Gernot Apfelstedt
· 19.07.2021
Masterplan Freizeitschifffahrt: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer stellt das Strategiepapier für einen lange unterschätzten Wirtschaftsfaktor vor
Die Freizeitschifffahrt auf den Bundeswasserstraßen stellt einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Gemäß einer vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Auftrag gegebenen Studie werden jährlich mehr als 4,2 Mrd. Euro Bruttoumsatz durch den Wassertourismus generiert. Allein in Brandenburg und Berlin erwirtschaftet er jährlich einen Umsatz von 200 Mio. Euro bezogen auf gewerblichen Bootstourismus, Fahrgastschifffahrt und Häfen. Hinzu kommen noch weitere Umsätze vor allem aus der Tagesvermietung von Booten und den Ausgaben der Bootsurlauberinnen und -urlauber mit eigenem Boot.
Im Jahr 2020 verzeichnete die Wassersportbranche ein beachtliches Wachstum, nicht zuletzt aufgrund des pandemiebedingt gestiegenen Inlandstourismus. Wegen der klimapolitischen Erwägungen sowie der Auswirkungen der Corona-Pandemie ist zu erwarten, dass sich der Trend zum Inlandstourismus weiterhin verstärkt. Wassersport und Wassertourismus sind außerdem ein wichtiger Motor für die wirtschaftliche Entwicklung ländlicher Räume, da sie dort beispielsweise vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten bieten. Vor diesem Hintergrund – dargestellt im gerade veröffentlichten Masterplan Freizeitschifffahrt des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) – erscheint es nur konsequent, diesen Wirtschaftsfaktor nachhaltig zu stärken und weiterzuentwickeln.
Doch der Fokus der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes lag bislang auf dem Güterverkehr. Wie die Nebenwasserstraßen, auf denen sie vornehmlich beheimatet ist, galt die Freizeitschifffahrt als Nebensache. Im Grunde genommen fand sie offiziell gar nicht statt. Das lag unter anderem an einer rund 100 Jahre alten Definition – "dem allgemeinen Verkehr dienend" – aus dem bisherigen Wasserstraßengesetz. "Damals kannte man noch keine Freizeitschifffahrt im heutigen Sinn", erklärte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer am 8. Juni bei der Präsentation des Masterplans für ebendiese Schifffahrtssparte. Mit der Änderung des Wasserstraßengesetzes vor wenigen Wochen sei diese Definition zeitgemäß um die Freizeitschifffahrt erweitert worden. "Ein wirklich großer Schritt", so Scheuer.
Wie das Strategiepapier selbst. "Mit dem Masterplan Freizeitschifffahrt bauen wir die Infrastruktur weiter aus und bringen Freizeit und Ökologie noch besser in Einklang. Davon wird das gesamte System Wasserstraße profitieren – damit auch nachfolgende Generationen am, mit und auf dem Wasser leben können."
Die Maßnahmen des Masterplans Freizeitschifffahrt beziehen sich auf insgesamt fünf Handlungsfelder: Infrastruktur, Schifffahrt, Digitalisierung, Umwelt sowie Kommunikation und Kooperation (siehe die entsprechenden Piktogramme). Beispiele:
Mehrere Maßnahmen sind bereits angelaufen, wie die Schleusenautomatisierung und der Ausbau der Radwege. Weitere sollen in Abstimmung mit regionalen Stakeholdern folgen.
Eine Regionalkonferenz zur Zukunft der Nebenwasserstraßen in Oranienburg war es auch, mit der am 2. März 2020 die öffentliche Beteiligung am Masterplan für die Sport- und Freizeitschifffahrt begann; eine Weiterentwicklung des Wassertourismuskonzepts des BMVI aus dem Jahr 2016. Eine zentrale Rolle spielte dabei Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim BMVI: "Gerade im Nordosten hat sich der Wassertourismus zu einem entscheidenden Wirtschaftsfaktor entwickelt. Dabei stellen uns die teils historischen Schleusen und Wehre außerhalb des Kernnetzes vor große Herausforderungen. Aber: Wir stehen zu unserer Verantwortung für eine nachhaltige Wasserstraßeninfrastruktur. Darum erarbeiten wir jetzt gemeinsam mit Ländern, Verbänden und Kommunen einen Maßnahmenplan zur Verbesserung der Sport- und Freizeitschifffahrt auf den Nebenwasserstraßen." Ferlemann, den Scheuer bei der Präsentation "Vater des Masterplans" nannte, hielt Wort.
Im Anschluss an die Präsentation des Strategiepapiers ging es bei einer virtuellen Podiumsdiskussion um die Zukunft des Wassertourismus und Nachhaltigkeit der Freizeitschifffahrt auf deutschen Wasserstraßen. Die eingeladenen Gäste – Dr. Norbert Salomon, Leiter der Abteilung Wasserstraßen und Schifffahrt im BMVI, Prof. Dr. Hans-Heinrich Witte, Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, Petros Michelidakis, Direktor der boot Düsseldorf, Norbert Kunz, Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbands, Robert Marx, Präsident des Bundesverbands Wassersportwirtschaft, und Matthias Wedepohl, Wassertourismusexperte von Project M – stellten dabei ihre Visionen für die weitere Entwicklung der Freizeitschifffahrt vor.
Unter anderem wurden die Priorisierung der Infrastrukturmaßnahmen, die nachhaltige Nutzung von wasser- und landseitiger Infrastruktur und Stärkung des Inlandstourismus durch die Entwicklung von Gastronomie- und Kulturangeboten sowie der stärkere Einsatz von klimafreundlichen Antrieben angesprochen. Am Ende der Veranstaltung ließ Gesa Schwoon, Leiterin des Referats Management der Nebenwasserstraßen im BMVI, den intensiven Beteiligungsprozess Revue passieren. Er lief seit dem ersten Lockdown ausschließlich online ab, fand aber dennoch – vielleicht sogar deswegen? – große Resonanz.
"Die Veröffentlichung des Masterplans ist nicht das Ende des Dialogs", betonte Gesa Schwoon. "Papier ist geduldig, wir müssen es jetzt mit Leben erfüllen." Wer an Details interessiert ist, findet diese auf folgender Website: https://masterplan-freizeitschifffahrt.bund.de