Johannes Erdmann
· 28.10.2020
Nasses Vergnügen: Yamaha stellt drei neue Modelle ihrer Jetboote vor. Ist das etwas für den Wassersport-Einsteiger, der noch überhaupt keine Erfahrung hat?
Bist du schon mal einen Waverunner gefahren?", fragt mich die nette Frau am Tresen, als ich für die große Yamaha-Pressevorstellung einchecke. Zwei Tage lang sollen wir hier die neue Modellserie des Jahres 2021 testen. "Aber klar", antworte ich und nicke enthusiastisch. Eigentlich hätte ich wohl sagen sollen: "Ja. Einmal. Als ich 13 war. Am Hotelstrand auf Malta. Das ist über 20 Jahre her." Aber man möchte sich als Vertreter der Fachpresse ja nicht gleich selbst disqualifizieren. Denn anders als die Kollegen aus ganz Europa, die heute hier anreisen, bin ich kein Jetski-Experte, sondern soll bewusst einmal feststellen: Wie fährt sich die neue Generation von Jetskis? Und ist das etwas für den Wassersport-Einsteiger, der noch überhaupt keine Erfahrung hat?
Allein mit dem Wort "Jetski" hätte ich mich outen können, denn das ist der eingetragene Markenname mit dem Kawasaki seit 1972 im Geschäft ist. Der Begriff hat sich im Sprachgebrauch etabliert wie einst der Markenname "Tempo" für ein Taschentuch. Eigentlich müsste ich im deutschen Beamtensprech von einem Wassermotorrad reden. Das sagt aber auch keiner. Bei Yamaha heißen die Modelle stattdessen Waverunner und Superjet.
Während mir der Waverunner von damals mit seiner bequemen Sitzbank gut in Erinnerung geblieben ist, habe ich vor dem Superjet gehörigen Respekt, denn es handelt es sich um ein Modell, das als "Steher" bekannt ist. Ob ich als Novize darauf wirklich zum Stehen komme? Das soll gar nicht so einfach sein.
Die Pressekonferenz ist spannend, denn es gibt viele Neuerungen. Die Waverunner sind nun größtenteils mit dem Ride-System ausgestattet, einer Art Bremshebel auf der linken Seite des Lenkers. Damit kann der Schub umgekehrt werden und der Waverunner sogar rückwärts fahren. Außerdem hat man in die Fußschalen zwei Absaugöffnungen eingesetzt. Über die Kühlwasserpumpe wird dort nun Wasser abgesaugt, was verhindert, dass die Füße im Wasser stehen. Gute Idee. Als weitere Gadgets verfügen viele Waverunner über eine Art Tempomat, der bei Hafenfahrt die Geschwindigkeit kontrolliert, sodass Wellenschlag vermieden wird. Die Autotrimmfunktion sorgt dafür, dass die Waverunner bei jeder Fahrlage ideal laufen. Über die neuen Multifunktionsdisplays können diese und andere Einstellungen überwacht werden.
Doch der Höhepunkt ist die Vorstellung des völlig neuen Modells. 30 Jahre lang wurde der alte Superjet optimiert und Facelifts unterzogen und durfte zuletzt neu nur noch als Sportgerät verkauft werden, weil er einen Zweitaktmotor besitzt. Erstmalig soll der neue Superjet "im Stealthfighter-Design" nun auch Privatleute erreichen, denn unter dem Leichtbaugehäuse grummelt ein zwar etwas schwererer, aber auch leistungsstarker Viertakter vom Typ TR-1 – das Modell, das Yamaha auch für die meisten Waverunner einsetzt. Mit gut 100 PS und 1049 ccm Hubraum (fast 350 ccm mehr als der Zweitakter) ist der neue Superjet damit nicht nur der stärkste, sondern auch der schnellste (88 statt 72 km/h). Durch die größere Breite (8 cm) verspricht Yamaha auch einen größeren Stabilitätsumfang und wirbt, dass der neue Superjet insgesamt einfacher zu fahren ist. Ein wichtiger Faktor für die Zielgruppe von 20-30-jährigen sportlich orientierten Einsteigern. Vielleicht mit der Hoffnung, dass nach dem Stand-up-Paddling (SUP) nun auch das Stand-up-Driving in Mode kommt?
Mein erstes zugeteiltes Fahrzeug ist ein Waverunner GP1800R, der mit seinem 1,8-Liter-Vierzylindermotor 180 PS liefert. Zwei Ranger führen uns hinaus auf eine Hochgeschwindigkeitsstrecke. Der "No Wake"-Tempomat wird aktiviert, und mit exakt 9 km/h tuckern wir zickzack durch das Kanalgewirr bis zur freien Bahn. Wir müssen einen Augenblick auf Nachzügler warten, und so habe ich Gelegenheit, mit dem Ride-System zu spielen. Der Waverunner lässt sich damit perfekt auf der Stelle halten und sogar um die eigene Achse rotieren.
Als erste Aufgabe sollen wir Kreise fahren und dabei das Steuerverhalten und die Performance ausprobieren. Der GP1800R springt trotz seiner 333 Kilogramm Leergewicht förmlich los, liegt gut und ausgeglichen auf dem Wasser und ist schwer genug, dass ihm Wellen nichts anhaben. Doch als wir auf die Gerade biegen und Vollgas geben, staune ich nicht schlecht, als er innerhalb weniger Sekunden 102 km/h auf dem Tacho anzeigt. Was für eine Beschleunigung, was für ein Speed, mit dem ich hier über das Wasser jage. Geradezu berauschend. Ich muss grinsen – und merke dabei, wie meine Wangen im Fahrtwind schlackern.
Als Nächstes bin ich für ein Kontrastmodell eingeteilt, den Waverunner VX-C, der in die "Freizeit"-Klasse gehört, fast dieselbe Größe hat, aber 17 Kilogramm leichter und mit 125 PS auch etwas schwächer motorisiert ist. Das macht sich auf der Geraden bemerkbar, wo er in der Spitze 85 km/h läuft. Den Gashebel brauche ich gar nicht loszulassen, selbst beim Sprung über die Motorbootwellen nicht. Seine wahren Stärken zeigt der VX-C jedoch beim Kreisen ums Fotoboot, denn Fahrer und Waverunner fühlen sich an wie ein Körper. Alles passt: Schwerpunkt, Leistung, Performance. Auch hier kann der Gaszug gezogen bleiben. Egal, was man ausprobiert: Der VX-C liegt sicher und macht eine Menge Spaß. "She is perfect", höre ich später einen Kollegen sagen, als er nach der Probefahrt absteigt. Ich empfinde es genauso. Würde ich ein Modell kaufen wollen – ich hätte es gefunden.
Doch eines habe ich noch vor mir – und vor dem habe ich auch schon den ganzen Tag ein wenig Bammel. Drei Testeinheiten auf dem Superjet stehen an. Wir bekommen eine kurze Einweisung: "Am besten erst mal im Knien starten, dann lässt er sich ganz einfach fahren. Aber nicht unter 20 km/h." Doch von einfach kann zuerst keine Rede sein. Schon als ich mich in flachem Wasser auf die Plattform knie, beginnt der Superjet zu kentern. "Gas geben", wird mir zugerufen, ich ziehe den Hebel. Und tatsächlich, plötzlich stabilisiert sich der Superjet, läuft pfeilgerade los und lässt sich im Knien wirklich gut steuern.
Nach der zweiten Runde werde ich mutiger, hocke mich erst auf das rechte Bein, dann das linke, durchdrücken – tatsächlich, ich stehe. Sogar recht stabil. Mit jeder Runde um den Parcours gewöhne mich mehr an die ungewohnte, klappbare Lenkung. Es stimmt: Der Superjet macht auch einem Anfänger wie mir großen Spaß. Immer schneller und dichter rase ich um die Tonnen. Doch dann passiert, was passieren muss: Ein anderer Fahrer kommt mir zu nah, ich weiche aus, der Superjet kippt – platsch! –, und ich liege im Wasser. Als ich mit dem Kopf wieder hochkomme, treibt mein Gefährt zehn Meter entfernt. Gar nicht so einfach, in voller Montur zu schwimmen. Ich klettere hinauf – und kentere glatt wieder.
Da erinnere ich mich, was der Instrukteur geraten hat: erst mal dranhängen, den Motor starten, auf 20 km/h beschleunigen und sich hinterherschleifen lassen. "Klingt komisch, aber dann kommt man besser rein." Fühlt sich auch komisch an, aber es klappt, der Superjet liegt stabilisiert, und ich kann das vorbeifließende Wasser als Trittstufe nutzen. Schon bin ich wieder unterwegs.
"Gar nicht schlecht fürs erste Mal." Einer der Instrukteure schlägt mir lobend auf den gepolsterten Rücken. "Ja, das war gar nicht schwer", erwidere ich, "aber echt anstrengend." – "Stell dich auf ein paar Tage Muskelkater ein." Recht sollte er haben. Aber Spaß hat es gemacht und vor allem: Lust auf mehr.
Noch mehr Informationen? Den Artikel "Nasses Vergnügen" mit technischen Daten zu den Modellen und weiteren Bildern finden Sie in BOOTE-Ausgabe 11/2020 seit dem 21.10.2020 am Kiosk oder online im Delius Klasing-Shop.