Ostsee-SturmflutFür wen gelten welche Rechte und Pflichten?

Sören Gehlhaus

 · 26.01.2024

Welche Rechte gelten im Fall der Ostsee-Sturmflut? Wir erklären es
Foto: Morten Strauch
Die Ostsee-Sturmflut hat verheerende Schäden verursacht. Zahlreiche Yachten sanken, Marinas wurden verwüstet. Wir verraten, wer die Verluste ersetzt, ob Versicherer die Deckung verweigern können und welche Pflichten betroffene Eigner haben.

In der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober 2023 verursachte das Tiefdruckgebiet „Wolfgang“ durch starke, anhaltende Ostwinde an der Ostseeküste Schleswig-Holsteins und Dänemarks die schwerste Ostseesturmflut seit 1872. Pegelstände von deutlich über zwei Metern über Normal führten in den küstenangrenzenden Städten und Gemeinden der schleswig-holsteinischen Ostseeküste zu teils dramatischen Szenen. Neben den Anwohnern der betroffenen Regionen waren die Eigner der in den verschiedenen Yachthäfen liegenden Schiffe besonders von dem Sturmhochwasser betroffen. Allein in Kiel und Damp sanken über 60 Yachten. Hunderte weitere wurden zum Teil irreparabel beschädigt. Auch an der Infrastruktur der betroffenen Häfen richtete die Sturmflut schwere Schäden an.

Inzwischen befinden sich die Aufräumarbeiten in vollem Gange. Die Yachthäfen müssen für die anstehende Saison 2024 überholt werden. Die beschädigten Yachten müssen geborgen, begutachtet und – soweit möglich – repariert werden. Den in der Regel bereits im Rahmen der Schadensbegutachtung involvierten Versicherern steht ein arbeitsreicher Jahreswechsel bevor. Die norddeutschen Reparaturwerften dürfen sich über volle Orderbücher freuen.

Doch wer zahlt die Schäden? Unter welchen Voraussetzungen können Eigner ihre Versicherer in Anspruch nehmen? Unter welchen Bedingungen können diese die Deckung verweigern? Was hat der Kaskoversicherer, was der Haftpflichtversicherer zu zahlen? Kann ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers den Deckungsschutz gefährden?

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Die Kasko-Deckung

Deutsche Yacht-Kasko-Versicherungsbedingungen sind in der Regel als sogenannte Allgefahrendeckung ausgestaltet. Im Rahmen einer Allgefahrendeckung verpflichtet sich ein Versicherer, alle an dem versicherten Objekt eintretenden Schäden zu ersetzen, sofern die Schadensursache nicht explizit in den Versicherungsbedingungen ausgeschlossen ist. Grundsätzlich sind Schäden infolge eines Sturmes nicht von den Ausschlussklauseln der Versicherungsbedingungen erfasst. Die aufgrund eines Sturms an einer Yacht entstandenen Schäden sind also grundsätzlich versichert. Etwas anderes gilt, wenn der Versicherungsnehmer gegen versicherungsvertragliche Obliegenheiten verstoßen hat. In Betracht kommt in erster Linie das Unterlassen schadensmindernder Maßnahmen. Ist dem Versicherungsnehmer nämlich bewusst, oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht bewusst, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Schaden eintreten wird, ist er verpflichtet, die ihm möglichen und erforderlichen Maßnahmen zur Schadensabwehr zu ergreifen.

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hatte bereits einige Tage vor dem 21. Oktober 2023 vor der Sturmflut gewarnt. Entsprechend ließe sich seitens der Versicherer argumentieren, dass Schutzmaßnahmen, soweit möglich, vom jeweiligen Yachteigner zu treffen waren. Das gilt nicht nur dann, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die betreffenden Schäden nur deswegen oder nur deswegen in dieser Höhe eingetreten sind, weil das in Rede stehende Schiff nicht ordnungsgemäß vertäut oder gesichert war. Argumentieren ließe sich dies auch, wenn ein Yachteigner wissend, dass ein Schaden droht, Wertgegenstände wie Uhren, Schmuck oder Kunst nicht von Bord entfernt hat.

Lang angekündigte Extremwetterereignisse können also unter diesem Gesichtspunkt zu einer dem Verschulden entsprechenden Deckungskürzung führen, zumindest dann, wenn Sicherungsmaßnahmen bewusst oder grob fahrlässig nicht getroffen werden.

Was genau hat der Yacht-Kaskoversicherer zu zahlen?

Liegt keine Obliegenheitsverletzung vor, sind Schäden am Schiff als Folge von Extremwetterereignissen, zu welchen auch das Ostseesturmhochwasser 2023 zählt, gedeckt. Eine andere Frage ist, was genau der Yacht-Kaskoversicherer zu zahlen hat. Dies hängt – wen würde es überraschen – von den vereinbarten Bedingungen der Police ab. Denkbar ist, dass der Versicherer im Falle des Totalverlusts den Wert des Schiffes oder aber eine fest vereinbarte Taxe, also zum Beispiel den Neuwert des Schiffes, zu zahlen hat.

Ob er auch andere Schäden ersetzen muss, hängt ebenfalls von den Bedingungen des jeweiligen Versicherungsvertrages ab. Interessant ist dies insbesondere in Bezug auf die Bergungs- und Wrackbeseitigungskosten. Abhängig vom Wortlaut des Versicherungsvertrages, ließe sich argumentieren, dass die Bergungskosten nur dann vom Versicherungsschutz umfasst sind, wenn die gehobene Yacht repariert werden kann. Ist dies etwa aus wirtschaftlichen Gründen – Stichwort: wirtschaftlicher Totalverlust – nicht der Fall, handelt es sich bei dem zu bergenden Gegenstand nicht mehr um ein Schiff, sondern um ein Wrack. Die Bergung eines Wracks ist aber, anders als die Bergung eines Schiffes, in einer Vielzahl von Yacht-Versicherungsbedingungen ausgeschlossen. Ähnliches gilt für die Entsorgungskosten des Wracks. Auch diese Kosten sind typischerweise vom Deckungsumfang der Yachtkaskoversicherung nicht umfasst.

Die Haftpflicht-Deckung

Neben der Kaskoversicherung sollte ein Yachteigner auch seine Haftpflichtversicherungspolice im Auge haben. Denn diese bietet Deckungsschutz für privatrechtliche Ansprüche Dritter gegen den Versicherungsnehmer. Hat also die Yacht aufgrund des versicherten Ereignisses „Sturm“ einen Schaden bei einem Dritten, zum Beispiel der Marina oder dem Nachbarschiff, verursacht, und wird der Versicherungsnehmer von der Marina oder dem Yachtnachbarn auf Schadensersatz in Anspruch genommen, kann es sich um einen versicherten Haftpflichtschaden handeln.

Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang, dass die Haftpflichtversicherung unter Umständen nicht erst dann greift, wenn der Schaden eingetreten ist, sondern bereits dann, wenn der Schaden unmittelbar bevorsteht. Denn nicht nur der Versicherungsnehmer, sondern auch der Haftpflichtversicherer hat ein Interesse an Schadensminderung. Sie werden daher auch dann aktiv, wenn Schäden unmittelbar bevorstehen. Zudem beinhalten die meisten Haftpflichtversicherungspolicen Klauseln in Bezug auf Gewässerverunreinigung. Droht also bei einer gesunkenen Yacht der Austritt von Betriebsstoffen (Öl und/oder Bunker) lässt sich argumentieren, dass die Bergung der Yacht – als Schadensminderungsmaßnahme – vom Haftpflichtversicherungsschutz erfasst ist und vor Eintritt eines größeren Schadens in die Wege geleitet werden kann.

Apropos Schadensminderungspflicht: Diese Pflicht besteht für Versicherungsnehmer grundsätzlich und in Bezug auf sämtliche Versicherungen. Der Versicherungsnehmer ist also immer verpflichtet, den Schaden für die Versicherung so weit wie möglich zu reduzieren. Im Kontext von Sturmschäden und der Hebung und Entsorgung von Wracks bedeutet dies, dass der Eigner verpflichtet sein kann, das Wrack zu einem möglichst hohen Preis zu verkaufen. Selbst wenn der Restwert minimal ist, hat der Versicherer, soweit gedeckt, die Entsorgungskosten gespart.


Experten für alle Fragen rund um das Thema Yachtrecht

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Die Yachtanwälte Dr. Tim Schommer (tim.schommer@clydeco.com) und Dr. Volker Lücke (volker.luecke@clydeco.com) betreuen seit über 18 Jahren Yachtmandate aus dem In- und Ausland. Sie beraten im Rahmen der Planungs- und Bauphase, des An- und Verkaufs, der Eignerstruktur, des Yachtbetriebs inklusive Versicherung, Crewing und Charter sowie der Abwicklung von Schäden und Ansprüchen Dritter.


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