Werfttore aufExklusive Einblicke in die Hallen von Alia Yachts in Antalya

Christian Sauer

 · 23.03.2025

Konzentration: Obwohl auch 80-Meter-Formate realisierbar wären, beschränkt sich Alia bewusst auf einzelne Aufträge über 60 Meter. Links „Kaiyo“, rechts „0110“.
Foto: Pozitif Studio
Wie vielfältig das Leistungsspektrum von Alia Yachts ist, unterstreicht jede Ablieferung der türkischen Werft. BOOTE EXCLUSIV erlebte in Antalya neben dem „Kensho“-Versorger „Kaiyo“ sechs sehr unterschiedliche Projekte im Bau und eine enorm hohe Fertigungstiefe.

In den letzten Jahren hat sich die Freihandelszone im Westen von Antalya zu einem äußerst potenten Cluster des Yachtbaus entwickelt, der den innertürkischen Vergleich mit der Metropolregion Istanbul oder international mit Italien nicht scheuen sollte. Ganz im Gegenteil. Namen wie Bering, Damen und neuerdings Dynamiq prangen an großen Hallen, doch der Platzhirsch ist Alia Yachts. Inklusive Subunternehmen sind rund 700 Mitarbeitende auf fast 30.000 Quadratmetern überdachtem Betriebsgelände samt eigenen Interieur-Werkstätten in einem separaten Gebäudekomplex innerhalb der Freihandelszone tätig.

Im letztgenannten befinden sich zudem die meisten Büros – doch nicht das von Gökhan Çelik, dem Präsidenten von Alia, der die Werft zusammen mit seinem Geschäftspartner Ömer Koray Ende 2008 gründete. Um ihn zu treffen, geht es stattdessen für uns ebenso wie für Kunden zu den sechs mit Arbeit gefüllten Produktionshallen. Dort angekommen, erklimmen wir die steile Treppe zur Empore und erreichen sein Büro. Obwohl die Klassifikationsgesellschaft gerade zu Prüfterminen in den Hallen ist, erwartet uns der ehemalige Banker sichtlich entspannt.

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Kurze Wege und pragmatische Lösungen bei Alia Yachts

Während nur wenige Meter entfernt beim Schweißen die Funken fliegen, gehämmert und geschliffen wird, schließt Gökhan Çelik seine Bürotür, und es kehrt Ruhe ein. Wir nehmen am Konferenztisch neben seinem Schreibtisch Platz. Durch die Holzlamellen der Fensterfront bleibt das geschäftige Treiben davor stets im Blick. „Genau deshalb habe ich mein Büro hier“, schmunzelt der international gut vernetzte Kosmopolit und ergänzt: „Meine Mitarbeiter versuchen schon länger, mich von einem schöneren Büro in unserem Verwaltungstrakt zu überzeugen, aber ich möchte lieber nah dran bleiben.“

Doch es geht ihm dabei nicht um die Kontrolle der Mitarbeitenden, sondern um kurze Wege und ebenso rasche wie pragmatische Lösungen: „Entweder bin ich selbst hier oder mein Geschäftspartner ist vor Ort – wir sind praktisch immer greifbar, und Eigner beziehungsweise ihre Vertreter mögen die Nähe zur Produktion auch. Wir wollen den gesamten Bauprozess zu einem angenehmen Erlebnis für unsere Kunden machen.“ Und sie kommen vor allem aus Europa und aus den USA. Natürlich wissen sie den Preisvorteil in Antalya gegenüber europäischen Bauplätzen zu schätzen, doch selbst im Zuge der hohen türkischen Inflation und somit steigenden Preisen scheinen andere Kriterien für Alia zu sprechen.

Preisvorteil nicht ausschlaggebend

„Wir vermarkten uns nicht über den Preis, sondern setzen auf Full Custom, auf Qualität und unseren Aftersales Service über die Lebenszeit des Bootes“, fasst Gökhan Çelik selbstbewusst zusammen und überrascht zugleich mit Understatement: „Zwar reorganisieren wir uns gerade, aber wir wollen nicht wachsen. Von Zeit zu Zeit nehmen wir größere Aufträge an, weil sie uns reizen und fordern, aber wir fühlen uns sehr wohl im Segment bis 500 Gross Tons und konzentrieren uns darauf.“ Diese Strategie spiegeln auch die aktuellen Neubau-Projekte wider.

In den sechs Hallen, in die durchaus 80-Meter-Formate passen würden, reicht das Spektrum aktuell von 43 bis 60 Meter. Dazu zählen unter anderem ein Explorer mit Stahlrumpf und Stahlaufbauten, ebenso wie ein 40 Knoten schneller, 50 Meter langer und elf Meter breiter Alugleiter mit sehr markantem Bug sowie Carbondach aus eigener Fertigung: „Das wird spektakulär!“ Die persönliche Begeisterung von Gökhan Çelik, der bereits in seiner Jugend mit dem Yachtfieber angesteckt wurde, ist ihm auch bei unserer folgenden Stippvisite der eigenen Interieurproduktion anzumerken.

Stammkunde aus Deutschland

„Das sieht echt gut aus“, kommt es Gökhan Çelik offensichtlich spontan über die Lippen, als er zum ersten Mal das Mockup des Salons eines Neubaus begutachtet und nicht mit Lob für sein Team spart, „sie machen wirklich einen super Job und wachsen mit zunehmenden Herausforderungen immer wieder über sich hinaus.“ Die für die Türkei traditionell hohe Handwerkskunst sowie Leidenschaft für Holz, Marmor und Leder vereint sich bei Alia mit europäischen Qualitätsstandards.


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Das beweist ebenfalls die 52,50 Meter lange „Kaiyo“, alias Projekt „Sea Club 53“. Sie wartet zum Zeitpunkt des Werftbesuchs im wenige Meter entfernten Hafenbecken auf die finale Ausrüstung kurz vor der Auslieferung. Ihre rumpfbreite Eignerkabine und zwei Gästekabinen jeweils mit Bad en Suite verwandeln die Stahl-Alu-Konstruktion bei Bedarf vom Begleitschiff in einen selbstständigen Explorer. Die Parallelen zum Interieurdesign von „Samurai“, die Alia 2016 mit 60 Meter Länge wasserte, ebenso wie die Parallelen zum Exterieur von „Kensho“ bestätigen den Verdacht auf ihre Bestimmung. Wenn nicht gerade auf Solopfaden unterwegs, werden „Kaiyo“ und „Kensho“ als Duo auftreten, um ihrem deutschen Eigner neue Perspektiven zu eröffnen. Von der Qualität der Werft überzeugt, stellte er Alia allerdings vor neue technische Herausforderungen.

Versorger-Erfahrung mit „Phi Phantom“

Neben diversen Übernachtungsmöglichkeiten, der Oberdecklounge, mehreren Freiluftarealen (Versorger-untypisch auch auf dem Sonnendeck) und dem Tauchcenter des Hauptdecks – alles im Superyacht-Ausbaustandard gehalten – warten auf den erfahrenen Kunden zahlreiche Tender und Toys. Schwerere Helikopter des Formats Airbus H145 landen auf einem zertifizierten Helipad mit Tankstelle und komplett ins Deck integrierter Beleuchtung; hinzu kommen ein U-Boot von Triton inklusive umfassender Peripherie, ein Wassersportboot auf der Badeplattform, ein Acht-Meter-Landungsboot von Cockwells sowie ein 13-Meter-Tender.

Bei der Frage nach dessen Hersteller lächelt Gökhan Çelik verschmitzt: „Den haben wir auch gebaut und vorweg zum Mutterschiff in die Karibik geschickt.“Und ergänzt: „Meine Mitarbeiter, insbesondere die Ingenieure und Projektmanager, haben mich sicher für verrückt gehalten, als ich mit dem Auftrag für ,Sea Club 53‘ zu ihnen kam.“ Er betont die Komplexität und führt als Beispiel die nach oben schwenkenden Klappen und die Kräne für die großen Tender sowie für das U-Boot an. „Wir profitierten von unserer Erfahrung mit ,Phi Phantom‘, aber mussten dennoch alles neu konstruieren und zertifizieren. Es muss eben nicht nur perfekt aussehen, es muss auch perfekt funktionieren – immer und unter allen Bedingungen. Das ist unser Anspruch, und daran werden wir zu Recht gemessen.“

Kompakter und zugleich stylisher Verdränger

Zum Abschluss des Tages bei Alia möchte uns Gökhan Çelik noch die im Sommer 2023 zu Wasser gelassene „0110“ zeigen, die in der Bucht von Kemer vor Anker liegt. Wir müssten sie selbst gesehen und erlebt haben, um das Konzept zu verstehen. Gesagt, getan – nach vierzigminütiger Fahrt im Luxusvan erreichen wir die dortige Marina und steigen auf den Fünf-Meter-Tender um.

Kurz darauf nähern wir uns dem Dixon-Design, das auch durch die Breite von 7,27 Metern um einiges länger wirkt als die tatsächlichen 26,54 Meter. Auf eine Flybridge verzichtete man ebenso aus ästhetischen wie aus praktischen Gründen. Analog zur ähnlich großen „Atlantico“, die Alia und Pastrovich 2019 als Chaseboat realisierten, fokussierten sich die Teams auf die Open-Air-Areale im Bug und Heck. Dank herunterklappbarer Bordwände und der Badeplattform samt Transformer-Verlängerung entstand eine für das Segment enorme Fläche, die mit oder ohne Sonnenschutz zum Verweilen einlädt. Flexibel nutzbare Tische bieten zehn Gästen und mehr bequem Platz. Der rumpfbreite Salon öffnet sich nach achtern stufenlos und schier grenzenlos mit verschwindenden Schiebetüren, ist klimatisierbar, wird aber zumeist über natürliche Zirkulation belüftet.

Hohe Ansprüche und Erwartungen bei Alia Yachts

Das minimalistisch, maskuline Interieur entwarf der türkische Eigner zusammen mit den Designern von Alia und dem Studio CT Mimarlik aus Istanbul. Zugunsten des Raumgefühls wurde unter Deck auf eine dritte Gästekabine verzichtet. Dadurch wirken die zwei vorhandenen mittschiffs sowie die Eignerkabine inklusive diagonal installiertem Bett überraschend großzügig. Passend dazu erinnert das Detailreichtum eher an Großformate als an 26 Meter.

Bemerkenswert für die Länge von „0110“ sind ebenfalls der vergleichsweise große Crewbereich hinter den beiden Gästekabinen und der damit verbundene Maschinenraum mit je zwei Seakeeper-Stabilisatoren und Volvo Penta IPS1350. Sie beschleunigen den Alu-Verdränger mit Carbon-Aufbauten bis auf 22,5 Knoten. Technisch, qualitativ und optisch bestätigt auch das kompakte Einzelstück den Anspruch von Alia Yachts, zu den weltweit führenden Werften für Full-Custom-Projekte bis 500 Gross Tons zu gehören. Für sehr anspruchsvolle Eigner à la „Kaiyo“, „SAN“, „Al Waab“, „Phi Phantom“, „Atlantico“ und Co. ist der vielseitige Betrieb mit nachhaltiger Wachstumsstrategie in Antalya die erste Adresse. Weitere Überraschungen werden Gökhan Çelik und seine Mannschaft der Yachting-Welt sicher demnächst bescheren.


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