Unbekannt
· 31.08.2018
Oberverwaltungsgericht verwirft „fehlerhaften“ Beschluss der Erstinstanz. Hausboot nun doch keine bauliche Anlage
Unter dem Titel "My Boat is my Castle" schilderten wir in BOOTE 6/2018 den scheinbar aussichtslosen Kampf des Hausbootbesitzers Ralf Günther gegen eine "Ordnungsverfügung" des Landkreises Ostprignitz-Ruppin vom 28. Dezember 2017.
Die Behörde forderte die sofortige Beseitigung seines Hausbootes von der Liegestelle am Ruppiner See, mit der Begründung, bei dem Hausboot handele es sich gemäß § 2 Absatz 1, Satz 1 der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO) um eine "bauliche Anlage" die im Widerspruch zu öffentlichen Vorschriften errichtet worden sei.
Gegen diese "Beseitigungsverfügung" stellte Günther am 30. Januar 2018 "Antrag auf Aussetzung der Vollziehung", die er damit begründete, dass sein Boot keine bauliche Anlage im bauordnungsrechtlichen Sinne sei. Insofern gebe es auch keine Rechtsgrundlage für die Ordnungsverfügung des Landkreises.
Doch der "Antrag auf Aussetzung der Vollziehung" wird vom Landrat am 12. Februar 2018 abgelehnt: "Die Voraussetzungen für den Erlass und die Beseitigungsanordnung liegen vor, denn die bauliche Anlage – Hausboot – am streitbefangenen Standort steht im Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften", heißt es im ablehnenden Bescheid.
Zeitgleich hatte Günther – die Beseitigung seines Bootes vor Augen – auch beim Verwaltungsgericht Potsdam beantragt, "die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung wiederherzustellen".
Vergeblich: Mit Beschluss vom 1. März 2018 lehnt das Verwaltungsgericht Potsdam den Antrag ab (VG 5 L 92/18), weil es – genau wie die Verwaltung – davon ausgeht, dass es sich bei dem Hausboot "voraussichtlich um eine bauliche Anlage im Sinne de § 2 Abs. 1 Satz 1 der BbgBO handelt". Somit sei das Hausboot des Antragstellers formell illegal, weil es ohne die nach § 59 Abs. 1 BbgBO erforderliche Baugenehmigung errichtet worden sei. Außerdem sei das Hausboot auch "materiell illegal, weil es nicht genehmigungsfähig ist".
Gegen diesen Beschluss bleibt Günther nun nur noch die Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG), die per Eilantrag beim OVG Berlin-Brandenburg eingereicht wird.
Das OVG reagiert überraschend schnell: Am 10. Juli teilt die Pressestelle des Gerichts mit:
"Auf die Beschwerde des Hausbootbesitzers hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts die erstinstanzliche Entscheidung geändert: Die Beseitigungsanordnung sei voraussichtlich rechtswidrig, weil es sich bei dem Hausboot bei summarischer Prüfung nicht um eine bauliche Anlage handele.
Für die Annahme der hierfür erforderlichen ortsfesten Verwendungsabsicht genüge weder ein Vergleich der Liegezeit mit der Fahrzeit noch ein Hinweis auf die Größe und Ausstattung des Hausbootes.
Es bedürfe vielmehr im Klageverfahren einer ausdrücklichen Klärung der Frage, ob es sich um eine bauliche Anlage oder um ein Sportboot handele. Die Abgrenzung richte sich danach, ob das Hausboot unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls seiner Funktion nach an die Stelle eines üblicherweise mit dem Boden ortsfest verbundenen Vorhabens – etwa eines Wochenendhauses oder einer Wohnung – treten soll oder ob es – wie ein Sportboot – zum Befahren von Gewässern bestimmt ist und hierfür genutzt werden soll.
Nach einem von dem Hausbootbesitzer eingereichten Privatgutachten spreche vorläufig mehr für eine sportboottypische Verwendungsabsicht. Der Beschluss ist unanfechtbar."
Hausbootbesitzer Ralf Günther kann sich freuen: Seinen Kampf gegen die sofortige Beseitigungsanordnung hat er erst einmal gewonnen. Dass das OVG die juristische Einschätzung der Erstinstanz "nach summarischer Prüfung" für "fehlerhaft" hält, lässt vermuten, dass Günther auch im Hauptverfahren Recht bekommt und er weiterhin Kapitän auf seinem Hausboot bleiben kann.
Der Beschluss des OVG (OVG 2 S 13.18) hat aber auch eine Schattenseite: Nicht jedes Hausboot ist automatisch ein Sportboot. Je nach Nutzungsart und Nutzungsbestimmung kann es auch eine bauliche Anlage sein.
Rolf Bähr, Jurist und ehemaliger Präsident des Deut-schen Segler Verbandes wird dazu im Tagesspiegel wie folgt zitiert: "Der Begriff Hausboot wird im Recht mit keinem Wort definiert." Deshalb fordert er von der Politik eine klare Regelung: "Für die Wirtschaft, die die Boote herstellt, für die Charterbranche, für das Publikum, für die Vermieter bräuchte es endlich Rechtssicherheit." Bähr hält es für durchaus möglich, dass das Hauptverfahren bis zum Verfassungsgericht gehen könnte.
Diese Problematik hat offensichtlich auch die Politik erkannt. So forderte Sebastian Steineke, Mitglied des Bundestages und Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion Ostprignitz-Ruppin im Zusammenhang mit dem Beschluss des OVG den zuständigen Landrat Ralf Reinhardt (SPD) unmissverständlich auf, "das Thema jetzt endlich zur Chefsache (zu) machen, um weiteren Schaden vom Landkreis abzuwenden".
Aufgrund der deutlichen Aussagen des OVG solle der Landkreis jetzt nicht noch weitere Kosten produzieren, die Entscheidung akzeptieren und die jetzt bereits erhebliche negative Publicity nicht weiter ausbauen.
Das OVG habe zu Recht darauf hingewiesen, dass, würde man der Auffassung des Landkreises und der 1. Instanz folgen, nahezu jedes Sportboot als bauliche Anlage im Sinne der Bauordnung qualifiziert werden müsste. Dies sei so nicht vom Gesetzgeber gewollt.
Es gelte daher schnell Rechtsfrieden herzustellen und nicht durch weitere baurechtliche Maßnahmen des Landkreises die für den Hausbootbesitzer positive Entscheidung wertlos zu machen. Hoffentlich nicht nur warme Worte eines oppositionellen Politikers.