BootspraxisSchritt für Schritt – so schleppen Sie Boote richtig ab

Erich Bogadtke

 · 26.09.2025

Das Zuwerfen der Leine will geübt sein
Foto: BOOTE-Archiv
​Was muss ich tun, wenn ich auf fremde Hilfe angewiesen bin? Beim Abschleppen eines Bootes gibt es sowohl für den Schlepper, als auch für den Abgeschleppten einiges zu beachten. Hier die wichtigsten Tipps.

​Not kennt kein Gebot. Oder doch? Wer in einer echten Zwangslage steckt, wird sich im Zweifel nicht um Verordnungen, Weisungen und Paragrafen kümmern. Wer will ihm das verübeln? Erst recht, wenn es um Leib und Leben geht. Klar, Seenot ist das eine, aber was mache ich, wenn der Motor streikt oder die Ruderanlage plötzlich ihren Geist aufgibt? Irgendwie raus aus dem Fahrwasser, weg von der Untiefe und Anker werfen? Wenn’s geht, ja. Und wenn nicht? Wer manövrierunfähig im Fahrwasser treibt, sollte schon aus eigenem Interesse die übrige Schifffahrt warnen. Fragt sich nur wie?

So macht man auf sich aufmerksam

Wer gar nichts an Bord hat, wird dies durch wiederholtes Heben und Senken der seitlich ausgestreckten Arme versuchen. Das klappt natürlich nur, wenn die anderen Boote oder Schiffe in unmittelbarer Nähe sind. In diesem Fall hilft unter Umständen auch Hupen und Blinken (Positionslaternen). Wer hat, kann Handfackeln oder Leuchtraketen einsetzen, um auf seine Notlage aufmerksam zu machen. Weil Weggucken und -hören heute leider weitverbreitet sind, funktioniert jedoch selbst das nicht immer. Funkgerät und Telefon sind da erwiesenermaßen eindeutig besser.

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Funk und Handy sind die erste Wahl

Über die Notruf-Kanäle 16 oder 70 DSC (das für moderne Funkgeräte vorgeschriebene und üblicherweise mit einem Kartenplotter gekoppelte „Digital Selective Calling“ leitet, per Knopfdruck aktiviert, den Notruf mit exakter Positionsangabe automatisch an die zuständige Rettungsstelle weiter), den Kanal 10 im Binnenschifffahrtsfunk oder den Nautischen Informationsfunk (NIF) wird man immer gehört.

Deutsche Nord- und Ostseeküste

Welche weitere Möglichkeiten zum Absetzen eines Notrufes es gibt: Vorausgesetzt, Ihr Handy hat ein Netz und einen geladenen Akku, erreichen Sie an der deutschen Nord- und Ostseeküste die Seenotleitung Bremen des „Maritime Rescue Coordination Centre“ (MRCC) der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) unter der Rufnummer 124 124.

​Binnengewässer

Auf Binnengewässern wählen Hilfesuchende 112 oder 110. Die Notrufzentrale informiert dann – abhängig von Standort und Situation – Wasserschutzpolizei, Feuerwehr, Wasser- und Schifffahrtsamt, DLRG oder bei Bedarf auch das Rote Kreuz.

​Adria und Balearen

Beim Wählen einer Notrufnummer per Handy, aktiviert sich der Ortungsdienst übrigens automatisch. Der private „Pannendienst SeaHelp“ ist für Mitglieder und solche, die es werden wollen, über eine 24-Stunden-Hotline unter den Nummern 0 03 85-919 112 112 (Adria) oder 00 800-112 00 112 (Balearen und Ostsee) zu erreichen.

Die DGzRS

Allen, die glauben, sie könnten die DGzRS nur rufen, wenn es „ums nackte Überleben“ geht, möchte die Pressestelle der DGzRS Folgendes sagen: „Wir sind immer da, sobald der Skipper Unterstützung braucht. Grundsätzlich ist es Sache des Schiffsführers, zu entscheiden, ob und welche Art der Hilfe er braucht. Es ist uns wichtig, deutlich zu machen, dass die DGzRS nicht nur im Seenotfall hilft, sondern auch, wenn technische Hilfe oder Einschlepphilfe benötigt wird.Die Rettung und Hilfeleistung durch Einheiten der DGzRS (abrufbar über UKW-Kanal 16) ist unabhängig von Person und Ursache immer kostenlos. In der Regel bittet die DGzRS jedoch um eine Spende, da sich ihre gesamte Arbeit ausschließlich durch freiwillige Beiträge finanziert.

Gut versichert?

Häufig tragen die Versicherer diese Kosten, da vom Fahrzeug ein größerer Schaden abgewendet wurde. Diese Frage sollte jeder für sich beizeiten mit seiner Versicherung abklären. Die Rettung aus Seenot ist selbstverständlich kostenlos.“

Zum Thema Versicherung: Wer glaubt, dass er mit einer Haftpflichtversicherung ausreichend versorgt ist, sollte bedenken, dass seine Haftpflicht nicht den Schaden am eigenen Boot regelt. Und schon gar nicht die Kosten einer Bergung und/oder Wrackbeseitigung. Wer nicht ausreichend versichert ist, verliert unter Umständen Haus und Hof. Deshalb ist eine Kaskoversicherung, in der Bergungs- und Wrackbeseitigungskosten gedeckt sind, in jedem Fall sinnvoll. Doch aufgepasst, die Kaskoversicherung zahlt selbstverständlich nur, wenn ein versichertes Schadensereignis vorliegt. Handelt der Skipper „grob fahrlässig“, muss er nicht nur den Schaden am eigenen Boot tragen, sondern auch die Bergungskosten.

An dieser Stelle nur so viel vorab: Abschleppen, unter See- und Bootsleuten lange Zeit eine selbstverständliche Hilfeleistung, für die man sich mit einer „Buddel Köm“ (hochdeutsch: Schnaps) oder einem Essen im Hafenrestaurant bedankt, kann unter Umständen zu einem handfesten Rechtsstreit führen. Laut § 27 Abs. 1 der Seeschifffahrtsstraßenordnung (SeeSchStrO) dürfen nur Fahrzeuge schleppen oder schieben, welche die dafür erforderlichen Einrichtungen besitzen und deren Manövrierfähigkeit beim Schleppen oder Schieben gewährleistet ist. Die nirgendwo festgeschriebene Ausnahme der Regel: Im Notfall darf (und soll!) natürlich ein Sportboot ein anderes „abschleppen“, aber bitte nur bis zum nächsten Hafen oder Liegeplatz.

Motorsportfahrzeuge, die andere Sportfahrzeuge schleppen, sagt § 2 Abs. 1 Nr. 7 der SeeSchStO, gelten nicht als schleppende Maschinenfahrzeuge im Sinne der Kollisionsverhütungsregeln (KVR). Das heißt, sie müssen die Ausweichregeln gegenüber anderen Fahrzeugen beachten, sind demnach aber nicht an die in Regel 24 der KVR vorgeschriebene Lichterführung gebunden.

Ob und wie das geschleppte Boot „bemannt“ sein muss, ist nicht geregelt. Sinnvoll ist eine „Mannschaft“ eigentlich nur, wenn sie den Havaristen mithilfe seiner Ruderanlage auf Kurs halten kann. Und beim Anlegen natürlich. Ansonsten ist man auf dem manövrierfähigen, schleppenden Boot besser aufgehoben. Sicher ist sicher! Verantwortlich ist in jedem Fall immer der Schiffsführer des „Schleppers“, dessen Versicherung bei einem „Ramming“ zur Kasse gebeten wird.

Wenn Sie trotz aller Risiken, die man mit einem Schrieb oder verbindlichen Absprachen unter Zeugen relativ schnell ausschalten kann, nicht zu den Wegguckern gehören und dem in Not geratenen Bootsfahrer Schlepperhilfe leisten wollen, sollten Sie ein paar praktische Dinge beachten:

Abschleppen: so geht’s

Wer auf den berühmten Haken genommen (also abgeschleppt) werden will, stellt sich für potenzielle Helfer gut sichtbar ins Cockpit oder noch besser aufs Vordeck und schwenkt die in Buchten aufgeschossene, bereitgehaltene Schleppleine.

Langsam von achtern anfahren Der „Schlepper“ nähert sich dem manövrierunfähigen Boot so langsam, es geht, aber mit Ruderwirkung von achtern in Lee (das ist die Richtung, in die der Wind weht) oder gegen die Strömung.

Auf gleicher Höhe angekommen, stoppt er auf und übergibt oder übernimmt die Schleppleine. Dass dabei auf beiden Booten genügend Fender ausgebracht werden müssen, versteht sich von selbst.

Achtung: Die Schleppleine nur werfen, wenn eine Hand-in-Hand-Übergabe längsseits nicht möglich ist (Flachwasser, unreiner Grund). Wichtig ist dann, dass der Schlepper den Havaristen mit dem Bug voraus anfährt. Der Grund: Wird die Leine zu kurz geworfen, kann sie in den Propeller geraten und den Schlepper manövrierunfähig machen. Wer in diesem Punkt auf Nummer sicher gehen will, hält eine schwimmfähige Schleppleine aus Polypropylen bereit. Besser ist eine aus Polyamid gefertigte Leine. Der auch als Schleppleine empfohlene Festmacher besitzt laut Hersteller die deutlich höhere Bruchlast, ist enorm scheuerfest und hochelastisch und kann deshalb auch in extremen Situationen ohne Ruckdämpfer eingesetzt werden. Soll die Leine ausschließlich zum Schleppen genutzt werden, empfiehlt es sich, an einem Ende eine Kausch aus Edelstahl oder Kunststoff zu befestigen (spleißen oder Augbändsel), die das Anstecken erleichtert.

Da nicht jedes Sportboot eine solide Wasserski-Zugöse besitzt und Klampen oder Poller nur selten mittschiffs platziert sind, ist es sinnvoll, die Schleppleine über eine Hahnepot zu führen. Die mit einer stabilen Zugöse ausgestattete Hahnepot verteilt die Zuglast auf zwei (oder mehr) Punkte und entlastet so die Belegklampen oder Poller an Heck oder Bug. Zudem läuft das geschleppte Boot an einer Hahnepot besser hinterher. Das heißt, es schert nicht ständig aus, sondern schwimmt exakt in der Kiellinie des Schleppers. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Zugleinen der Hahnepot gleich lang sind.

Wichtig ist, dass beim Schleppen (besonders beim Freischleppen) eines schweren Bootes langsam angefahren wird. So muss die Schleppleine nicht abrupt die volle Zugkraft aufnehmen. Wird die Leine beim Anschleppen nur mit einem Rundtörn (Kreuzschläge und Kopfschlag können später kommen) belegt, kann bei Bedarf Leine nachgegeben und so überhartes Einrucken vermieden werden. Darüber hinaus wirkt eine elastische Leine als zusätzlicher Stoßdämpfer. Und das ist gut so, denn nicht immer sind Klampen und Poller ausreichend dimensioniert und großflächig unterlegt. Wer will und kann, sichert deshalb die Schleppleine zusätzlich auf der Ankerwinde.

Welchen Durchmesser die Schleppleine haben sollte, bestimmen das Gewicht des geschleppten Bootes und das Material der Leine. Bis 2.000 kg Verdrängung werden 14 mm empfohlen, bei Booten, die rund 5.000 kg wiegen, ist man mit einer 16 mm dicken Leine auf der sicheren Seite. Die Crux ist nur, dass die vorhandenen Klampen und Poller häufig für die passenden Leinen eine Nummer zu klein sind. Bei der Länge der Schleppleine gilt die Devise „Je länger, desto besser“. Eine lange Leine wirkt als Ruckdämpfer und verlängert die Reaktionszeit. Und die braucht man, wenn der Geschleppte vor mitlaufender See „zum Überholmanöver ansetzt“ (was man möglichst vermeiden sollte). Das bedeutet, bei schlechtem Wetter muss die Länge der Schleppleine den Sichtverhältnissen und dem Wellengang angepasst werden.

Im Idealfall sollen sich beide Boote gleichzeitig entweder im Wellental oder auf dem Wellenberg befinden. Das bekommt man in der Regel zwar nicht immer perfekt hin, aber einen Versuch ist es wert. Und fast synchron ist allemal besser als völlig aus dem „Gleichschritt“. Für den Fall, dass irgendetwas schiefgeht, sollte immer ein zweckmäßiges (groß und scharf) Messer oder ein kleines Beil griffbereit liegen. Damit das Material nicht überstrapaziert wird und der Schlepper und sein Anhang auf der sicheren Seite fahren, darf das Schlepptempo nicht zu hoch sein.

Auf die Geschwindigkeit kommt es beim Abschleppen an

Die Schleppgeschwindigkeit darf die theoretische Rumpfgeschwindigkeit des geschleppten Bootes nicht übersteigen. Zur Erinnerung: Rumpfgeschwindigkeit in kn = 2,43 x Wurzel aus Länge der Wasserlinie (LWL). Beispiel: 7 m LWL = 6,4 kn.

​Längsseits-Schlepp

Leinenführung beim Längsseits-SchleppFoto: Christian TiedtLeinenführung beim Längsseits-Schlepp

Längseitsschleppen: Was im Seegang nicht funktioniert, ist in engen Fahrwassern und beim Anlegen zwar die bessere Lösung, kann aber auch ausdrücklich verboten sein (§ 27 Abs. 3 SeeSchStrO). Warum die bessere Lösung?

Das „Päckchen“ ist kompakter als der Schleppzug und lässt sich deshalb auf engstem Raum leichter manövrieren. Wichtig ist, dass die Boote gut abgefendert sind. Die Fender müssen Schubkräfte aufnehmen und sollten deswegen dick und stabil sein. Wissen Sie, in welche Richtung Ihr Propeller in Vorwärtsfahrt dreht? In der Regel eher nach links als nach rechts. Wenn man’s weiß, wird das zu schleppende Boot auf die Seite genommen, nach der der Propeller dreht. Also in der besagten Regel auf die Backbordseite. Bei Booten mit Doppelmotorisierung und gegenläufigen Propellern ist die bevorzugte Seite die, auf der der Steuerstand des „Schleppers“ steht. Das sorgt für freie Sicht auf den Havaristen. Zum Festmachen genügen als Querverbindung (Brustleine) Vor- und Achterleine.

Den Schub in Fahrtrichtung nimmt eine Vorspring auf. Beim Aufstoppen und Manövrieren in Rückwärtsfahrt wirken die Kräfte auf eine Achterspring. In jedem Fall müssen die Leinen so steif wie möglich durchgesetzt werden. Wird hier geschlampt, können sich die Boote gegeneinander verschieben – was selten ohne hässliche Schrammen an den Rümpfen der Beteiligten abgeht.

Stimmt alles, lässt sich der Schleppverband relativ leicht manövrieren: Haben Sie das zu schleppende Boot an Ihrer Backbordseite, lässt etwas mehr Gas den „Doppelpack“ zu eben dieser Seite drehen; wird Gas weggenommen, ausgekuppelt oder kurz aufgestoppt, dreht das gesamte Gebinde nach Steuerbord. Das funktioniert am besten, wenn der Schlepper so weit wie möglich am Heck des zu schleppenden Bootes festgemacht wird. Am besten ein kleines Stück hinter dem havarierten Boot. Weit achtern platziert, wird sein Propeller vom Wasser viel besser angeströmt als weiter vorn.

Abschleppen mehrerer Boote

So werden mehrere Boote geschleppt.Foto: Christian TiedtSo werden mehrere Boote geschleppt.

Soll oder muss mehr als ein Boot geschleppt werden (beispielsweise nach einer Segelregatta), darf nicht jeder einfach beim Vordermann festmachen, weil die Leinen und Klampen des ersten Bootes die Zugkraft des gesamten Schleppzuges aufnehmen müssten. Das kann, muss aber nicht gutgehen. Besser, weil sicherer, ist eine lange, starke Zentralleine, an der die einzelnen (kleineren) Boote mit einem Stopperstek abwechselnd rechts und links auf Lücke festmachen. Die schweren Boote immer ganz weit vorn! Um sie eng an der Schleppleine zu halten, sollten die Ruder der geschleppten Boote wenn möglich auf Abscheren (Freihalten von der Schleppleine) gelegt sein.

Am Ziel angekommen, ist der Schlepper rechtzeitig via Funk, Telefon oder Zuruf zu verständigen, wenn die Schleppleine auf dem geschleppten Boot losgeworfen wird. Nur so kann er sich und seinen Motor auf die plötzliche Entlastung vorbereiten und die Leine klar von seinem Propeller halten. Alles zusammen geht am einfachsten, wenn das Getriebe ausgekuppelt ist. Wird die Schleppverbindung am Schlepper gelöst, muss die Leine weit genug nach achteraus geworfen werden, damit sie nicht im Propeller landet.


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