NachrufHarald Mertes – sein letzter Törn

Jürgen Strassburger

 · 06.03.2025

So kannte man Harald Mertes: Immer die "große Tüte" auf der Schulter.
Foto: Mertes/privat
Harald Mertes, langjähriger Autor und Fotograf unserer Magazine BOOTE und YACHT starb am 17. Februar 2025 in Koblenz. Wo Harald war, da toste das Leben. Jetzt ist es still geworden. Ein Nachruf von Jürgen Straßburger.

Seine Reportagen waren so bunt wie sein Leben, voller Kraft und überschäumender Lebensfreude. Ein brillanter Geschichtenerzähler, bei dem man manchmal nicht wusste, ob die Erzählung ein reales Stück aus seinem Leben widerspiegelt, oder spontan seiner sprudelnden Fantasie entsprungen war. Den Menschen, die das erlebt haben, war das weitgehend egal: Hier Wahrheit gegen Dichtung abzuwägen, war angesichts dieser fesselnden Erzählkunst viel zu profan.

Harald der Weltumsegler

Viel erzählte er mir auf unseren Törns von seiner drei Jahre dauernden Weltumseglung, die er gemeinsam mit seinem amerikanischen Freund Neil Hollander unternahm. Dass er während dieser Reise als Besitzer einer Bananenfarm in Costa Rica nicht nur die Liebe einer heißblütigen Lateinamerikanerin erfuhr, sondern auch noch Bares für eine bemittelte Rückkehr nach Europa generierte, gehört zu den glücklichen Momenten seines Lebens.

Bild gewordenes Zeugnis dieser Reise ist das in unserem Verlag 1983 erschienene Buch: „So lange sie noch segeln. Die letzten Arbeitssegler“ mit einem Vorwort von Thor Heyerdal.

Harald als Buchautor

In diesem Buch wird Haralds Handschrift als Fotograf deutlich. Anders als bei seinen erzählerischen Auftritten gibt es hier keine Inszenierung, keine künstliche Kulisse, keine Maske und keine dramaturgischen Eingriffe. Mit der Kamera fühlte er sich ausschließlich der Wahrheit verpflichtet und war somit ein echter Vertreter der Reportagefotografie.

In den ersten Jahren unserer Zusammenarbeit war Fotografie noch analog und die DIA-Filme teuer. Anders als der Chefredaktion war es Harald egal, wieviel Filme er pro Reportagetag verballerte (es waren zwischen zehn und 20!), und so verordnete die Chefredaktion „maximal zwei Filme pro Tag“ was 72 Bildern entsprach. Für Harald die Höchststrafe.

Pionier der Digitalfotografie

Zum Glück wurde die Fotografie bald digital und Harald konnte sich wieder austoben. Wie oft habe ich ihn dann nachts bäuchlings auf der Koje vor seinem Laptop liegen sehen, um die Beute des Tages zu sichten, „Müll“ zu löschen und eine erste Bildauswahl zu treffen. Denn noch war die Kapazität der Speicher arg begrenzt.

Trotz Nachtarbeit war Harald zum Sonnenaufgang schon wieder auf den Füßen. Ich nannte das „senile Bettflucht“. Aber Harald suchte die Stimmung des frühen Lichts in Häfen, auf Kanälen und Flüssen oder an der Küste. Nie habe ich von Harald einen Sonnenuntergang gesehen.

Dafür hatte er an Bord aber auch gar keine Zeit: Denn am Abend stand er am zweiflammigen Herd und zauberte in dieser bescheidenen Umgebung die köstlichsten „Dinner for two“.

Harald als Bordkoch

„Der Koch ist Kapitän“ behauptet Harald gemeinsam mit Neil Hollander in dem erstmals 1980 in unserem Verlag erschienenen Buch. Dass ich von den „200 Rezepten gegen Hunger und Durst für Skipper, Segler und Seemannsbräute zu Wasser und zu Lande“ bestimmt gut die Hälfte probieren durfte, gehört zu den schönsten Momenten meiner vielen Törns mit Harald. Und dass der in Trier geborene und in Koblenz lebende Bonvivant dazu am liebsten einen Mosel-Riesling trank, versteht sich von selbst.

Dass aber der Koch eben der Kapitän ist, merkte ich daran, dass nach dem Mahl die total versaute Pantry von mir aufgeklart werden musste.

Du wirst uns fehlen, Harald!


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