WerftreportHorizon Yachts produziert in Rekordgeschwindigkeit 100-Fußer

Nils Leiterholt

 · 27.07.2024

Mittendrin: In der Horizon City Marina im Herzen Kaohsiungs finden bis zu 40 Yachten mit Längen bis 130 Fuß Platz. Dahinter steht ein Messegebäude
Foto: Werft
Im taiwanesischen Kaohsiung investierte die Horizon Group während der COVID-19-Pandemie über 30 Millionen US-Dollar in ihre Produktionsstätte. Die Werft liefert 100-Fußer innerhalb eines Jahres nach Bestellung aus. BOOTE EXCLUSIV besuchte die Werft

Während viele andere Unternehmen in der Zeit der COVID-19-Pandemie ihr Geld tendenziell gespart haben und versuchten, ihre Ausgaben so gering wie möglich zu halten, investierten die Taiwanesen in Kaohsiung in ihre Werft. Mehr als 30 Millionen US-Dollar flossen in die eigene Produktionsstätte. Diese liegt in einem Industriegebiet von Kaohsiung. Horizon hat einen derart wirtschaftlichen Stellenwert für die Stadt, dass es sich Yang Ming-chou, der Bürgermeister der 2,73-Millionen-Einwohner-Stadt, nicht nehmen ließ, während der Open-House-Veranstaltung bei Horizon vorbeizuschauen.

Bei einer Investition dieser Größenordnung in die eigene Infrastruktur muss selbstverständlich auch die Politik mitspielen. Um die neue Fünf-Achsen-CNC-Fräse in Betrieb nehmen zu dürfen, brauchten die Yachtbauer aufgrund der Präzision, mit der sie arbeitet, gar die Erlaubnis der taiwanesischen Regierung. Sie ist nur eines der Highlights, die die Werft stolz auf dem Produktionsgelände präsentiert. Während des Besuchs waren die Bauarbeiten an einer neuen Halle noch nicht ganz abgeschlossen. Angesprochen auf das, was die selbst betitelte „Customization-Werft“ auszeichnet, hebt John Lu die Geschwindigkeit hervor, mit der seine Gruppe die Yachten seiner Kunden fertigstellt. „Modelle zwischen 80 und 100 Fuß können wir innerhalb eines Jahres nach der Bestellung ausliefern“, bestätigt der Gründer und CEO der Horizon-Gruppe.

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Diese Schnelligkeit in der Produktion führt der Geschäftsführer vor allem darauf zurück, dass bei Horizon Yachts vieles intern passiert, wofür andere Werften Subunternehmen beauftragen. Dass er für sein Team eine hohe Anzahl hoch qualifizierter Mitarbeiter findet, begründet Lu mit der langen Tradition des Bootsbaus und der damit verbundenen hohen Qualität der Ausbildung in diesem Sektor. In der Gruppe beschäftigen die Taiwanesen allein über 50 Ingenieure. „Wir finden meist für alle Gewerke eine werftinterne Lösung“, so der Geschäftsführer.

Ein großer Erfolg von Horizon Yachts ist die FD-Serie

1987 gegründet ist Horizon Yachts zur größten Werft für Superyachten in der APAC-Region herangewachsen, aktuell entstehen 27 Yachten mit einer Gesamtlänge von 775 Metern. Dieser Erfolg ist nicht zuletzt dem umtriebigen Gründer und Geschäftsführer der Gruppe zu verdanken. Insgesamt lieferte Horizon mehr als 910 Yachten aus, 250 davon in der Länge über 80 Fuß. Ein großer Erfolg der Werft ist die FD-Serie. Die Yachten stammen aus dem Rechner des niederländischen Designers Cor D. Rover und zeichnen sich durch ihr großzügiges Raumangebot aus. Bis dato wurden bereits über 70 FD-Yachten von Horizon an Eigner übergeben. Über die Zusammenarbeit mit Lu sagt Cor D. Rover, der ebenfalls zu der Veranstaltung nach Kaohsiung gereist war: „Ich bin der Träumer, John ist der Realist.“ Außerdem sei es für ihn seine persönliche Herausforderung, die Wünsche und Träume der Kunden in ein ansprechendes Design zu verpacken.

Das meistverkaufte Modell aus der FD-Serie ist die FD90. Von ihr wurden bereits 27 Einheiten geordert. Dicht gefolgt von der FD80, FD100, FD75 und FD110. Dass der Hauptmarkt der Taiwanesen in den USA liegt, ist auch an der Verteilung der Eigner von FD-Yachten zu erkennen. Über die Hälfte der verkauften Einheiten war für Eigner aus Nordamerika bestimmt, ein Viertel der ausgelieferten Formate ging nach Australien und Neuseeland. Die restlichen 25 Prozent der Modellreihe lieferte Horizon zu etwa gleichen Teilen nach Europa und Asien.

Ein neuer Markt, in den Horizon Yachts vorstoßen möchte, ist der Refit-Markt. Dafür investierte das Team um John Lu in ein leistungsstarkes Schiffshebewerk. Das System von Pearlson Shiplift geht noch dieses Jahr in Betrieb. Die Anlage ist 60 Meter lang, 13,70 Meter breit und soll Yachten mit einer Verdrängung von bis zu 1800 Tonnen aus dem Wasser hieven. Lu sieht den Kapitalaufwand hierfür als wichtigen Schritt, um „Wartungs-, Reparatur- und Refit-Dienstleistungen für Schiffe aus aller Welt anbieten zu können“.

Patentiertes Vakuuminfusionsverfahren

Bereits seit 2000 wendet Atech Composites, eine hundertprozentige Tochter der Horizon-Gruppe, das Vakuuminfusionsverfahren an. Ihre eigens entwickelte 6-D-Infusionstechnik ließen die GFK-Spezialisten sowohl in Taiwan als auch in den USA patentieren. Beim mittlerweile weltweit bewährten und besonders im Yachtbau üblichen Vakuuminfusionsverfahren wird Vinylesterharz mittels Vakuum in einen vorher klar definierten Laminataufbau eingesaugt. Diese Methode bietet signifikante Vorteile gegenüber traditionellen Handauflegeverfahren, insbesondere in Bezug auf Materialeigenschaften und Qualitätskontrolle.

Der Prozess beginnt mit der Vorbereitung der Form, auf die eine Trennschicht aufgetragen wird, um das fertige Teil leicht entnehmen zu können. Anschließend werden die Kompositlagen bestehend aus Glas- oder Kohlefasern und gegebenenfalls einem Kernmaterial präzise in die negative Rumpfform eingelegt. Schließlich installieren die Laminierer eine luftdichte Folie um das Bauteil, um so mittels Pumpen ein Vakuum zu erzeugen. Das Vinylesterharz lagert in großen Tonnen und wird über ein verzweigtes Schlauchsystem mit der Vakuumkammer verbunden.

Sobald der Behälter geöffnet und das Harz eingesaugt wird, gewährleistet der Unterdruck eine gleichmäßige Verteilung des Harzes im gesamten Bauteil. Der Flussprozess und die Temperatur werden sorgfältig überwacht, um sicherzustellen, dass alle Bereiche der Form vollständig benetzt sind. Nach der Infusion wird das Bauteil weiterhin unter Vakuum gehalten, bis das Harz komplett ausgehärtet ist, was meist mehrere Stunden dauert. Nach dem Aushärten entnimmt die Werft den laminierten Rumpf oder das Deck aus der Form und arbeitet gegebenenfalls nach.

Das 6-D-Infusionsverfahren von Horizon Yachts erweitert die herkömmliche Vakuuminfusion um zusätzliche Dimensionen der Qualitätskontrolle und Prozessoptimierung, um die Herstellung extrem leistungsfähiger Verbundwerkstoffe zu ermöglichen. Die Fertigungsmethode weckte auch schon das Interesse deutscher Firmen. Die Windkraft-Sparte des Unternehmens Fassmer arbeitet bereits seit vier Jahren mit den taiwanesischen Komposit-Experten zusammen.


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