Boote Exclusiv
· 02.12.2024
Beim Erwerb einer Yacht spielt oft der Standardvertrag der Mediterranean Yacht Brokers Association („MYBA“), das sogenannte MYBA-Memorandum of Agreement („MYBA-MoA“), eine entscheidende Rolle. Als generelle, international etablierte Vertragsvorlage bietet er dem Käufer im Rahmen der Kaufentscheidung einer Yacht einerseits eine gewisse strukturierte und rechtlich abgesicherte Grundlage. Andererseits räumt es ihm auch eine gewisse Flexibilität ein, die gerade für den noch unentschlossenen Käufer von Bedeutung sein dürfte.
Beim Kauf einer gebrauchten Yacht wird häufig das MYBA-MoA verwendet, das in der Regel an die individuellen Bedürfnisse der Vertragsparteien angepasst wird. Der übliche Ablauf unter dem MYBA-MoA lässt sich kurz wie folgt zusammenfassen: Zunächst vereinbaren die Parteien einen Kaufpreis und der Käufer leistet eine Anzahlung (in der Regel 10 % des Kaufpreises). Es wird ein Datum vereinbart, bis zu dem der Verkäufer dem Käufer die Yacht für eine Probefahrt (sog. „Sea Trial“) und eine Zustandsbesichtigung (sog. „Condition Survey“) zur Verfügung gestellt haben muss. Zudem wird vereinbart, bis wann der Verkauf abgeschlossen sein muss, das heißt die Yacht übergeben wird und die Anzahlung sowie der übrige Kaufpreis an den Verkäufer freigegeben und gezahlt werden müssen.
Ein zentrales Element des MYBA-MoA ist das Recht des Käufers auf eingehende Untersuchung der Yacht. Die Klauseln 26 („Sea Trial“) und 27 („Condition Survey“) des MYBA-MOA regeln den genauen Ablauf und die Rechtsfolgen der beiden Erprobungen. Sie räumen dem Käufer – auch nach Abschluss des MYBA-MoA und nach erfolgter Anzahlung – das Recht ein, sich unter gewissen Voraussetzungen noch von dem Kaufvertrag zu lösen, wenn sich die Yacht während der Erprobungen als nicht zufriedenstellend erweist.
Im Rahmen des Sea Trials steht dem Käufer ein weites Rücktrittsrecht zu („If the buyer considers for any reason whatsoever [...] that the Yacht has not performed to his/her/its satisfaction“). Um sich einseitig vom Vertrag zu lösen, wäre also schon ausreichend, dass dem Käufer der Farbton der Sitzbezüge einer Sofaeinheit in der Yacht bei wechselnder Sonnenreflexion nicht gefällt. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass ein Sea Trial tatsächlich stattgefunden hat. Macht der Käufer von seinem Recht auf Durchführung des Sea Trials nicht Gebrauch, so wird unterstellt, dass er die Yacht akzeptiert.
Im Rahmen der sich in der Regel anschließenden Condition Survey, die meist an Land stattfindet, sind die Rücktrittsmöglichkeiten für den Käufer eingeschränkter. Es muss ein erheblicher Mangel vorliegen, der nach Ansicht des befassten Sachverständigen die Funktionsfähigkeit der Yacht oder ihrer Systeme beeinträchtigt oder die Yacht seeuntüchtig macht („Defect in the Yacht or her machinery or her systems […] which […] renders the Yacht unseaworthy and/or affects the operational integrity of the Yacht or her machinery or her systems“).
Es ist zu beachten, dass das Recht des Käufers, sich vom Vertrag zu lösen, sowohl beim Sea Trial als auch bei der Condition Survey an bestimmte Form- und Fristvorschriften geknüpft ist. Für den Fall, dass der Käufer den Vertrag nicht mehr fortsetzen möchte, ist es daher wichtig, die genauen Voraussetzungen im Kaufvertrag zu kennen und einzuhalten.
Das unter dem MYBA-MoA gewährte Recht des Käufers, die Yacht eingehend zu besichtigen, sollte der Käufer auch nutzen. Denn diese Erprobung ist nicht nur eine Formalität, sondern ein entscheidender Schritt im Rahmen des Kaufprozesses. Die Besichtigung soll sicherstellen, dass die Yacht den Vorstellungen und Anforderungen des Kaufinteressenten entspricht. Käufer sollten sich ausreichend Zeit nehmen und sachverständige Unterstützung beiziehen, um die Yacht gründlich zu inspizieren – vom Rumpf (Unterwasserschiff!) bis hin zum Inneren der Maschinenräume.
Dabei ist es wichtig, auf Details zu achten: Wie ist der Zustand des Rumpfes? Sind die Oberflächen frei von Rissen, Abnutzungen oder anderen sichtbaren Schäden? Funktionieren die technischen Anlagen, wie beispielsweise Motor, Elektrik, Wasser- und Abwassersysteme und Navigationssysteme einwandfrei? Zusätzlich ist der Zustand der Innenräume von großer Bedeutung. Entspricht die Aufteilung der Räume den eigenen Bedürfnissen? Ist die Ausstattung gut gepflegt?
Sachverständige können – sowohl im Rahmen des Sea Trials als auch im Rahmen der Condition Survey – helfen, versteckte Mängel oder technische Probleme zu identifizieren, die für den Laien möglicherweise nicht sofort erkennbar sind. So wird sichergestellt, dass der Käufer nicht nur auf sein Bauchgefühl hört, sondern auch auf fundierte Informationen und dokumentierte Sachverständigengutachten zurückgreifen kann.
Wie bereits erwähnt, ist unter Klausel 27 des MYBA-MoA für die Beurteilung eines etwaigen Rechts, sich vom Vertrag zu lösen, die Einschätzung eines Sachverständigen maßgeblich. Auch aus diesem Grund empfehlen wir dringend, einen Gutachter bei der Zustandsbewertung beizuziehen.
Sollten während der Erprobung Mängel festgestellt werden, kann es sinnvoll sein, mit dem Verkäufer in eine zweite Verhandlungsrunde einzusteigen, bevor vorschnell vom Vertrag Abstand genommen wird. Vielleicht lässt sich der Verkäufer angesichts der Feststellungen des Sachverständigen auf eine Kaufpreisreduzierung oder darauf ein, gewisse Reparaturen durchzuführen oder sonstige Änderungen vorzunehmen.
Nicht selten erleben wir, dass in den Entscheidungsprozess beim Kauf einer Yacht auch das an Bord befindliche Inventar wie Fernsehgeräte, Spielkonsolen oder Yacht Toys mit einfließt. Hier empfehlen wir, frühzeitig mit dem Verkäufer abzustimmen, welches Inventar an Bord befindlich bleibt und welches vor Übergabe der Yacht noch entfernt wird. Klausel 16 des aktuellen MYBA-MoA sieht eine Inventarliste („Inventory“) vor, in der sämtliches Zubehör, das vom Kaufvertrag erfasst wird, aufgelistet wird. Wir empfehlen, hier gründlich zu arbeiten und lieber einen Gegenstand zu viel als zu wenig mit aufzunehmen. So können böse Überraschungen bei Yachtübergabe vermieden werden.
Das MYBA-MoA bietet nicht nur eine klare rechtliche Struktur, sondern räumt dem unentschlossenen Käufer die Möglichkeit ein, die Yacht eingehend zu inspizieren, ehe er sich final für den Kauf entscheidet. Gerade in Situationen, in denen der Käufer noch mit einer Entscheidung ringt, hilft das Konzept der Erprobung unter dem MYBA-MoA, diese Entscheidungsschwierigkeiten abzufedern. Es bietet – unter gewissen Voraussetzungen – sogar die Option, den Kaufprozess auch nach Unterzeichnung des Kaufvertrages noch zu überdenken, obwohl der Vertrag bereits geschlossen worden ist. Es lohnt sich also, bei diesem Vertrag genau hinzusehen, zumal ja neben Yacht und Inventar auch noch eine Reihe von Unterlagen übergeben werden müssen, mit denen die Yacht auf den neuen Eigentümer registriert und von diesem betrieben werden kann.
Die Yachtanwälte Dr. Tim Schommer (tim.schommer@clydeco.com) und Dr. Volker Lücke (volker.luecke@clydeco.com) betreuen seit über 18 Jahren Yachtmandate aus dem In- und Ausland. Sie beraten im Rahmen der Planungs- und Bauphase, des An- und Verkaufs, der Eignerstruktur, des Yachtbetriebs inklusive Versicherung, Crewing und Charter sowie der Abwicklung von Schäden und Ansprüchen Dritter.