Um das herauszufinden, wirft der Jurist Benjamin Tanis einen Blick in das Gesetz und sieht sich im Fall der novellierten SchSV mit einem Text konfrontiert, der so viele Querverweise und Verschachtelungen enthält, dass es dem typischen Anwender schwer fallen dürfte, die neuen Regelungen zu verstehen und zu interpretieren.
Entsprechend schwierig ist es, die Änderungen verständlich darzustellen und die Auswirkungen auf gewerblich genutzte Sportboote einzuschätzen.
Die Dienststelle Schiffssicherheit definiert die wesentlichen Änderungen auf Ihrer Website wie folgt:
Aus der Wassersportbranche erreichen uns seit Veröffentlichung der neuen Regeln am häufigsten Fragen zu folgenden Punkten:
Die nunmehr geänderte Schiffssicherheitsverordnung (SchSV) definiert Kleinfahrzeuge als Frachtschiffe mit einer Länge unter 24m Länge. Darunter fallen unter anderem auch Sportausbildungsfahrzeuge ab 8m Länge, die für die Ausbildung zum Erwerb insbesondere von Sportbootführerscheinen eingesetzt werden, Kojencharterboote, und Fahrzeuge, die mit Gestellung einer Besatzung gegen Entgelt zu Sport- und Freizeitzwecken überlassen werden. Im Klartext: Sportboote die nicht privat oder zur Bareboatcharter genutzt werden, gelten nunmehr als Frachtschiffe (§ 6 Absatz 1, i.V.m. Anlage 1a, Teil 6, Kapitel 1, Ziffer 1 SchSV). Dies ist zunächst für die neuen technischen Anforderungen relevant.
Bis zur Änderung der SchSV war die gewerbsmäßige Nutzung von Sportbooten nur dann zugelassen, wenn das Schiff gewerbsmäßig auch ausschließlich zu Sport- und Freizeitzwecken genutzt wurde. Sport- und Freizeitzwecke liegen typischerweise nicht vor, wenn bei gewerbsmäßigen Fahrten die Personenbeförderung im Vordergrund steht (z. B. mit Wassertaxis), bei gewerbsmäßigen Fahrten mit touristischen Motiven, wie Hafenrundfahrten, und Veranstaltungsfahrten (z. B. Disco-, Geburtstags- und Hochzeitsfahrten) und auch nicht bei Seebestattungen (Quelle).
Nach der Änderung der SchSV sind diese bislang ausgeschlossenen Nutzungsarten künftig zulässig. Ab jetzt können also auch Sportboote für Taxifahrten (Personenbeförderung) oder Hafenrundfahrten genutzt werden. Allerdings reichen bei dieser Art der Nutzung die amtlichen Sportbootführerscheine nicht mehr als Befähigungsnachweise aus. Das Gesetz verlangt hier nunmehr nautische Berufspatente.
Diese Erweiterung des gewerblichen Einsatzzwecks von Sportbooten ist also für den geneigten Hobbyskipper ohne Bedeutung, denn ein nautisches Berufspatent lässt sich nicht mal eben so erwerben wie ein Sportbootführerschein. Und so hat diese Öffnung eigentlich nur für Inhaber von Berufspatenten oder Reedereien Bedeutung, da diese ab jetzt auch Sportboote für kommerzielle Zwecke nutzen können.
Aus der Branche wird uns nun jedoch vermehrt gemeldet, dass die Dienststelle Schiffssicherheit, welche für die Vergabe von Schiffbesatzungszeugnissen zuständig ist, auch Charterbetreibern die Ausstellung von Besatzungszeugnissen für Sportbootsführerschein-Inhaber verweigert. Nach den uns vorliegenden Berichten wird dies mit angeblich abweichenden Nutzungen der jeweiligen Charteryachten begründet.
Gesetzeskonform oder nicht, sorgt die aktuelle Praxis der Dienststelle Schiffssicherheit bei Betreibern von Charterflotten unter deutscher Flagge für enorme Verunsicherung und mangelnde Planungssicherheit. Völlig unklar ist die Situation überdies bei den unzähligen Sicherungs- und Trainerbooten bei kleineren und größeren Regatten.
Schon vor der Änderung war für die gewerbliche Nutzung eines Sportbootes eine CE-Konformitätsbescheinigung nötig. Also nichts Neues, sollte man meinen. Allerdings steckt der Teufel wie immer im Detail: Die geänderte Gesetzeslage sieht künftig ein ganz bestimmtes Konformitätsbewertungsverfahren vor (§ 6 Absatz 1, i.V.m. Anlage 1a, Teil 6, Kapitel 1, Ziffer 5.2 SchSV).
Grundsätzlich sehen die einschlägigen Vorschriften zur Produktsicherheit (wie z.B. die Sportbootrichtlinie: 2013/53/EU und der Beschluss Nr. 768/2008/EG) mehrere mögliche Wege (sogenannte Module) zum Nachweis der CE-Konformität vor. Bei Serienschiffen wird die Konformität in der Regel, abhängig von der Entwurfskategorie (A,B,C,D) und der Schiffslänge, nach den Modulen A, A1 oder B+C bestätigt. Bei diesen Modulen handelt es sich im Wesentlichen um interne Fertigungskontrollen der Werften, mit oder ohne Baumusterprüfungen oder überwachte Produktprüfungen, welche durch eine sogenannte „benannte Stelle“, eine unabhängige Prüfstelle, durchgeführt werden.
Diese Arten der Konformitätsbewertung sind aber seit der Gesetzesänderung nicht mehr ausreichend. Die Anforderungen an das Bewertungsverfahren sind verschärft worden, was dazu führt, dass derzeit nahezu keine Yacht die nunmehr notwendigen Konformitätsprüfungen durchlaufen hat. Die nunmehr durch das Gesetz verlangten Prüfmodule wurden bislang für Sportboote im Serienbau praktisch nie angewendet. Was nicht bedeutet, dass die Schiffe nicht den Anforderungen der neuen Schiffssicherheitsverordnung entsprechen. Aber die Papiere sind nicht in Ordnung und jedes Schiff müsste theoretisch nachträglich neu zertifiziert werden, um eine technische Zulassung für jede Art von gewerblicher Nutzung zu erhalten.
Aber auch diese Möglichkeit einer Nachzertifizierung schließt das neue Gesetz aus, da das dafür vorgesehene Modul „PCA“ (Post Construction Assesment) nicht anerkannt wird. Es darf vermutet werden, dass es dem Gesetzgeber nicht darum ging, die deutsche Charterflotte und die daran geknüpften Existenzen zu ruinieren. Allerdings wird deutlich, dass der Gesetzestext an dieser Stelle dringend der Bearbeitung bedarf.
Eine der größten Änderungen betrifft gewerblich genutzte Kleinfahrzeuge, also beispielsweise Wassertaxis oder Charterboote. Hier werden die Sicherheitsanforderungen deutlich verschärft.
Das klingt zunächst sinnvoll – schließlich geht es um den Schutz von Passagieren und Besatzung. Doch wurden hier wirklich sinnvolle Maßnahmen getroffen oder einfach pauschal die Daumenschrauben angezogen? Während beispielsweise früher tragbare Feuerlöscher in bestimmten Bootsklassen ausreichten, werden nun teilweise feste Löschanlagen gefordert. Das erhöht zwar die Sicherheit an Bord, kann aber für kleinere Betriebe hohe Kosten und technischen Aufwand bedeuten.
Auch zusätzliche Rettungsmittel klingen zunächst gut - aber wenn dadurch wertvoller Platz auf ohnehin kleinen Booten verloren geht, ist fraglich, ob das die Sicherheit tatsächlich verbessert oder einfach nur Bürokratie schafft. Viele kleinere Anbieter dürften es schwer haben, die neuen Vorgaben zu erfüllen. Insofern besteht die Gefahr, dass weniger Boote auf dem Wasser verkehren, was negative Auswirkungen auf den Tourismus und die maritime Vielfalt haben könnte – und es stellt sich die Frage, ob diese Entwicklung wirklich sinnvoll und gewollt ist.
Gute Nachrichten für Segelvereine und gemeinnützige Organisationen: Boote, die ausschließlich zur Ausbildung genutzt werden, brauchen künftig kein Schiffssicherheitszeugnis mehr. Bisher musste ein Segelclub, der Jugendkurse anbietet, denselben Sicherheitsnachweis erbringen wie ein kommerzieller Charterbetrieb – inklusive regelmäßiger Prüfungen und umfangreicher Dokumentation. Das bedeutete Zeitaufwand und Kosten, die für einen rein ehrenamtlich geführten Verein oft schwer zu stemmen waren. Mit dem Wegfall dieser Pflicht wird der Wassersport für Vereine und ihre Mitglieder deutlich zugänglicher.
Bisher mussten ausländische Kleinfahrzeuge nachweisen, dass ihre Sicherheitsstandards den deutschen Vorschriften entsprechen – ein bürokratischer Aufwand, der nun wegfällt. Das erleichtert den Zugang zum deutschen Wassersport-Markt und fördert den grenzüberschreitenden Bootsverkehr. Doch warum gab es diese Pflicht überhaupt so lange? War diese Bescheinigung wirklich überflüssig oder wurde hier eine sinnvolle Kontrollinstanz gestrichen? Es bleibt abzuwarten, inwiefern sich in dieser Neureglung doch versteckte Nachteile verbergen.
Für bestimmte Fahrgebiete gibt es ebenfalls Änderungen. Kleine Fahrgastschiffe, die beispielsweise in der Wattfahrt oder als Hafenfähren eingesetzt werden, profitieren von vereinfachten Vorgaben. So müssen bestimmte Wattfahrtschiffe nun nicht mehr dieselben strengen Stabilitätsnachweise erbringen wie größere Seeschiffe. Auch bei den Anforderungen an Rettungsmittel und technischer Ausrüstung gibt es Anpassungen, die den Betrieb erleichtern.
Wattfahrten finden meist in flachem, ruhigem Wasser statt und viele Boote sind ohnehin auf kurze Strecken und sichere Routen beschränkt. Warum also dieselben strengen Vorschriften anwenden wie auf hoher See? Auch für kleine Hafenfähren, die in geschützten Gewässern auf kurzen Strecken pendeln, bedeuten die neuen Regeln weniger unnötige Auflagen. Früher mussten sie dieselbe Notfallausrüstung an Bord haben wie große Fähren, obgleich sie nie weit vom Ufer entfernt sind. Jetzt wurden die Vorschriften realitätsnah angepasst, was Kosten spart und den Betrieb flexibler werden lässt. Diese Neuregelung erscheint sinnvoll und könnte den regionalen Tourismus stärken.
Eine eher technische Änderung betrifft die Magnetkompassprüfung. Bisher durfte die Regulierung von Magnetkompassen auf deutschflaggigen Schiffen nur durch solche Personen vorgenommen werden, die vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie oder einen IMO-Mitgliedsstaat anerkannt waren. Diese Vorgabe entfällt mit der Änderung der Schiffssicherheitsverordnung. Damit werden die Anforderungen an deutschflaggige Schiffe an die internationalen Verfahren angepasst. Außerdem standen im Ausland nur selten vom BSH oder einem IMO-Mitgliedsstaat anerkannte Kompassregulierer zur Verfügung.
Auch für Traditionsschiffe gibt es eine wichtige Änderung: Die Fristen für die Umsetzung der Sicherheitsanforderungen wurden verlängert. Das ist vor allem für Betreiber historischer Schiffe eine Erleichterung, da sie oft große Mühe haben, moderne Vorschriften mit dem Erhalt des maritimen Kulturguts zu vereinen. Hier zeigt sich, dass Regulierung nicht immer nur verschärft, sondern auch sinnvoll angepasst werden kann.
Die neue Schiffssicherheitsverordnung bringt sinnvolle Erleichterungen, aber auch strengere Vorschriften. Während einige Änderungen echte Fortschritte darstellen, bleibt bei anderen die Frage offen, ob sie wirklich notwendig sind. Gerade für kleinere gewerbliche Anbieter werden die verschärften Regulierungen aktuell zum Problem. Gleichzeitig fallen einige bürokratische Hürden weg, was für Freizeitskipper und Vereine ein klarer Vorteil ist. Am Ende bleibt abzuwarten, wie sich die neuen Regeln in der Praxis bewähren. Wird der Wassersport wirklich sicherer – oder nur komplizierter? Und wie viel Regulierung ist eigentlich nötig, um den Spaß am Segeln, Motorbootfahren oder Wassersport nicht zu verlieren?
Die deutschen Branchenverbände (Bundesverband Wassersportwirtschaft und Deutscher Boots- und Schiffbauerverband) stehen derzeit in engem und konstruktivem Austausch mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr um die praktischen Probleme, welche durch die gesetzlichen Änderungen entstanden sind, auszuräumen. Wir sind zuversichtlich, dass es hier schnelle und praxisorientierte Hilfe seitens des Ministeriums für die Branche geben wird, zumal das Ministerium bereits während des Gesetzgebungsverfahrens den engen Austausch mit Branchenvertretern gesucht hat.