitsgeräusche. Ein Schild für einen Besuchertreffpunkt lässt das Gefühl zu, eventuell hier richtig zu sein. Wir warten.

Riva steht für Luxus und Lifestyle, für Prominenz und Geld, für Stil und Anmut, für eine Ära, die unser Gefühl von Reichtum und Lebensfreude bis heute prägt. Brigitte Bardot, Sophia Loren, Sean Connery und George Clooney. Man kennt die Fotos von Prominenten, die sich auf den Luxusbooten präsentieren und man fragt sich, wer bewirbt hier eigentlich wen. Luxus wirbt für Luxus. Wir warten in der glühenden Mittagshitze.

Dann kommt ein weißer Fiat 500 vorgefahren. Giada, eine junge italienische Frau mit schwarzen Locken und kurzem Jeansrock steigt aus und bittet um einen Moment Geduld. Ok, wir sind hier richtig. Später erzählt sie uns, zwei andere Teilnehmer hätten sich auch angemeldet, könnten aber nicht pünktlich erscheinen.

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Eine private Führung durch das private Kunstmuseum

So kommen wir in den Genuss einer Privatführung durch das Herz des italienischen Lebensgefühls der 50-ger und 60-ger Jahre, der privaten Riva-Sammlung der Familie Bellini. Bellini ist eine der führenden Werften am Iseo-See, so wie Riva oder Rio, die gegenüber des Sees liegen, vielleicht acht Kilometer entfernt. Wir tauchen ein in die Welt der Familien Bellini und Riva. Zu zweit in einer privaten und aufschlussreichen Führung, die nachwirkt. Mit zahlreichen Informationen über den Bau und den Prozess der Restauration von Riva-Booten, über das Material, über das Mahagoniholz, das bis zu zehn Jahre gelagert wird, bis der Feuchtigkeitsgehalt unter 5% gelangt und dann erst verarbeitet werden kann. Es wird spannend, egal, ob man sich vorher mit Rivas beschäftigt hat oder nicht.

Wir tauchen in die Lagerhalle, in die Arbeitsgeräusche und den Staub ein. Aktuell stehen drei Rivas in der Restaurationsabteilung, eine davon stark beschädigt, weil sie zwei Monate im Salzwasser lag. Rivas sind Divas. Wir erfahren, dass Rivas kein Salzwasser vertragen und am besten direkt nach Gebrauch wieder trocken gelagert werden sollten. Die Werften seien darauf spezialisiert und würden die edlen Holzboote in einer Art Garage lagern. Zwei Stunden vor dem Einsatz würden sie aus dem Trockendeck per Kran in das Hafenbecken gehoben und poliert. Dann kann es losgehen. Für eine Tour über den Iseo See, über den Comer See oder den Gardasee. Dort seien noch die meisten der etwa 3000 Rivas zu finden. 3000 von etwa 4300 gebauten Holz-Rivas, die in der Zeit von 1952-1969 gebaut worden sind. Wer eine Riva hat, pflegt sie bzw. lässt diese fachmännisch in einer renommierten Werft aufarbeiten und pflegen. Das kostet zwar ein kleines Vermögen bis zu der Höhe einer Viertelmillion Euro, die aber nachhaltig angelegt sind. Rivas sind rar und verlieren nicht an Wert, im Gegenteil. Bis zu einer knappen Million Euro werden gut erhaltene Aquaramas gehandelt. Die Kosten für die Instandsetzung zahlen sich schnell aus.

20 edle Holzboote

Die Führung durch das private Riva-Museum der Familie Bellini ist in zwei Teile gegliedert. Wir starten unten im staubigen Arbeitsbereich, dort, wo Rivas über den Zeitraum von ein bis zwei Jahren fachmännisch aufgearbeitet werden. 30-35 Lackschichten würden über den überkreuzten Mahagoni-Paneelen eines einzigen Baumes nach und nach aufgetragen. Das braucht Zeit. Ebenso die aus dem gleichen Holz gefertigten Mahagoni-Propfen, die die darunter liegenden Schrauben verdecken.

Giada, die nach dem Studium vor drei Jahren als Marketing – und Kommunikationsprofi zu Bellini kam, zeigt uns mithilfe der Taschenlampenfunktion ihres iPhones die kleinen Kreise aus Mahagoniholz. Fotos sind in diesem Bereich nicht gestattet, aber im oberen Teil der Ausstellung. Nach etwa 20 Minuten gehen wir in den zweiten Stock und kommen in eine große schlichte weiße Halle mit insgesamt 20 Rivas, U-förmig aufgestellt. Sehr basic, die edlen Kunstobkekte brauchen keine aufwändige Präsentation.

Ein Air-Conditioner sorgt für eine gleichmäßige Klimatisierung, ansonsten stehen hier alle Modelle in Reih und Glied. Die Racing-Riva der ersten Stunde, die 1934 im legendären Rennen von Pavia bis Venezia gewonnen hat, die ersten hölzernen Fischerboote mit Original-Accessoires bis Carlo Riva seine Passion für das Boot als Lifestyle-Produkt erkannt hat.

Ab etwa 1952 nehmen die Rivas die Form an, die wir kennen. Formschön und elegant und immer exquisiter, um den Anforderungen der Zeit gerecht werden. In den Booten, zum Anfassen nahe, befinden sich die originalen Accessoires, wie beispielsweise die ersten Stoff-Fender mit dem ursprünglichen Riva-Emblem und Mahagoni-Leitern, die in den Booten liegen.

Wissen über die Familie Bellini

Giada überrascht uns mit ihrem fundiertem Wissen über die Familie Bellini und die ausgestellten Exponate, die sich nach hinten hin in diesem Raum immer weiter entwickeln, optisch und technisch. Es beginnt mit dem ersten Sonnendeck, geht über die sich immer weiter entwickelnden Motoren von Rolls Royce über Chris Craft, über Badeleitern und Befestigungsmöglichkeiten für Wasserski und Badedecks am Heck. Die Entwicklung läuft in den Jahren von 1952 bis 1969 kontinuierlich. Unumstrittener Höhepunkt ist die legendäre Aquarama aus dem Jahr 1962. Prominente Namen aus Hollywood besaßen zum Teil mehrere davon und posierten in den Medien mit dem neuen Statussymbol italienischer Herkunft.

Mit der Entwicklung der Printmedien wurden Schwarz-Weiß-Fotos der Prominenz auf den typischen Holzbooten weltweit bekannt. Auch in Hollywood-Filmen, wie beispielsweise in James Bond Filmen, waren Filmstars immer häufiger in Rivas zu sehen.

Wer etwas auf sich hielt, ließ sich in dem italienischen Edelboot ablichten und erlangte dadurch den Status der Unsterblichkeit. Der Mythos ist noch immer spürbar. Auch in dieser schlichten, klimatisierten Lagerhalle. An einigen Booten stehen hölzerne, aquamarin gestrichene Treppenstufen, um in das Innere der immer größer werdenden Holzikonen schauen zu können.

Wir erfahren von Modell zu Modell, wie sich die Motorenleistung stetig steigert, wie sich die Form des Hecks entsprechend den Anforderungen an dieses Lifestyle-Produkt verändert und wie sich die uns heute bekannten Details immer weiter herausbilden. Wir sehen und fühlen, wie sich die Entwicklungen der Zeit auch an den Booten bemerkbar machen, wie an der dort ausgestellten Riva-Junior, die teilweise weiß lackiertes Mahagoniholz hat, um mit den aufkommenden Fiberglassbooten optisch mithalten zu können.

Die Rivas als Symbol der Zeitgeschichte

Giada hat auf jede unserer Fragen Antworten, lässt uns in die Welt des Jet-Sets der 50-ger und 60-ger Jahre abtauchen und gibt uns ausreichend Zeit für unzählige Fotos. Trotzdem ist es schwer, den dort gefühlten Mythos mit der Kamera einzufangen.

In der Mitte ist eine kleinen Riva, fast eine Kindervariante, die im Verhältnis 1-2 Patin zu ihren größeren Schwestern stand und vielleicht irgendwann fern gesteuert werden kann. Eine schöne Idee.

Und schließlich eine Aquarama, die von dem Streetart-Künstler Romero Britto modern und bunt designt worden ist, einem brasilianischem Rizzi, der unter anderem Boote und Autos popartmäßig umgestaltet. Geschmacksache, wem es gefällt.

An den Wänden finden wir schließlich noch Fotos von Carlo Riva und Romano Bellini, die nach dem frühen Tod Bellinis Vater besonders eng zusammen fanden und die die Legende Riva durch ihre fachmännische Aufarbeitung und Präsentation nicht nur in ihrer Heimat am Iseo-See, sondern in der ganzen Welt unsterblich gemacht haben. Zu Recht. Wir sind beeindruckt von der Aura der Boote und dem Wissen der jungen Frau.

Diese Ausstellung lohnt sich

Egal, ob für Riva-Enthusiasten oder Touristen, die sich an schönen Booten erfreuen können. Die 25 Euro pro Person lohnen sich und bringen die Geschichte sowie die Boote der Familie Riva nah, nachhaltig. Nicht zuletzt durch die kompetente und unaufgeregte Führung durch Giada.

Once-in-a-lifetime

Wer auf den Geschmack gekommen ist, könnte diese Erfahrung durch einen „Once in a lifetime-Trip“ mit einer original Riva auf dem Iseo-See oder auf dem Comer-See vervollkommnen. Für gut 700 Euro ist es möglich. Zu buchen über Bellini Nautica direkt (www.bellininautica.it) oder über die Seite Lake Iseo (www.visitlakeiseo.info). Ganz unkompliziert. Mit einer Gruppe von bis zu sieben Personen das Gefühl erleben zu dürfen, mit einer Riva über den See zu fliegen. Zumindest einmal im Leben. Warum nicht. Oder aber - einmal im Leben- umrundet von Rivas, ein privates Dinner zu genießen, z.B. bei einer Hochzeit. Auch das ist über Bellini Nautica buchbar.

Auch wenn diese Ausstellung auf den ersten Blick wie ein Fünf-Gänge-Menü eines Starkochs in der Halle des örtlichen Sportvereins wirkt, so unaufgeregt und nachhaltig wirken die Bilder nach. Und wer weiß, vielleicht ist doch irgendwann ein Dinner inmitten der Ikonen aus Mahagoniholz oder eine Fahrt auf einer Aquarama in der Überlegung. Ich glaube schon. Irgendwann.


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