RechtUrteil in Potsdam macht Sportboot zu baulicher Anlage - My Boat is my Castle

Matt Muencheberg

 · 10.05.2018

Recht: Urteil in Potsdam macht Sportboot zu baulicher Anlage - My Boat is my CastleFoto: Matt Müncheberg

Schilda in Potsdam: Ein Verwaltungsgerichtsbeschluss macht ein Sportboot zur baulichen Anlage. Eine Branche zittert

Ein Hausboot ist, wenn es nach der deutschen Sportboot-Verordnung zugelassen ist, ein Sportboot. So wie ein Wohnmobil auf der Straße eben ein Auto ist und kein Haus. Für mobile Hausboote, die sich aus eigener Kraft fortbewegen können und nicht länger als 24 Meter sind, galt das in Deutschland auch, eben nur auf dem Wasser. Bisher war das jedenfalls so.

Für Aufregung in der Brandenburgischen Wassersport-Branche sorgte nun ein Beschluss des Verwaltungsgerichtes in Potsdam von Anfang März. Darin werden Hausboote nicht länger als Sportboote behandelt, sondern wie Feldküchen. Wie diese seien auch Hausboote nach ihrem Verwendungszweck nämlich dazu be-stimmt, "überwiegend ortsfest" benutzt zu werden.

Foto: Matt Müncheberg
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Dazu reiche es aus, dass Feldküchen etwa an fünf aufeinanderfolgenden Tagen für jeweils drei Stunden zu Verkaufszwecken aufgestellt würden, sagte der Richter in seiner Begründung. Wie Hausboote eben auch. Letztere seien erstens über eine Steganlage mit dem Erdboden verbunden, zweitens aus Bauprodukten hergestellt und drittens dazu bestimmt, überwiegend ortsfest benutzt zu werden.

Ergo, so schlussfolgerte der Potsdamer Richter, würden alle Hausboote der Brandenburgischen Bauordnung unterfallen. Genauer gesagt, Paragraf 2 Absatz 1 Satz 1. Der regelt nämlich, was eine sogenannte bauliche Anlage ist. Unter diesen Paragrafen können unter Umständen auch Feldküchen fallen. Sogar ein Holzstapel kann eine solche bauliche Anlage sein. Aber ein Hausboot?

Würde man der Rechtsauffassung des Potsdamer Richters folgen, wären quasi über Nacht alle Sportboote in Brandenburg keine Sportboote mehr, sondern bauliche Anlagen. So gesehen, wäre das gar nicht so abwegig. Denn, Hand aufs Herz, wie oft werden die meisten der an den brandenburgischen Stegen liegenden Freizeitboote tatsächlich benutzt? – Richtig: sehr selten. Am Wochenende, bei schönem Wetter vielleicht. Bei einer Regatta. Oder anlässlich eines Urlaubstörns mit der Familie. Sonst liegen die meisten Boote oft am Steg – werden also "überwiegend ortsfest" benutzt.

Das hieße aber – folgte man der Argumentation des Potsdamer Richters – dass in der Konsequenz alle diese Sportboote plötzlich "formell illegal" wären. Denn: keines von ihnen besitzt ja eine ordentliche Baugenehmigung nach dem Brandenburgischen Baurecht. Wahrscheinlich wären all die Sportboote – egal, ob es sich um Segel- oder Motorboote handelt – nach dieser Logik auch gar nicht genehmigungsfähig. Ergo: Sie müssten weg. Und zwar sofort. Juristisch nennt man das eine Pflicht zur "Beseitigung".

Dass in dieser Argumentation der Wurm steckt, ist offensichtlich. Denn: Ein Boot (also auch ein zugelassenes, mit einem Kennzeichen versehenes mobiles Hausboot) ist eben keine bauliche, sondern eine schwimmende Anlage. Die Unterscheidung mag vielen wie Krümelklauberei vorkommen. In diesem Fall ist sie aber wesentlich.

Denn schon droht – mit nahezu identischer Begründung – weiteres Ungemach für Hausboot-Eigner: Mit Datum vom 21. März drohte die Untere Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Nordwestmecklenburg in Grevesmühlen einer Hausboot-Eignerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ein Zwangsgeld von eintausend Euro für den Fall an, dass sie den Betrieb ihres Hausbootes in der Marina Bad Kleinen auf dem nördlichen Schweriner See nach Erhalt des Schreibens nicht sofort einstellt.

Foto: Matt Müncheberg
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Auch der Behördenvertreter in Grevesmühlen argumentierte, das Sportboot am Schweriner See sei eine "bauliche Anlage" nach der Landes-Bauordnung Mecklenburg Vorpommerns – und stehe damit "im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften". Das Boot liege in der Marina "überwiegend ortsfest"; dabei spiele es keine Rolle, ob sich die "bauliche Anlage" auf dem Land oder auf dem Wasser befinden würde.

Entscheidend sei, "dass zwischen der Anlage" (dem Boot) "und der Fläche, auf der sie ab- oder aufgestellt ist, eine erkennbar verfestigte Beziehung besteht". Unerheblich sei dabei, ob bei "wertender Betrachtung" die Nutzung am selben Ort oder zu "Verkehrs- oder Beförderungszwecken zwischen wechselnden Orten" erfolge.

Es komme darauf an, "ob ein schwimmendes Haus nach seiner Beschaffenheit, nach der Art und dem Standort seiner Aufstellung und nach den zu seiner Benutzung geschaffenen Einrichtungen einem unbefangenen Betrachter den Eindruck" vermitteln würde, dass er diesem Haus-(boot) an dieser Stelle nicht "nur zufällig" begegnen würde – so jedenfalls der Beamte aus Nordwestmecklenburg.

Genau das sei aber eben "verkehrt gedacht", denn: mit der Klassifizierung als "schwimmende Anlage" gelte Wasserrecht, und eben nicht das Baurecht, wenn es um das freie Liegen von Booten an Stegen geht, sagt der bekannte Berliner Anwalt Rolf Bähr. Aus dem Wasserrecht ergebe sich zum einen ein Recht zum Befahren von Gewässern, sagt Bähr. Das schließe zum anderen aber auch ein Liegen am Steg mit ein. Bähr: "Liegen am Steg ist ruhender Verkehr, keine ortsfeste Nutzung". Das gilt für alle Sportboote, also auch für Hausboote. Nicht aber für Feldküchen.

  NautilusFoto: BOOTE
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In Berlin sahen das einige Richter ähnlich wie der einst sehr erfolgreiche Segler Bähr, der seinerzeit auch schon die berühmten Wannsee-Prozesse erfolgreich ausgefochten hatte. Bereits im Juni 2016 unterschied etwa das Verwaltungsgericht Berlin zwischen Wohnbooten (von denen hier ja nicht die Rede ist) und mobilen Hausbooten.

Mobile Hausboote, die zu Freizeitzwecken mit eigenem Motor auf Gewässern verkehren könnten, würden Sportboote darstellen, sagten die Berliner Richter. Und: Diese unterfielen der Definition über Sportboote nach der entsprechenden EU-Richtlinie.

Sogar der Bundesfinanzhof machte sich in einem Urteil von Oktober 2011 bereits Gedanken über sogenannte "schwimmende Anlagen". Es wurde festgestellt, dass es sich bei einer solchen Anlage mangels fester Verbindung mit dem Grund und Boden sowie wegen fehlender Standfestigkeit bewertungsrechtlich eben nicht um ein Gebäude handelt. Und damit eben auch nicht wie ein Haus zu bewerten sei. Oder wie eine Feldküche.

Also alles nur ein Sturm im Wasserglas? Mitnichten. Hausbootcharter sei ein "Brandenburgisches Erfolgsmodell", sagt Walter Kussmaul von River-boating.com, einer der Großen der Szene. Er schätze, dass es jährlich allein zwischen dem Spreewald und der Ostsee "eine Million Übernachtungen pro Jahr" gebe, wahrscheinlich liege diese Zahl "noch höher". Einzelne Juristen seien nun dabei, dieses – politisch gewollte und mit vielen Millionen Euro von Land, Bund und EU geförderte – Erfolgsmodell zu zerstören.

Rolf Bähr: "Wenn der Beschluss des Potsdamer Verwaltungsgerichtes in der Hauptsache durchgehen würde, könnte bald kein Boot in Brandenburg mehr als Sportboot bezeichnet werden, sondern als schwimmende Anlage". Das mag übertrieben klingen, ist aber nach aktuellem Stand nicht völlig unmöglich.

Was tun? – fragten sich deshalb Vertreter der Hausbootbranche in einem eilig einberufenen Workshop auf dem Berliner Messegelände am 19. März. Die Sitzung stand unter dem Motto "Nur zusammen sind wir stark". Nach der Zusammenkunft war klar: Genau das ist das Manko der Branche.

Denn: Es gibt keinen eigenen Fachverband, der sich um die Belange der Hausboot-Hersteller wie auch die der -Vercharterer kümmert – eine starke Interessen-Vertretung, die das Image von Hausbooten in der Außenwahrnehmung steigert, mit technischen Fachkräften und Rechtsexperten, Lobbyisten, PR- und Marketing-Spezialisten an der Spitze, fehlt bis zum heutigen Tage.

Bisher focht jeder der Betroffenen seinen eigenen Kampf gegen Behörden und Gerichte aus. Dazu zählen neben dem Hausbootbesitzer vom Ruppiner See (ein Leistungsschwimmer, ambitionierter Segler und Motorbootfahrer, der sein als Sportboot zugelassenes und ordnungsgemäß gekennzeichnetes Hausboot zu Trainingszwecken mit Sportkameraden nutzt und es zur Regatta-Absicherung auf dem See zur Verfügung stellt) und vielen privaten Hausbootbesitzern auch die beim Workshop in Berlin anwesenden Walter Kussmaul, Ben Bolle mit seinen "Wasser-Appartements", Marc-Oliver Lüdecke von der "Alten Liebe" an der Havelchaussee und Frank Cotte mit seiner Spree-Arche.

Sie alle sind sich einig: Nur wenn sich alle Betroffenen zusammentun, können die Probleme der Branche wirkungsvoll angegangen werden. Dazu zählt in erster Linie, auf Bundesebene verbindlich festlegen zu lassen, was eigentlich genau ein Sportboot ist – und was eben nicht dazu zählt, und eine gesetzliche Bundesregelung herbeizuführen, nach der mobile Hausboote Sportboote sind – und eben keine Feldküchen – auch wenn dies nach aktuell geltendem Recht eigentlich jedem klar sein sollte.

Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Juni-Ausgabe von BOOTE, die es ab dem 16. Mai im Handel gibt. Für Abonnenten natürlich schon eher.

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