Das Jahr ist noch nicht zu Ende, aber die Saison 2024 kann bereits abgehakt werden. Die Charterbasen im Binnenland und an der Ostseeküste sind geschlossen, und die meisten Boote sind im Winterlager. Es beginnt die Zeit der Rückblicke. Allerdings dürfte die Erinnerung an den Sommertörn angenehmere Gefühle hervorrufen als der Blick auf die Wirtschaftslage in 2024. Denn ähnlich wie die schwache Wirtschaft in Deutschland, wo immer mehr Unternehmen Stellen abbauen, bewegen sich auch die Umsätze der Wassersportbranche auf niedrigem Niveau.
Das geht aus Zahlen hervor, die Karsten Stahlhut, Geschäftsführer des Bundesverbands Wassersportwirtschaft (BVWW), im November in Hamburg vorstellte. Sie lassen die Schwierigkeiten erkennen, mit denen viele Bereiche im Sportbootsegment zu kämpfen haben.
Obwohl die Inflation mittlerweile konstant bei zwei Prozent liegt, bleiben die Zinssätze hoch. Wer einen Bootskauf finanzieren möchte, muss derzeit also viel Geld für einen Kredit bezahlen. Andererseits locken attraktive Zinserträge auf Sparkonten und andere Geldanlagen. Die Folge: Potenzielle Bootskäufer tun sich derzeit schwer, ihre Unterschrift unter einen Kaufvertrag zu setzen. Sie lassen ihr Geld lieber auf der Bank und kassieren Zinsen. Werften und Bootshändler bleiben gegenwärtig auf neuen Booten sitzen. Hinzu kommt bei vielen Menschen die Sorge um ihren Arbeitsplatz, und auch die anhaltenden Kriege in der Ukraine und Israel sorgten hierzulande für eine allgemeine Kaufzurückhaltung.
Das Gesamtbild ist jedoch komplexer. Nicht alle Segmente im Bereich Wassersport sind gleichermaßen betroffen. Eine genauere Analyse zeigt, wo derzeit Probleme bestehen und wo es positive Entwicklungen gibt:
Laut Stahlhut blieb der Charterbereich insgesamt 2024 hinter den Erwartungen zurück. Dies betrifft die Bootsvermietungen auf Deutschlands Seen und Flüssen sowie das Ostseegeschäft. Die Gründe sind vielfältig. Einerseits sind die Kunden preissensibler geworden. Statt die neuen Boote der Saison zu chartern, greifen sie auf ältere und kleinere Modelle zurück. Die sind in der Regel deutlich günstiger.
“Und”, so Stahlhut: „wir merken, dass wegen der schwierigen Wirtschaftslage für viele der zweite oder dritte Charterurlaub im Jahr entfällt.” Auch der Haupturlaub im Sommer sei seltener ein Chartertörn als in den Vorjahren. Zusätzlich habe das schlechte Wetter in der ersten Sommerhälfte dazu geführt, dass das Last-Minute-Geschäft an der Ostsee fast vollständig ausgeblieben sei.
Dieser Abwärtstrend ist auch im Mittelmeer zu beobachten. Dort ging die Nachfrage 2024 sogar zurück. Ein Sonderfall ist Kroatien: Nach der dortigen Euro-Umstellung sind die Preise stark gestiegen. Karsten Stahlhut:
Das Land hat ein Kostenproblem. Alles - vom Flug über das Essen mit der Familie bis hin zur Ankerboje - ist teurer geworden.“
Der Branchenkenner sagt, dass jetzt große Rabatte notwendig seien, um den angespannten Markt zu beleben. Es gibt jedoch auch erfreuliche Nachrichten: Im Mittelmeerraum wird weiterhin in neue Boote investiert.
Laut dem Bundesverband Wassersportwirtschaft hat vor allem aber der Bootshandel zu kämpfen. Dieser litt in den letzten anderthalb Jahren besonders stark - vor allem im Bereich kleiner Motor- und Segelboote bis etwa sieben Meter Länge. Einige Firmen hätten bereits aufgeben müssen, andere kämpften derzeit ums Überleben. Gut verkaufen ließen sich hingegen weiterhin Yachten im oberen Größen- und Preisbereich.
Stahlhut vermutet, dass die Nachwirkungen der Corona-Pandemie für die Flaute im Segment kleiner und mittelgroßer Boote verantwortlich sind. Während der Pandemie kamen viele neue Yachten auf den Markt. Doch nach deren Ende wandten sich so Manche wieder vom Bootssport ab. Dadurch gibt es derzeit jede Menge junge Gebrauchte am Markt - was den Absatz neuer Yachten erschwert. Zudem hätten viele Werften die Preise deutlich erhöht.
Doch es klart langsam auf, meint Stahlhut. „Viele Unternehmen gehen davon aus, dass die Talsohle durchschritten sei.“ So habe es seit dem Spätsommer eine spürbar höhere Nachfrage gegeben. Viele vom Verband befragte Firmenchefs gingen von einer Erholung bis 2026 aus.
Das zeigt sich auch in der Wirtschaftsvorhersage des Verbandes. Demnach erwarten mehr als die Hälfte der Unternehmen eine bessere Konjunktur im Vergleich zum Vorjahr. 2022 waren es nur43 Prozent.
Auch Petros Michelidakis, der Direktor der Boot Düsseldorf, zeigt sich zuversichtlich. Die Buchungslage der bevorstehenden Messe deute daraufhin, dass die Unternehmen die Zukunft optimistischer einschätzen als es die aktuellen Zahlen vermuten lassen.
Auch bei den Kunden sei das Interesse am Bootssport ungebrochen: Bei einer Umfrage auf der letzten boot Düsseldorf gaben 41.000 Besucher an, in den nächsten drei Jahren ein Boot kaufen zu wollen. „Von einer Flaute kann keine Rede sein. Es handelt sich eher um eine windarme Phase”, sagt Michelidakis.
Positiv gestimmt sind die Refit-Betriebe im Land. Sie profitieren von der großen Anzahl an Gebrauchtbooten. Laut Stahlhut sind ihre Auftragsbücher voll. Allerdings ist, wie in vielen anderen Branchen, der Fachkräftemangel ein Problem.
Gute Nachrichten gibt es zudem erstmals hinsichtlich der vielerorts angespannten Liegeplatz-Situation. Laut Stahlhut gebe es wieder freie Kapazitäten in den Marinas – und das sogar am Bodensee, wo traditionell Liegeplätze von Generation zu Generation vererbt werden. Das liegt laut Stahlhut daran, dass mehr Menschen aus dem Bootssport aussteigen als nachrücken.
Der Wassersportbranche weht derzeit also noch in vielen Bereichen der Wind ins Gesicht. Händler und Werften stehen wegen der angespannten Wirtschaftslage vor großen Herausforderungen. Das schlechte Wetter in der ersten Jahreshälfte hat im Charterbereich ebenfalls Probleme verursacht. Mit Blick auf die Zukunft ist die Branche jedoch verhalten optimistisch. Die Talsohle sehen viele durchschritten, und das gute Vor-Corona-Niveau hoffen viele bald wieder zu erreichen.